Das gemeinsam mit dem Game-Designer Peter Lee und seiner südkoreanischen Agentur NOLGONG entwickelte Web-Game STÄDEL UNIVERSE lädt zu einer Reise durch das Städel Universum ein. Im Interview gibt Antje Lindner aus dem Projektteam Einblicke in die Entstehung der hybriden Anwendung.
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Wie kam es zur Idee, Gaming mit Kunst zu verbinden?
Die Idee gab es schon länger. Auf einer Konferenz zum Thema Digitalisierung und Gamification der Aventis Foundation in Frankfurt stellte Peter Lee „Being Faust – Enter Mephisto“ vor: Ein Game, das seine Agentur Nolgong in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut entwickelt hat. Wir waren sofort überzeugt von der gelungenen Verknüpfung des Klassikers von Goethe mit der Lebensrealität der Spieler – ein Ansatz, der auch für die Kunstvermittlung im Städel Museum maßgeblich ist. Denn Kunst ermöglicht einen Blick in vergangene Epochen und kann gleichzeitig zukunftsweisende Ideen visualisieren. Sie kann emotional berühren, die Wahrnehmung herausfordern und Perspektiven verändern. Mit jedem Kunstwerk kann man theoretisch in eine ganz eigene Welt eintauchen – eine ideale Voraussetzung für ein Game.
Das Game heißt STÄDEL UNIVERSE. Was verbirgt sich hinter dem Namen?
Seit jeher hegen Menschen den Wunsch, die Welt mithilfe des Universums zu verstehen. Die Sternbilder am Nachthimmel sind eine Karte der Menschheitsgeschichte. Ebenso verhält es sich mit Bildern und Skulpturen. Sie sind Zeitzeugnisse, die einzigartige Einblicke in verschiedene Epochen der Gesellschaft ermöglichen. Seit Jahrtausenden sammeln Menschen Wissen in Bibliotheken, Archiven und Museen. Noch älter ist die Orientierung am Nachthimmel, um den Rhythmus der Monate und der Jahreszeiten zu bestimmen. Es erschien uns naheliegend, Kunstwerke und Sternenkonstellationen im Game zu verbinden. Und die Städel Sammlung lädt dazu ein, in ein ganz eigenes Universum einzutauchen: das Städel Universum.
Mit STÄDEL UNIVERSE wollen wir unsere Besucher auf eine Reise durch das Universum der Kunst schicken. Die Spieler werden bei der Begegnung mit Kunstwerken mit lebensnahen, ethischen und moralischen Themen konfrontiert. Alte Gewissheiten werden überprüft und neue Fragestellungen entwickelt. So entstehen Bezüge zwischen der Bilderwelt und der eigenen Lebensrealität: Je besser wir unsere Vergangenheit kennen und verstehen, desto eher können wir ein Bewusstsein für das Geschehen in der Gegenwart entwickeln und aktuelle Ereignisse einordnen. So ist auch die Idee entstanden, Zeitreisen und Sternbilder in das Game einfließen zu lassen.
Wie beginnt das Game und was erfahren die Spieler darin über die Kunst?
Die Mission beginnt mit einem Hilferuf aus der Zukunft: Aus unerklärlichen Gründen geht Wissen verloren – ein Prozess, der laut der Nachricht gerade jetzt passiert. An verschiedene Wissensarchive, wie Bibliotheken und Museen, wurden deshalb Hilferufe geschickt. Eine dieser Nachrichten landet auch in den Händen des Spielers. Seine Aufgabe: Das Wissen mit Hilfe der Kunstwerke im Städel Museum wiederherzustellen.
Dazu müssen die Spieler Aufgaben lösen, wobei sie sich mit menschlichen Emotionen, religiösen Themen, naturwissenschaftlichen oder ethischen Fragen auseinandersetzen. Werden neue Inhalte entschlüsselt, gewinnen die Spieler im Game neue Erkenntnisse und das Wissen wird auch für die Zukunft gesichert. Darüber hinaus lernen sie das Vokabular der Kunstgeschichte kennen: Von der visuellen Wahrnehmung über den historischen Kontext bis hin zur Kompositionsanalyse. Im Grunde üben sich die Spieler darin, Bilder zu „lesen“. Das Game bietet unseren Besuchern die Möglichkeit, sich eigenständig, im eigenen Tempo und vor allen interaktiv mit den Kunstwerken auseinanderzusetzen. Die Spieler werden aktiv dazu aufgefordert, einen eigenen Standpunkt zu entwickeln und Beobachtungen anzustellen – und letztlich ihre Mission zu lösen.
Auf welche Herausforderungen seid ihr bei der Entwicklung von STÄDEL UNIVERSE gestoßen?
Zu Beginn gab es viele offene Fragen: Wie kann etwas so Individuelles und Subjektives wie die Kunstbetrachtung mit den Strukturen eines Games zusammengebracht werden? Wie lenkt man im Museumsraum den Blick weg vom Smartphone auf die Originale? Wie sprechen wir Erwachsene an? Wie gehen wir mit den regelmäßigen Umhängungen in den Ausstellungsräumen um? Die große Zahl an Werken und Themen in der Sammlung des Museums bietet unzählige Möglichkeiten, stellte uns aber auch vor die Herausforderung, eine ausgewogene Auswahl zu treffen.
Wie seid ihr diesen Herausforderungen begegnet?
Die Entwicklung von Lösungen brauchte Zeit und auch die Teams mussten sich zusammenfinden. Während NOLGONG den Fokus zunächst auf die geeignete Game-Mechanik legte und sich über die Wegführung und Vernetzung des Games mit der Digitalen Sammlung des Städel Museums Gedanken machte, arbeitete das Team des Städel Museums an den Inhalten, die vermittelt werden sollen. Besonders herausfordernd war es, bei der Erstellung der Inhalte, die Regeln der Game-Mechaniken zu berücksichtigen. Um die einzelnen Erzählungen im Game zusammenzuführen und in einen Sinnzusammenhang zu bringen, brauchte es zudem eine übergreifende Storyline. Der Dramaturg Herbert Schwarze stand uns hier mit kritischen Fragen, viel Geduld und Humor als wertvoller Berater zur Seite.
Warum sollte ich unbedingt STÄDEL UNIVERSE spielen?
Mit STÄDEL UNIVERSE kannst du 36 Kunstwerke der Dauerausstellung kennenlernen. In der Begegnung mit Kunst kannst du entdecken und lernen, neue Sichtweisen einnehmen und dich mit grundlegenden Fragen der Menschheit beschäftigen. Im Prinzip stellt das Game die Fragen: Was macht Kunst mit mir? Was bedeutet Kunst für mich? Wie kann ich durch die Kunst mehr über mich selbst erfahren?
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