Aus der umfangreichen Sammlung Kunst der Moderne können nie alle Werke gleichzeitig ausgestellt werden. Eine Kabinettpräsentation zeigt nun markante Werke, die sich für gewöhnlich im Depot befinden. Mehr über die dennoch wichtigen Einzelpositionen und warum sie länger nicht gezeigt wurden.
„Wie ein lebendiger Körper“ müsse ein Museum sein, immer mit dem Fortschritt der Zeit. Dies forderte schon 1921 Georg Swarzenski (1876–1957), der sich als Direktor des Städel Museums zwischen 1906 und 1937 gezielt für den Erwerb moderner und zeitgenössischer Kunst einsetzte. Heute umfasst die Abteilung Moderne einen Bestand von über 5.400 Objekten aus den Bereichen Malerei, Skulptur und Fotografie, der sich durch Neuerwerbungen ständig erweitert. Da verwundert es wohl kaum, dass jeweils nur ein Bruchteil der Arbeiten präsentiert werden kann. Die überwältigende Mehrheit wird in den Depots sicher aufbewahrt. Bei der Werkauswahl der in den Galerieräumen letztlich gezeigten Arbeiten sind ganz verschiedene Aspekte ausschlaggebend: Neben dem konservatorischen Zustand sind auch inhaltliche, stilistische und sammlungshistorische Gesichtspunkte zu beachten. Die derzeitige Kabinettausstellung „Sammlung im Wandel“ stellt nun einige bedeutende Werke vor, die sonst nur selten zu sehen sind.
Wer das Kabinett betritt, dem fällt als erstes das 1872 entstandene Bildnis der damals 23-jährigen Olga von Grunelius ins Auge. Franz Xaver Winterhalters Porträt der jungen Frau sieht der Kaiserin Elisabeth von Österreich zum Verwechseln ähnlich. Das mag kein Zufall zu sein, denn der Maler war bevorzugter Porträtist der damals als Stilikone gefeierten „Sisi“. Die Werke des sogenannten Fürstenmalers erfreuten sich auch außerhalb des Wiener Hofes größter Beliebtheit. Als er 1873 in Frankfurt am Main verstarb, vermerkte Queen Victoria: „Seine Arbeiten aber werden in späteren Zeiten mit denen von van Dyck konkurrieren.“ Im weitgehend bürgerlich geprägten Bestand des Städel Museums bildet dieses höfische Porträt eine Ausnahme und ist daher inhaltlich kaum in der ständigen Sammlung einzubinden.
Auch Anton Romako setzte die höhere Wiener Gesellschaft in Szene, allerdings oft mit satirischer Überzeichnung. In seinem Gemälde „In der Sennhütte“ von 1877 stellt der Maler zwei großstädtische Wanderer dar, die in einer rustikalen Almhütte Einkehr halten: Heroisch exaltiert ist die Denkerpose des jungen Mannes, sinnierend der Blick seines Pfeife rauchenden Begleiters. Seltsam deplatziert wirken die gepflegten Herren in der kargen Umgebung. Ihre selbstgenügsame Untätigkeit konterkariert Romako mit der konzentrierten Geschäftigkeit ihres Bergführers. Mit seinen karikaturartigen Zügen nimmt auch dieses Werk eine Ausnahmestellung innerhalb der Museumssammlung ein.
In der Kabinettpräsentation treffen äußerst unterschiedliche Genres und Stile aufeinander, wobei auch Beispiele aus Fotografie und Skulptur mit einbezogen sind. Mit dieser spielerischen Zusammenstellung bietet die Abteilung Moderne eine andere Perspektive auf die in über 200 Jahren gewachsenen Sammlung: „Die Kunstgeschichte ist voller Wege und Nebenwege, voller Sackgassen und Pfade, die über unebenes und kaum erschlossenes Gelände führen und aufregende Entdeckungen versprechen“, resümiert Sammlungsleiter Felix Krämer. Noch bis September 2016 könnt Ihr in diesem spannenden Kabinett Eurer Neugier nachgehen.
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