Der Trend Urban Beekeeping erobert die deutschen Großstädte – besonders kultivierte Bienen zieht es ans Museum. Ein Besuch auf dem Städel Dach, bei der hauseigenen Honigpumpe.
Das Städel ist ein Labyrinth. Jenseits der Ausstellungsräume kann man sich leicht verlieren, aber auch einiges entdecken – etwa mit Michael Edelmann an der Seite. Leicht außer Atem erklimmen wir die letzten Sprossen zum Dach des Museums und klettern aus der Luke heraus in die warme Sommerluft: Majestätisch ragen die Hochhäuser der Frankfurter Skyline vor uns auf. Die frühmorgendlichen Sonnenstrahlen bringen die Glasfassaden zum Funkeln. Unter unseren Füßen 700 Jahre Kunstgeschichte, vor uns die Silhouette der modernen Metropole.
Ein leises Summen erfüllt die Luft. Ein Summen? Ja, denn seit diesem Jahr ist das Städel das Zuhause von vier Bienenvölkern: Sie sind der Grund für unseren Ausflug aufs Museumsdach. 40.000 bis 50.000 Tiere zählt in der Hochsaison ein einziger Stock. Das Summen schwillt zu einem lauten Brummen an, als Michael Edelmann den ersten Rahmen aus einem der hohen rechteckigen Holzkästen zieht. Es wimmelt und wuselt.
„Diese Tiere haben mich schon immer fasziniert“, erzählt der Hobbyimker aus Langen. Vor vier Jahren bekam er dann ein Buch über Bienenhaltung geschenkt, absolvierte Kurse und begann so, neben seiner Arbeit als Klima- und Kältetechniker am Städel, Bienen zu züchten. 30 Völker besitzt und betreut Michael Edelmann heute. Die Idee, vier davon auf dem Museumsdach anzusiedeln, kam ihm gemeinsam mit Thomas Pietrzak, dem Leiter des Technischen Diensts des Städels.
„Es braucht aber niemand Angst zu haben, gestochen zu werden“, beruhigt der Imker, „die Bienen gehören zu einer besonders sanftmütigen Züchtung und sind nicht angriffslustig.“ Kultiviert und friedfertig – wenn diese Tiere mal nicht gut hierher passen. Nicht zuletzt da die Biene als Symbol in der Kunst auf eine lange Darstellungstradition zurückblicken kann, die bis in die Antike reicht: Ob Ägypter oder Minoer – die kleinen Insekten zogen schon vor Tausenden von Jahren den Menschen in ihren Bann. Und wie könnte man nicht fasziniert sein von ihrem Anblick, wie sie emsig über den schmalen Rahmen klettern, und von der ornamenthaften Schönheit der regelmäßigen, sechseckigen Waben?
Bei genauerem Hinsehen sticht ein Tier aus der surrenden Menge heraus: Mit einem kleinen grünen Punkt ist die Königin markiert. Sie ist etwas größer und bildet als Mutter der anderen Bienen das Zentrum des Schwarms. „In der Regel bleiben die Bienen ihrer Königin treu“, erklärt Michael Edelmann, „sie kehren immer wieder zu ihrem Stock zurück“ – und das, obwohl sie sich bei der Futtersuche bis zu fünf Kilometer von ihrem Zuhause entfernen können.
So weit auszuschwärmen, haben die Städel Bienen aber gar nicht nötig: Die Platanen am Mainufer, die Blumen der nahen Parkanlagen und umliegenden Gärten stellen ein einladendes Buffet für sie dar. Hauptnahrungsquelle sind Linden und Kastanien. Bei dieser Blütenvielfalt hat es die Großstadtbiene teilweise sogar leichter als ihre Artgenossinnen auf dem Land.
Weil durch die Honigernte den Bienen ihre Vorräte genommen werden, bietet der Imker Ersatz in Form von Zucker. „Wir haben ja erst dieses Jahr angefangen und die Völker angesiedelt, deswegen gab es keine Frühjahrsernte“, erläutert Michael Edelmann. Für das nächste Jahr rechnet er aber mit ungefähr 40 bis 50 Kilo Honig pro Stock. Die Bedingungen auf dem Museumsdach seien sehr gut, versichert er: „Die Bienen fühlen sich wohl“. Und dass nicht nur Bienen, sondern auch Honig und Kunst gut zusammenpassen, steht seit Josef Beuys Honigpumpe am Arbeitsplatz wohl außer Frage.
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