Die Ausstellung „Carl Schuch und Frankreich“ widmet sich einem Ausnahmetalent des 19. Jahrhunderts, das trotz intensiver Auseinandersetzung mit der französischen Moderne einen unverwechselbaren eigenen Weg ging. Welche neuen Perspektiven die Ausstellung eröffnet, erläutern die Kuratoren Juliane Betz, Neela Struck und Alexander Eiling im Interview.
Carl Schuch wird immer wieder als der ‚bekannteste Unbekannte‘ der Malerei des ausgehenden 19. Jahrhunderts bezeichnet. Trotz seines außergewöhnlichen Talents stand er lange im Schatten anderer. Wer war Carl Schuch und welche Rolle spielt die Ausstellung dabei, sein Werk neu zu bewerten?
Juliane Betz: Carl Schuch war ein rastloser Kosmopolit, ein ausgesprochen selbstkritischer Maler und ein sehr aufmerksamer Beobachter des Kunstgeschehens, vor allem in Frankreich. Er wurde 1846 in Wien geboren, studierte an der Wiener Akademie und wurde durch den Landschaftsmaler Ludwig Halauska unterrichtet. Ab 1869 war Schuch viel auf Reisen und verlegte seinen Lebensmittelpunkt mehrfach, zunächst nach München, dann nach Venedig und von 1882 bis 1894 nach Paris. Dass sein Name heute nur wenigen etwas sagt, liegt sicherlich auch an Schuchs hohem Anspruch an die Kunst: Zu Lebzeiten stellte er nur einzelne Werke aus und verkaufte fast nichts.
Unsere Ausstellung gibt einen Einblick in Schuchs Gesamtschaffen, mit einem Schwerpunkt auf seinem Interesse an der französischen Kunst. Dieses durchzieht sein Leben wie ein roter Faden, mit seinem Höhepunkt während der Pariser Jahre.
Welche Einflüsse prägten Schuchs unverwechselbaren Malstil, der sich nur schwer zuordnen lässt?
Neela Struck: Tatsächlich lässt sich Schuch kaum einer Stilrichtung, Gruppe oder Nation zuordnen – gerade das macht seine Kunst so spannend. Künstlerisch prägend waren für Schuch natürlich zunächst seine Ausbildung in Wien und besonders die Jahre im Umfeld des Leibl-Kreises in München. Dort stand die „reine Malerei“ im Zentrum, also die Darstellung alltäglicher, einfacher Motive in deutlich sichtbaren Pinselstrichen. Davon ausgehend hat Schuch sich auf seinen Reisen und an seinen Wohnorten sehr aufmerksam umgesehen. Er setzte sich mit Alten Meistern ebenso auseinander wie mit den europäischen Avantgarden. Da die aufregendsten Neuerungen damals in der französischen Malerei stattfanden, richtete sich sein Blick – wie der vieler anderer Künstlerinnen und Künstler – auf Paris.
Schuch hat einen großen Teil seines Lebens in Paris verbracht und kam dort in enge Berührung mit der französischen Kunstszene. Warum ist gerade dieser Aspekt seiner Biografie so wichtig für das Verständnis seines Werks?
Alexander Eiling: Paris galt im ausgehenden 19. Jahrhundert als DAS Zentrum der modernen Kunst. Schuch war Anfang der 1870er-Jahre zum ersten Mal dort und erlebte die Stadt als „Eldorado der Maler“. Nach seinem Umzug Ende 1882 begegnete Schuch dort einer Vielzahl unterschiedlicher Kunstströmungen, von der akademischen Malerei bis hin zu den diversen Facetten der modernen Kunst wie dem Impressionismus.
