Kennenlernen, Diskutieren, Erfahrungen austauschen und voneinander Lernen – zum dritten Mal hat das Städel Museum an dem afrikanisch-europäischen Austauschprogramm TheMuseumsLab teilgenommen. Vom 19. bis 30. Juni waren Kolleginnen aus Kenia und Albanien in Frankfurt: Eine intensive und vor allem horizonterweiternde Begegnung.
Wie sieht das Museum der Zukunft aus? Welchen Beitrag können Kulturinstitutionen zur gesellschaftlichen Verständigung leisten, auch über die Grenzen von Ländern und Kontinenten hinweg? Angesichts der großen ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit erscheinen diese Fragen bedeutsamer denn je. Sich ihnen zu stellen und sie aus unterschiedlichen Perspektiven zu diskutieren, ist ein Ziel des internationalen Austauschprogramms TheMuseumsLab.
Seit 2021 bietet das Programm eine Plattform des gemeinsamen Lernens und Netzwerkens. Das Team der Bildung und Vermittlung des Städel Museums war von Beginn an dabei: Leiterin Chantal Eschenfelder trat schon 2021 als Expertin für digitale Museumsarbeit in Erscheinung. 2022 konnte ich mich erfolgreich um die Teilnahme als eine von 50 Fellows aus verschiedenen afrikanischen und europäischen Ländern bewerben. Meine Erlebnisse des letzten Jahres waren aufreibend und sehr bereichernd.
Ob in den Berliner Museen, am Stockholmer World Culture Museum (Etnografiska museet) oder an einschlägigen Geschichtsorten Kapstadts – nie stand mir die schmerzhafte, globale Verzahnung der Kolonialgeschichte konkreter und, in der Begegnung mit den internationalen Kolleginnen und Kollegen, persönlicher vor Augen. Die Möglichkeit, das Gesehene gemeinsam kritisch zu reflektieren, schärfte auch den Blick auf die eigene Institution, das Städel Museum, und dessen Aufgaben als Bildungs- und Begegnungsort.
Umso spannender war es in diesem Jahr, gemeinsam mit den Gästen Susan Oyieke (National Museums of Kenya) und Inesa Sulaj (Begründerin der Organisation MuzehLab in Tirana, Albanien), die vertrauten Frankfurter Museen und Realitäten unter anderen, neuen Vorzeichen zu sehen.
Die Ausstellungsmacherin Susan Oyieke brauchte zum Beispiel nur einen kurzen Blick auf das Gemälde von Albrecht Altdorfer „Anbetung der Könige“ (ca. 1530–1535): „Es ist wunderschön, aber ein sehr rassistisches Gemälde“. Auf meine Erläuterung, dass sich viele Besucher in Führungen beim Anblick des an den Bildrand verdrängten Schwarzen Königs mit dieser Erkenntnis deutlich schwerer tun, gibt sie sich wenig überrascht: Wer Rassismus selber nicht erfahren habe, sähe ihn oft nicht – ob im realen Leben oder auf einem europäischen Gemälde aus den 1530er Jahren. Eine starke, zeitgenössische, afrikanische Stimme bräuchte es neben einem solchen Werk, um den Wunden der Geschichte und Gegenwart etwas entgegenzusetzen.
Und auch Inesa Sulajs äußerst anschauliche Berichte über ihr unermüdliches Engagement für die Kunst und Kultur in Albanien stimmen nachdenklich: In einer politisch-gesellschaftlichen Umgebung, in der Museen und Erinnerungsorte kaum gefördert werden, ist das Entwickeln von Ausstellungen Knochenarbeit: 7-Tage-Wochen und mangelnde Finanzierungsmöglichkeiten sind für die junge Frau aus Tirana ganz normal. Und trotz ihres großen Elans sieht sie für sich in Albanien keine Zukunft – zu dick sind die gläsernen Decken, zu entscheidend Geschlecht und politische Parteinahme für die eigene Karriere.
Deutlich wird hier: Viel gilt es im deutschen Kulturbetrieb zu schätzen, zu hegen und pflegen, aber auch zu verbessern. Beeindruckend ist etwa die kooperative, zielgerichtete Zusammenarbeit unterschiedlicher Experten innerhalb der 200 Personen umfassenden Mitarbeiterschaft des kenianischen Nationalmuseums in Nairobi, von dem Susan Oyieke berichtete.
Wir haben beide Fellows gefragt, wem sie Teilnahme an MuseumsLab empfehlen würden. Susan Oyieke wird es ihren Kolleginnen und Kollegen in Nairobi ans Herz legen, Inesa Sulaj ergänzte: „Ich würde MuseumsLab Museums- und Kulturfachleuten empfehlen, die einige Jahre Berufserfahrung in Europa und Afrika haben und daran interessiert sind, sich mehr Wissen über Dekolonialisierung, Restitution kolonialer Objekte, Demokratie, Klimawandel und Digitalisierung anzueignen.“
Was aus dem „Museumslabor“ dieses Austauschprogramms entstehen wird – auf nationaler Ebene, aber auch unsere eigene Arbeit am Städel Museum, muss die Zukunft zeigen. Das kollegiale Netzwerk – das steht jetzt schon fest – hat sich für die Mitarbeiterinnen der Bildung & Vermittlung weit in den Osten und Süden ausgedehnt. Und der eigene Horizont? – er wird mit jeder Begegnung weiter.
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