Vor zwei Jahren online gegangen, ist die Digitale Sammlung nun aus ihren Kinderschuhen herausgewachsen und zeigt sich in neuem Look. Chantal Eschenfelder und Freya Schlingmann über das neue Konzept.
Vor zwei Jahren ging die Digitale Sammlung in der Beta-Version online. Seit Beginn des Jahres gibt es nun eine weitere Entwicklungsstufe. Welche Erfahrungen habt ihr gemacht und welche Überlegungen ergaben sich dadurch für die heutige Version?
Chantal Eschenfelder: Die Beta-Version war als solche zwar schon recht erfolgreich und hatte auch von den Usern ein gutes Feedback, uns war aber auch von vorneherein klar, dass sich solch ein umfassendes Projekt stetig weiterentwickelt und es an vielen Stellen Optimierungspotential gibt. Zum einen war für uns die Suchfunktion noch nicht ausdifferenziert genug. Außerdem hatten wir beobachtet, dass die intuitive Bedienung für alle Nutzergruppen noch nicht so funktionierte, wie wir uns das vorgestellt hatten. Auch hier haben wir nachgebessert und beispielsweise neue Einstiegsmöglichkeiten auf der Startseite geschaffen.
Freya Schlingmann: Eine weitere ganz wesentliche Verbesserung – vor allem für die Onlinekommunikation – ist die Programmierung einer mobilen Version der Digitalen Sammlung, die zu Beginn des Projektes im Jahre 2013 aufgrund der geringen Smartphone-Verbreitung noch keine Priorität hatte. Alle diese Überlegungen sind in eine neue Version der Digitalen Sammlung eingeflossen, mit der wir seit Januar online sind.
Seitdem zeigt sich die Digitale Sammlung in einem völlig neuen Look: Black is back! Warum der Farbwechsel auf Schwarz?
Eschenfelder: Über diesen Punkt gab es intern große Diskussionen. Letztlich ist es eine Geschmacksfrage. Aber wir haben entschieden, dass unser Sammlungsbestand farblich doch auf einem anthrazitfarbenen Hintergrund am besten wirkt und die wenigsten Interferenzen mit der Hintergrundfarbe hat. So sind wir wieder zu unseren Anfängen zurückgekehrt, denn auch der erste – damals unveröffentlichte – Prototyp unserer Digitalen Sammlung hatte einen schwarzen Hintergrund.
Im Vordergrund der Beta-Version stand das „digitale Schlendern“ nach dem Serendipidy-Prinzip. Welches Alleinstellungsmerkmal zeichnet die neue Digitale Sammlung aus?
Eschenfelder: Das Ziel – auch schon in der Beta-Version – war immer, beim Stöbern in unserem Bestand ein exploratives Erlebnis zu schaffen, und zu entdecken, wie bestimmte Werke mit anderen zusammenhängen. Unsere Erfahrungen mit der Beta-Version, wo dieses „Schlenderprinzip“ auch visuell im Vordergrund stand, haben aber gezeigt, dass die User dann die Seite mit den Informationen zum Einzelwerk zum Teil gar nicht gefunden haben. Und die Verbindung der Werke über die Verschlagwortung wurde auch nicht deutlich genug. Jetzt haben wir die Schlagworte nicht nur in den Vordergrund gestellt, sondern auch in ihrer Gesamtheit klickbar gemacht. Dadurch wird viel klarer, was warum und wie zusammenhängt.
Welche Funktion haben die vielen klickbaren Schlagworte?
Schlingmann: Die komplexe Verschlagwortung und die Fülle an Metadaten machen diese Digitale Sammlung überhaupt erst so besonders. Sie ermöglichen nicht nur einen extrem leistungsfähigen Suchmechanismus, sondern verknüpfen vor allem auch die Werke inhaltlich miteinander.
Eschenfelder: Unser digitaler Ansatz war es immer, dass der User mehr findet, als er eigentlich gesucht hat. Er erhält bei einer Suche in der Regel nicht nur ein Werk als Ergebnis, sondern zugleich auch die Verknüpfung mit anderen Werken unter ganz unterschiedlichen thematischen Gesichtspunkten. Und das eben nicht nur, weil sie aus der gleichen Zeit oder vom gleichen Künstler stammen, sondern auch, weil es inhaltliche Bezüge gibt – über die dargestellten Personen etwa oder vergleichbare Motive. Aber auch die Wirkung von Werken kann vergleichbar sein. Es ist interessant, das auch über die großen Epochen der Kunstgeschichte hinweg zu verfolgen.
