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Neue Nachbarschaften

Wie wirken die Publikumslieblinge aus dem Sammlungsbereich Kunst der Moderne durch die neuen Wandfarben und was sind die persönlichen Highlights der Kuratoren? Alexander Eiling, Juliane Betz und Kristina Lemke geben Einblicke.

Susanne Hafner — 28. Oktober 2022

Die Wandfarben bringen die Kunst ganz neu zum Strahlen. Gibt es ein Werk, das euch mit einer veränderten Wirkung überrascht hat?

Alexander Eiling: Die Gemälde des Symbolismus erhalten beispielsweise auf der violetten Raumfarbe eine andere Tiefe. Werke dieser Art waren ursprünglich nicht für weiße Räume konzipiert, sondern mussten sich immer in eine farbige Umgebung einfügen. Die heutige Museumspraxis mit der Vorliebe für „White Cubes“ tut vielen Werken nicht gut. Ein Beispiel hierfür ist auch unsere „Mona Lisa“, Tischbeins Goethe-Porträt, das im ersten Saal nun auf einem Grau-Grün präsentiert wird. Auf diese Weise leuchtet der kleine blaue Bereich im Himmel etwas intensiver und das Gemälde wirkt insgesamt freundlicher und farbiger.

Sammlungsbereich Kunst der Moderne, Tischbein Goethe, Foto: Städel Museum – Norbert Miguletz

Begrüßt das Publikum am angestammten Platz: Goethe in der römischen Campagna

Neben der farblichen Umgestaltung hat sich auch die Hängung verändert. Habt ihr persönlich ein neues „Lieblingspaar“, eine unerwartete neue Gegenüberstellung oder eine favorisierte Sichtachse?

Juliane Betz: Wir freuen uns besonders über die im rechten Flügel realisierte Skulpturen-Achse, die Degas‘ Große Tänzerin, Rodins Eva, Lehmbrucks Sitzenden Jüngling, Kirchners Traurige Frau und die hervorragende Holzskulptur Auferstehender Jüngling von Milly Steger verbindet. Von dieser neuen Konstellation profitieren auch die dort gezeigten Gemälde von Marc Chagall, Otto Mueller und Josef Scharl ungemein.

Sammlungsbereich Kunst der Moderne, Sichtachse, Foto Städel Museum Norbert Miguletz

Blick von Wilhelm Lehmbrucks „Sitzendem Jüngling“ zu Milly Stegers „Auferstehender Jüngling“

Alexander Eiling: Außerdem haben wir den eingeübten Blick auf eines der größten Werke, Das Mittagessen von Monet, verändert. Das Werk hängt jetzt nicht mehr an der Stirnwand des Impressionistenraums, sondern ist Teil der bereits angesprochenen langen Sichtachse im rechten Flügel. Durch diese Verschiebung kommen andere Gemälde besser zur Geltung – Das ist einer der schönsten Aspekte am Umhängen: Neue Nachbarschaften ermöglichen einen neuen Blick auf die vertrauten Werke.

Claude Monets Werke in bester Gesellschaft mit Arbeiten von Edgar Degas

Neben bekannten Publikumslieblingen sind auch einige Neuerwerbungen und lange nicht gezeigte Arbeiten aus dem Depot in die Sammlungsräume eingezogen. Über welche Ergänzung freut ihr euch besonders?

Juliane Betz: Der Auferstehende Jüngling von Milly Steger ist eines der Werke, die lange im Depot geschlummert haben und nun der Sammlungspräsentation eine ganz neue Facette hinzufügen. Wir freuen uns aber auch sehr über das kleine Gemälde von Gabriele Münter, das sich erst seit Kurzem als Dauerleihgabe im Städel Museum befindet, und darüber, dass wir jetzt die drei wunderbaren Bilder von Max Ernst, Wassily Kandinsky und Alexej von Jawlensky zeigen können, die Teil der Schenkung von Ulrike Crespo sind.

Das Werk von Gabriele Münter (links) ist seit 2022 als neue Dauerleihgabe in der Sammlung zu sehen

Der Sammlungsbereich Fotografie hat nun ein eigenes Kabinett, in dem verschiedene wegweisende Themen der Fotografie vorgestellt werden. Auftakt ist die Präsentation zu Heinrich Kühn. Was macht ihn besonders?

Kristina Lemke: Seit Erfindung der Fotografie um 1839 war der Stellenwert des Mediums umstritten. Viele erkannten das mechanische Verfahren nicht als Kunst an, sondern verstanden es als bloß abbildende Technik. Um die Jahrhundertwende gab es international zahlreiche Vereinigungen von Amateurfotografen, die das Gegenteil beweisen wollten. Heinrich Kühn gehörte zu den führenden Vertretern dieser Bewegung. Zeit seines Lebens erprobte er die technischen Möglichkeiten der Fotografie.

Dabei orientierte er sich gestalterisch an Malerei, Zeichnung oder Druckgrafik und setzte die Fotografie erstmals als künstlerisches Ausdrucksmittel ein. Jeder Abzug wurde aufwendig hergestellt und ist ein Unikat. Aufgrund ihrer Lichtsensibilität werden wir die aktuell gezeigten Fotografien nach sechs Monaten gegen neue Ansichten von Heinrich Kühn vollständig austauschen. So kann auch das Œuvre des Fotografen in seiner ganzen Vielfalt vorgestellt werden. In einem Jahr werden wir im Kabinett ein neues Thema vorstellen.

Was steht für den Sammlungsbereich als Nächstes an?

Alexander Eiling: In einem so dynamischen Haus wie dem Städel ist die Sammlung ständig in Bewegung: Derzeit sind einige Hauptwerke auf Ausstellungen beispielsweise in München, Basel, Madrid und London zu sehen. Anfang kommenden Jahres kehren Gemälde von Beckmann, Matisse, Picasso, Cézanne und anderen nach Frankfurt zurück. Sie werden dann in die Sammlungspräsentation integriert. Zugleich hängen wir andere Werke ab, etwa weil sie in unserer Ausstellung „Herausragend. Das Relief – Vom Klassizismus bis in die 1960er-Jahre“ ab Mai 2023 zu sehen sein werden. Nicht zuletzt sind wir weiter auf der Suche nach herausragenden Werken von Künstlerinnen, die wir verstärkt in unserer Dauerausstellung zeigen möchten. Dazu sind aber in den nächsten Jahren noch einige Erwerbungen zu tätigen.


Alexander Eiling ist als Sammlungsleiter für die Kunst der Moderne zuständig und hat die Umgestaltung zusammen mit Juliane Betz (Stellv. Leiterin Kunst der Moderne) konzipiert und umgesetzt. Als Sammlungsleiterin Fotografie betreut Kristina Lemke das Fotokabinett.

Die Fragen stellte Susanne Hafner, Referentin für Presse und Onlinekommunikation. Norbert Miguletz hat die umgestalteten Räume fotografisch festgehalten.

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