Was fasziniert Marc Brandenburg an der Zeichnung und welche Rolle spielen Fotografien in seinem künstlerischen Prozess? Svenja Grosser, Kuratorin der Ausstellung, hat nachgefragt.
Wir zeigen in unserer Ausstellung über 130 Zeichnungen aus den letzten knapp 30 Jahren. Die Zeichnung ist seit Beginn deiner künstlerischen Laufbahn in den 1990er-Jahren für dich das Medium schlechthin. Was fasziniert dich an ihr?
Marc Brandenburg: Die Zeichnung ist für mich die Urform des Ausdrucks und als jemand, der Reduktion und Mobilität liebt, das perfekte Medium. Zeichenmaterial ist immer dabei.
Deine Zeichnungen sind sehr präzise und detailgetreu. Erst auf den zweiten Blick entsteht dann beim Betrachten die Irritation: Sie sind alle ins Negativ verkehrt. Das lässt an die Technik der Fotografie denken. Welche Rolle spielt das Fotografische in deinem künstlerischen Prozess?
Bei meiner Arbeitsweise ist die Fotografie nicht wegzudenken und ein wichtiger Bestandteil, eine Art Skizze. In einer Zeit des täglichen visuellen Terrors kann ich dem in die Zeichnung übersetzten fotografischen Motiv vielmehr Gewicht geben. Ich bin teilweise wochenlang mit einer eingefrorenen Millisekunde beschäftigt.
Deine Motive und Themen sind sehr weit aufgestellt: Alltagsgegenstände, wie Plastikspielzeug oder ein Metallica-Armband, Demonstranten oder Schlafplätze von Obdachlosen. Durch die Ausführung in der gleichen Technik wirken die Motive vollkommen gleichwertig. Wie lassen sich für dich diese unterschiedlichen Themen miteinander vereinbaren?
Ganz einfach, weil diese unterschiedlichen Themen zeigen, dass wir im besten Fall komplexe Wesen sind.
Du sprichst häufig vom „Samplen“ in deinen Werken: ein Begriff, der eigentlich aus der Musik kommt. Was genau meinst du damit?
Das Sampling ist ein popkultureller Begriff aus dem Musikbereich, um genauer zu sein, dem Hip-Hop. Es beschreibt das Verwenden von Fremdmaterial, also Tonfolgen oder Liedtexte, um es mit eigenen Ideen zu verbinden und dadurch Neues entstehen zu lassen. Ich verwende den Begriff, weil ich bei meinen Zeichnungsserien oft ähnlich vorgehe.
Die Videoinstallation Camouflage Pullover von 2018 bezieht sich auf eine Arbeit von 1992, den Tarnpullovern für Ausländer, die damals unter den rassistischen Ausschreitungen in Rostock -Lichtenhagen entstand. In der Videoarbeit von 2018 tragen Freunde von dir Strickpullover mit angenähten Masken, die rassistisch-stereotype Gesichter zeigen und damit durch Berlin ziehen. Den Passanten bleibt verborgen, wer wirklich hinter der Maske steckt. Was veranlasste dich dazu, die Arbeit von 1992 dann 25 Jahre später wieder aufzugreifen?
Wenn ich die Welt von heute betrachte, sind diese Pullover zum 25-jährigen Jubiläum immer noch nicht aus der Mode gekommen – im Gegenteil.
Die Besucherinnen und Besucher erwartet bei uns ein besonderes Ausstellungserlebnis: Der gesamte Raum ist in Schwarzlicht gehüllt und bringt deine Papierarbeiten förmlich zum Leuchten. Wie kommt es zu dieser ungewöhnlichen Präsentation?
Die Idee des Schwarzlichts kam mir in den 1990er Jahren. Es hat mich genervt, dass alle immer für das Event zu Ausstellungen gegangen sind, ohne sich dort dann mit den Arbeiten auseinanderzusetzen. Mit Schwarzlicht klappt das besser: Es geht darum, eine Situation zu schaffen, bei der man mit der Arbeit soweit es geht alleine ist. Es geht um Konzentration.
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