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Mylius und Ariadne

Carl Friedrich Mylius prägte mit seinen einzigartigen Stadtansichten und künstlerischen Fotografien das Bild Frankfurts. Er behauptete der Erste gewesen zu sein, der Danneckers „Ariadne auf dem Panther“ fotografierte. Ob das stimmt und wie Mylius‘ ikonische Aufnahme zum internationalen Erfolg der monumentalen Skulptur beitrug, berichtet Eberhard Mayer-Wegelin.

Eberhard Mayer-Wegelin — 20. März 2025

Carl Friedrich Mylius (1827–1916) ist der bekannteste Frankfurter Fotograf des 19. Jahrhunderts. Schon als junger Mann erkannte er seine künstlerische Begabung. Im Alter von 16 Jahren bekam er im Rahmen seiner Ausbildung als Lithograph für ein halbes Jahr Unterricht im Städel bei Professor Jacob Becker. Als Wandergeselle lernte er in Nürnberg seine spätere Ehefrau kennen – und wechselte kurzerhand den Beruf: Er eröffnete dort 1850 ein Fotoatelier und siedelte vier Jahre später wieder nach Frankfurt über. Während seine Konkurrenten ihr Geld mit Porträts verdienten, spezialisierte er sich auf Stadtansichten von Frankfurt.

Ansichten der Ausstellung  „Frankfurt forever! Fotografien von Carl Friedrich Mylius“, Fotos: Städel Museum – Norbert Miguletz


Ein ikonisches Motiv

Zu den Motiven gehörten die Denkmäler von Goethe, Schiller und Gutenberg. Da lag es für ihn nahe, auch die „Ariadne auf dem Panther“ (1803–1814) in sein Repertoire aufzunehmen. Die Ariadne von Johann Heinrich von Dannecker war zu dieser Zeit europaweit eines der bekanntesten Kunstwerke. Ihr einstiger Besitzer war Simon Moritz von Bethmann, der die klassizistische Skulptur 1814 erwarb und ihr sogar ein eigenes Museum widmete: Im Odeon, dem ersten Museumsbau in der Geschichte Frankfurts, war sie bis 1856 zu sehen. Dann zog die Skulptur in das Ariadneum, einem Annex am Landhaus der Familie Bethmann. Sie war ein Publikumsmagnet für Frankfurter und Reisende und wurde für Mylius zu einem Kassenschlager. Stolz schrieb er in seinen späteren Aufzeichnungen:

Ariadne 1857. Ungefähr in dieser Zeit war ich auch der erste, der Bethmanns Ariadne von Dannecker nach dem Original aufnahm, auch dies war etwas neues und wurde von Fremden vielfach gekauft. Per Blatt fl. 1,-.

Dabei hat er die Ariadne herauskopiert, so dass sie dem Betrachter vor einem schwarzen Hintergrund präsentiert wird – das lässt den Marmor umso kontrastreicher erleuchten. Die Aufnahme war mit einigen Herausforderungen verbunden, wie Mylius ein andermal schreibt: „namentlich verlangten Engländer eine Naturaufnahme der Ariadne, welche bisher nur in schlechten Stichen zu haben war. Herr M. v. Bethmann gab die Erlaubnis und ich zeichnete den Hergang ins Fremdenbuch. Die Fenster, viele Jahre verschlossen, mußten von einem Schlosser geöffnet werden, im Garten wurde ein Podium errichtet, aufwelchem (sic!) der Apparat stand; nun konnte die Aufnahme durchs Fenster erfolgen.“

Carl Friedrich Mylius (1827–1916), Ariadne auf dem Panther von Johann Heinrich von Dannecker, ca. 1880, Städel Museum, Frankfurt am Main. Erhalten haben sich einige spätere Abzüge auf Albuminpapier, das erst ab etwa 1860 von den Fotografen verwendet wurde.

Der Erste?

Was Mylius nicht wusste: Er war doch nicht der Erste, der die Ariadne fotografierte. Er war nur der Erste, der die Aufnahme öffentlich machte und daraus finanziellen Nutzen zog. Bereits 1842 war der Erfinder des fotografischen Negativ-Positiv-Verfahrens Henry Fox Talbot (1800–1877) in Frankfurt. Er war eine Art Privatgelehrter, der bereits unzählige Motive in seiner englischen Heimat und bei Auslandsreisen aufgenommen hatte, diese aber nicht vermarktete. Er interessierte sich für Skulpturen und hatte natürlich auch von Danneckers Ariadne gehört. Er besuchte in Frankfurt seinen Onkel, der hier englischer Gesandter beim Deutschen Bund war. Bei dieser Gelegenheit fotografierte er die Skulptur von allen Seiten. Dies war aber mehr eine private Angelegenheit, die unbekannt blieb.

Henry Fox Talbot, Ariadne auf dem Panther, 1842, Science Museum London

Wie Mylius in seinen Aufzeichnungen andeutete, boten bald auch andere Fotografen dieses Motiv an, auf das er seine Konkurrenten offenbar aufmerksam gemacht hatte. Der Kölner Fotograf Theodor Creifelds (1839–1902) übernahm die Ariadne in den Frankfurt-Teil seiner Deutschland-Serie, ebenso der Mainzer Fotograf Carl Hertel (1832–1906). In Frankfurt war die Ariadne später auf vielen Souvenir-Postkarten, in Ansichten-Broschüren und Bildbänden abgebildet.

Carl Hertel, das neue Städel-Museum am Main, 1879, Fotografie in Privatbesitz

Theodor Creifelds, Schillerdenkmal auf dem damaligen Schillerplatz an der Hauptwache in Frankfurt, um 1870, Fotografie in Privatbesitz

Obwohl Mylius also nicht der Erste war, der dieses monumentale Kunstwerk fotografierte, war er derjenige, der es der Öffentlichkeit in einer neuen Form präsentierte und es als Souvenir für Reisende zugänglich machte. Dadurch ebnete er den Weg für andere Fotografen, das Motiv ebenfalls in ihre Werke aufzunehmen, und trug so entscheidend zur Verbreitung und zum dauerhaften Ruhm von Danneckers Skulptur bei. Die Ariadne zog übrigens noch ein weiteres Mal um: Heute ist sie in der Liebieghaus Skulpturensammlung zu bewundern.


Dr. Eberhard Mayer-Wegelin hat sich über Jahrzehnte intensiv mit Leben und Werk von Carl Friedrich Mylius auseinandergesetzt. Seine Arbeiten trugen wesentlich dazu bei, die Bedeutung des Frankfurter Fotografen des 19. Jahrhunderts einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Die Ausstellung „Frankfurt forever! Fotografien von Carl Friedrich Mylius“ ist bis zum 1. Juni 2025 im Städel Museum zu sehen.

Wer mehr über die vielleicht populärste deutsche Skulptur des 19. Jahrhunderts erfahren will, findet „Die Akte Ariadne“ auf der Website der Liebieghaus Skulpturensammlung.

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