Schuch wollte etwas Eigenes schaffen. Aber man erkennt an seinen Gemälden und auch an seinen Notizen deutlich, was ihn an der französischen Malerei interessierte. Es ging ihm darum, Licht, Luft und die Stimmung einer Landschaft durch die richtigen Farbwirkungen wiederzugeben. Außerdem spielten die Hinwendung zur eigenen Lebenswirklichkeit und das Interesse an Wahrnehmungsprozessen eine große Rolle für Schuch. Man kann auch beobachten, wie er sich neue Farbmittel erschloss und wie seine Maltechnik sich durch den Kontakt mit der französischen Malerei veränderte: Der Pinselstrich wird lockerer, die Palette hellt sich etwas auf. Reine Farben verwendete Schuch aber nur sehr spärlich und kleine Partien leuchtender Farbigkeit bleiben bei ihm fast immer in die Tonmalerei eingebunden. Diese Mischung aus seiner beharrlichen Eigenständigkeit und seiner großen Offenheit für alle Spielarten der Moderne begründet seine besondere Position in der Kunst des 19. Jahrhunderts.
In der Ausstellung treten Schuchs Werke in einen direkten Dialog mit Gemälden von Künstlern wie Édouard Manet, Gustave Courbet oder auch deutschen und österreichischen Zeitgenossen. Welche neuen Perspektiven eröffnen diese Vergleiche?
Juliane Betz: Die knapp 50 Gemälde anderer Künstler, die wir den 71 Werken Schuchs gegenüberstellen, zeigen Verschiedenes. Einerseits studierte Schuch sehr unterschiedliche Kunst: Alte Meister finden sich ebenso wie Zeitgenossen. Uns ist dabei wichtig, zu zeigen, dass das Paris, das Schuch in den 1880er Jahren erlebte, sehr facettenreich war. Er begeisterte sich für Künstler, die damals erfolgreich waren, wie etwa Jules Bastien-Lepage und Antoine Vollon, aber natürlich auch für heute große Namen. Neben Courbet, der für viele deutsche Maler eine Vorreiterrolle einnahm, setzte er sich bereits früh und sehr scharfsinnig mit Manet und Monet auseinander. Unsere Gegenüberstellungen machen deutlich, dass Schuch keinem Vorbild einfach folgte: Er übernahm gezielt Aspekte einzelner Künstler und verband sie zu einem ganz eigenen, unverwechselbaren künstlerischen Ansatz. Unsere Gegenüberstellungen heben auf diese Vielfalt ab. Sie zeigen, dass Schuch keinem Vorbild einfach folgte: Er übernahm jeweils ausgewählte Aspekte, verband sie aber stets mit seinem ganz eigenen künstlerischen Ansatz.
Carl Schuch schrieb ein eigenständiges Kapitel der Kunstgeschichte. Was macht seine Kunst heute noch so besonders und warum ist diese Ausstellung eine echte Entdeckung, die man nicht verpassen sollte?
Neela Struck: Zu entdecken gibt es einen Künstler, der bisher zu wenig Beachtung fand. Es lohnt sich unbedingt, sich Schuchs mit feinem Farbensinn komponierte Stillleben und leuchtende Landschaftsgemälde anzuschauen. Das Interessante an Schuch ist die Konsequenz, mit der er seinen künstlerischen Ansatz verfolgte. Er konzentrierte sich auf Landschaften und Stillleben und malte immer wieder dieselben Motive in immer neuen Zusammenstellungen. Seine Werke haben dadurch einen sehr hohen Wiedererkennungswert. Schuch spürte Variationen von Farbklängen und -kontrasten, kalten und warmen Tönen nach. Seine Notizen kreisen um diese Suche nach dem „richtigen Ton“, wobei er häufig Referenzen aus dem Kreis der französischen Künstler suchte.
Alexander Eiling: Dieser forschenden, analytischen Arbeitsweise des Künstlers konnten wir im Vorfeld der Ausstellung „über die Schulter“ blicken. Die Restauratorinnen Eva Bader und Linda Schmidt haben das Stillleben aus unserer Sammlung und zwei weitere Stillleben, die uns die Kollegen aus Hamburg (Hamburger Kunsthalle) und Wiesbaden (Museum Wiesbaden) großzügiger Weise schon vor einiger Zeit nach Frankfurt geschickt haben, umfassend untersucht. Ihre Ergebnisse ermöglichen spannende, neue Einblicke in das serielle Experimentieren, das Schuchs Werk auf und unter den sichtbaren Oberflächen kennzeichnet – es gibt also einiges zu entdecken.
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