Asta Gröting macht das Unsichtbare erfahrbar: alltägliche Prozesse, die leicht übersehen werden, und das schwer Greifbare im Zwischenmenschlichen. Im Gespräch mit Kuratorin Svenja Grosser spricht die Künstlerin über den Weg von der Skulptur zum bewegten Bild, über Wölfe, Scheitern und ihre neuen Arbeiten „Atemkurve“ und „Matthias, Helge und Asta“ im Städel Museum.
Du bist ursprünglich als Bildhauerin ausgebildet und vor allem durch deine Werke in diesem Medium bekannt. Seit den 1990er-Jahren arbeitest du parallel auch mit Video. Im Städel Museum legen wir nun den Fokus auf genau diese videografischen Arbeiten. Wie bist du zum Medium des bewegten Bildes gekommen?
Nachdem sich zehn Jahre lang Skulpturen und Materialien in meinem Atelier angesammelt hatten, wollte ich mit Video arbeiten, um weitere Lagerprobleme zu vermeiden. Außerdem wollte ich etwas Neues ausprobieren, mein Leben verändern und mit anderen Menschen zusammenarbeiten.
Nach einer Serie von Skulpturen über die inneren Organe von Menschen und Tieren entstand der Wunsch, mich mit der inneren Stimme zu beschäftigen. Dabei dachte ich an Bauchrednerei. Da ich keine figürlichen Skulpturen machte, schrieb ich einen Dialog für eine selbstgebaute Puppe und fand einen Bauchredner. So entstand der erste Film meiner Serie „The Inner Voice“. Seitdem arbeite ich mit Skulptur, Video und Performance. Das Material spielt für mich eine untergeordnete Rolle, entscheidend ist der Inhalt. Das Medium wähle ich passend dazu. Nach längerer Zeit mit Videos zieht es mich immer wieder zurück zur Skulptur. Und umgekehrt.
Findet deine bildhauerische Ausbildung auch in deinen Videoarbeiten Ausdruck? Welche Verbindung siehst du zwischen beiden Medien?
Das Schöne für mich an der Bildhauerei ist die körperliche Erfahrung während ich die Skulptur mache, ich denke und hoffe das spürt man auch beim Anschauen. Diese Direktheit suche ich auch in Video und Performance. Bei einer Skulptur spürt man das Material, im Video entsteht dieser Moment durch Kamera, Perspektive und Zeit. Für mich sind das keine getrennten Welten, sondern unterschiedliche Wege, um denselben körperlichen Ausdruck zu finden.
Eine deiner zentralen Videoarbeiten ist „Wolf and Dog“ (2011), in dem deine Hündin auf Wölfe trifft. Es entsteht eine kontrollierte und zugleich unvorhersehbare Situation. Generell beschäftigst du dich intensiv mit dem Wesen von Tieren und ihrer Beziehung zum Menschen – im positiven wie im negativen Sinne. Was macht die Auseinandersetzung mit Tieren zu einem so aufschlussreichen Ausgangspunkt für deine Arbeit?
In meiner Arbeit geht es darum, genau hinzuschauen, auch auf unser Verhalten untereinander und gegenüber Tieren. Wölfe sind dafür ein gutes Beispiel. Seit 25 Jahren leben sie wieder in Deutschland, heute gibt es etwa 200 Rudel. Aus Sicht des Naturschutzes ist das ein Erfolg, doch die Stimmung hat sich gewandelt. Die Angst vor Wölfen hat vor allem mit Vorurteilen zu tun. Wölfe greifen instinktiv keine Menschen oder Hunde an und sie sind deutlich weniger gefährlich als Hunde. Stattdessen sind sie hochsoziale Tiere, die ihr Rudel klug organisieren.
Wölfe waren die ersten Tiere, die der Mensch domestizierte. Vor rund 23.000 Jahren begann in Sibirien eine enge Beziehung, aus der Hunde und ungefähr 400 – zum Teil kuriose – Hunderassen entstanden. Und doch gibt es den Wolf bis heute. Eingriffe des Menschen in die Natur verlaufen selten gut und die Arroganz, mit der wir Tieren begegnen, bleibt für mich schwer erträglich.
In deiner neuesten Arbeit „Matthias, Helge und Asta“ (2025) stellst du die Frage nach dem Scheitern und lässt sie bewusst offen: Die Besucher sind eingeladen, sich selbst mit der Frage „Bist du gescheitert“ zu konfrontieren. Was bedeutet diese zutiefst menschliche Thematik für dich?
Scheitern gibt mehr Gesprächsstoff her, sagte Hildegard Knef. Wir scheitern ja meist durch unsere eigenen Ansprüche und nicht in den Augen der anderen.
Ich meine mit Scheitern nicht das existenzielle Scheitern, wie Obdachlosigkeit, Krieg oder Tod, sondern das schambehaftete Scheitern, das aus unseren eigenen Vergleichen und Ansprüchen entsteht. Wenn wir uns die Verluste eines Lebens bewusst vor Augen führen, taucht unweigerlich die Frage nach dem Scheitern auf. Würden wir uns mehr über das Scheitern freuen, hätten wir mehr Leichtigkeit im Leben und weniger Angst.
Hinzu kommt die spannende Frage des politischen Scheiterns und wie Politiker mit der Angst vor dem Scheitern beeinflusst werden (oder sich selbst beeinflussen). Wenn wir Scheitern zulassen, entstehen oft bessere Dinge, weil wir freier experimentieren können. Sowohl im persönlichen als auch im politischen Bereich bringt das ständige Vermeiden von Scheitern große Probleme mit sich.
In deiner Arbeit „Atemkurve“ (2025) für das Städel Museum wird durch eine Laserprojektion der Atem als physischer Vorgang erfahrbar gemacht – etwas, das im Alltag oft übersehen oder kaum bewusst wahrgenommen wird. Auch in anderen Werken beschäftigst du dich mit Prozessen, die sich unserer direkten Wahrnehmung entziehen, seien sie körperlicher oder psychischer Natur. Welche Rolle spielt dieses Interesse an verborgenen oder subtilen Vorgängen in deiner künstlerischen Praxis?
Ich kann nicht erklären, warum ich mich für etwas interessiere. Ich plane mein Interesse nicht. Es ist einfach da, aus Beobachtung oder als meine Antwort auf die Welt. Ich suche nach einem Bild für das, was ich sehen will. Ob es funktioniert, ist zunächst zweitrangig. Manche Fragen bleiben unbeantwortet, für manche finde ich kein Bild.
Bei der „Atemkurve“ sah ich zufällig eine grafische Welle, wie sie bei medizinischen Messungen entsteht, um das Lungenvolumen zu erfassen. Sie steht für das, womit unser Körper vom ersten bis zum letzten Moment beschäftigt ist: Sauerstoff aufnehmen und Kohlendioxid abgeben. Diese Welle wollte ich in Frankfurt den Videos gegenüberstellen.
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