John Baldessari zählt zu den wichtigsten Vertretern der amerikanischen Konzeptkunst. In 16 Diptychen, die in der Ausstellung „John Baldessari. The Städel Paintings“ zu sehen ist, verhandelt er grundlegende Fragen zu Entstehung und Rezeption, zu Wert und Bewertung von Kunst.
John Baldessari (*1931 National City, Kalifornien) verwendet dafür Detailaufnahmen aus Werken der Städelschen Sammlung als „Source Material“ und kombiniert diese mit knappen Dialogen sowie Regieanweisungen, die sich immer wörtlich auf ihr visuelles Gegenüber beziehen. Damit fokussiert er einen Zwischenraum – die kreative Leerstelle – zwischen Malerei und Fotografie, zwischen Lesen und Sehen. Das Resümee des Künstlers zu der in der Ausstellung gezeigten Serie „Movie Scripts / Art“ hinsichtlich des gegenwärtigen Status der Kunst gestaltet sich vor dem Hintergrund eines beschleunigten und undurchsichtigen Marktsystems folglich umso spannender.
So erzählt die Arbeit „One must act quickly“ dieser Werkreihe von der Kaufentscheidung eines Paares, das auf skurrile Weise in den Besitz von Geld gekommen ist. Diese finanziellen Mittel ermöglichen den Erwerb eines Bildes zu einem astronomischen Preis – eine Allegorie auf irrational erscheinende Wertentwicklungen und deren Forcierung durch Spekulanten. Die Veränderungen, die Baldessari im „Paradiesgärtlein“ (1410/20) eines oberrheinischen Meisters, dem gegenüberliegenden Bildausschnitt des Werks der Städel Sammlung, vorgenommen hat, intensivieren den symbolträchtigen Eindruck von Brüchigkeit: Mit schwarzer Farbe hat er nachträglich feine Risse im Farbauftrag betont. In „And will surprise me“ wird die Begegnung zwischen einem potenziellen Sammler und einem Galeristen beschrieben. Das Kaufgeschäft wird nicht aus leidenschaftlicher Hingabe an die Kunst getätigt, sondern entpuppt sich als banaler Akt: Kunst dient hier der Unterhaltung einer saturierten Klientel, die vom Galeristen bedient wird.
In „Come on sugar“ bezeichnet ein Geschäftsmann vor seiner Sekretärin ein Kunstwerk als teures Spielzeug für Führungskräfte, wodurch es zum Statussymbol umgewertet wird – eine Verstärkung von Stereotypen. Der Schauplatz in einem Hotel ist in „Frank nurses the drink“ in unmittelbarer Nähe zur Kunstmesse Art Basel angesiedelt. In diesem Hotel fragt sich ein Mann namens Frank zweifelnd, ob die Investition seines Schwarzgelds in Kunst als Wertanlage nun die richtige Entscheidung gewesen sei. Die Arbeit „Hang in there“ nimmt Bezug auf eine laufende Sothebyʼs-Auktion, auf der die Protagonisten Arthur und Hans sich gegenseitig bei der Versteigerung eines Bildes überbieten. Das Szenario wirkt absurd angesichts des schwindelerregenden Preises von 1,2 Millionen Dollar. In einem Moment des Innehaltens wird Hans von seiner Begleitung daran erinnert, dass er schon im Besitz einer Jacht sei. Kunst wird hier als höchste Steigerungsform neurotischer Selbstdarstellung zum Luxusgut deklassiert. In der Arbeit „Leisurely browsing“ diskutiert ein junges Paar auf einem Flohmarkt. Beide fragen sich, ob sie nun Kunstsammler werden sollen oder nicht, wobei der populäre Status des „Young Collector“ offensichtlich große Anziehungskraft ausübt. Baldessari verweist mit der drastischen Gleichsetzung von Flohmarkt und Kunsthandel weniger auf eine Bankrotterklärung der Kunst als vielmehr auf die Auswüchse grotesker, ja wahnwitziger Phänomene, die so auf dem Kunstmarkt stattfinden oder stattfinden könnten. Das Ergebnis ist ein irrationales System, das spekulativen Spielregeln zu unterliegen scheint und ins Absurde abdriftet.
Sinnigerweise aber befinden sich die Originale, auf die Baldessari für seine ebenso ironischen wie zynischen Kunstmarkt-Geschichten zurückgreift, in einer musealen Sammlung. Somit sind sie Markt und Spekulation entzogen. Als wollte er sagen: Museum sticht Auktionshaus oder Galerie. Kann die Institutionskritik dem Machtkampf innerhalb ihres Bezugssystems standhalten oder hat sie selbst Warenförmigkeit erreicht? John Baldessari vergleicht die Kunstwelt der Gegenwart mit einem Pokerspiel und lässt uns in seinem „Like a poker game“ betitelten Werk wissen: „The art world is shifting. Letʼs have a chat.“ („Die Kunstwelt verändert sich. Lass uns reden.“)
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