Schlingmann: Diese Verknüpfungen werden ermöglicht durch die komplexe Verschlagwortung im Hintergrund. So endet eine Sucheingabe nie in einer Sackgasse, sondern inspiriert stets zum weiteren Entdecken von Werken und Informationen. Das zeigt sich auch in der Nutzerstatistik: Seit Januar haben wir nicht nur insgesamt mehr als 100.000 User – und damit jetzt schon mehr als im gesamten Jahr 2016 –, sondern vor allem eine erstaunliche Verweildauer von durchschnittlich zehn Minuten auf der Digitalen Sammlung. Das ist ein wirklich beeindruckender Wert.
Gehen wir zur Startseite: Wie kann ich als User in die neue Digitale Sammlung einsteigen?
Eschenfelder: Die Startseite haben wir besonders stark überarbeitet. Die Konzeption hatten wir für die Beta-Version bewusst noch offen gehalten, weil wir aus den Erfahrungen mit den Usern lernen und die Ergebnisse in die jetzige Startseite einfließen lassen wollten. Die Herausforderung besteht ja darin, dass die Startseite sowohl User inspirieren soll, die einfach nur mal in unserem Bestand stöbern wollen, zugleich aber auch den Wissenschaftler bedienen will, der ganz gezielt etwas sehr Spezielles sucht und hier auch schnell fündig werden soll. Die Zahl der Laien ist bei so einer Digitalen Sammlung natürlich viel größer als die der wissenschaftlichen Nutzer. Das muss in der Gestaltung auch berücksichtigt werden.
Schlingmann: Seien wir ehrlich, die Frage „Was soll ich denn jetzt eingeben?“ löst bei den meisten Usern Stress aus – was wir natürlich nicht wollen. Wenn wir nur einen Suchschlitz vor uns haben, fällt es uns relativ schwer, sofort Suchbegriffe einzugeben, die uns auch interessante Ergebnisse liefern und uns wiederum auf der Seite verweilen lassen. Wir mussten einen Spagat bewältigen: den Usern unterschiedliche visuelle Einstiegsmöglichkeiten anbieten, ohne ihnen dabei jedoch vorzuschreiben, wie sie sich durch unsere Sammlung bewegen.
Wir haben dazu verschiedene Tools entwickelt: redaktionelle Themen in Form von kuratierten Alben, die bereits eine Werkauswahl zu einem bestimmten Thema (z.B. Die Farbe Rot oder Die Becher-Klasse) vorschlagen, oder einen Bilderteppich, der zum visuellen Entdecken der Werke einlädt; und schließlich auch einen spielerischen Einstieg: Wie in einer Art Slot Machine lassen sich hier drei Schlagworte immer neu kombinieren und ergeben jedes Mal ein neues Werk. So vermittelt sich der Zusammenhang zwischen den Schlagworten und den Werken und bereitet auf die Infos auf den Werkseiten vor. Natürlich findet man auch eine Rubrik der „meist geklickten“ oder „zuletzt hinzugefügten“ Werke. Der Einstieg in die Digitale Sammlung ist also sehr vielfältig und visuell attraktiv.
Welche strukturellen Neuerungen gibt es auf den Werkseiten?
Schlingmann: Bei den Werkseiten sollten zwei Dinge im Vordergrund stehen: die intensive Beschäftigung mit dem Werk selbst und die besondere Fülle an erläuternden Informationen. Daher haben wir die Zoomfunktion wesentlich verbessert und nutzerfreundlicher gestaltet. Die Integration der vielen Informationen war eine Herausforderung, schließlich sollten sie die intuitive Bedienung nicht stören. Wir haben sie daher nach Themen gegliedert und eine übersichtliche Sprungnavigation eingeführt.
Eschenfelder: Auch die Werkseite bedient ja sowohl die Bedürfnisse von Laien, die sich vielleicht nur die einen Film ansehen oder die Audiospur anhören möchten, als auch die von Wissenschaftlern, die sich speziell für eine Iconclass-Notation interessieren. Wie schon gesagt, war uns vor allem wichtig, dass die Informationen auch klickbar sind und man dadurch auch auf der Werkseite angeregt wird, unter den vielfältigen Kriterien in unserem Bestand weiter zu stöbern. So kann der Nutzer zum Beispiel auch den Fokus auf die Personen legen, die mit den Werken verbunden sind. Mit welchen Bildern wird Goethe assoziiert und auf welchen ist er zu sehen? Oder wie hängen verschiedene Künstler und Künstlerbewegungen miteinander zusammen? So werden Verbindungslinien sichtbar, die über die Werkebene hinaus Rückschlüsse auf gesellschaftliche Kontakte und Inspirationsquellen werfen.
Maßgeblich weiterentwickelt wurde auch die Suchfunktion. Welche neuen Möglichkeiten bietet sie?
Eschenfelder: Gerade für Experten fehlten wesentliche Filteroptionen oder die sogenannten Booleschen Operatoren, das heißt spezifische Bedingungen der Suche wie „und“ beziehungsweise „und nicht“ sowie „oder“. Das klingt auf den ersten Blick trivial, im Hintergrund steht jedoch ein komplexer Suchalgorithmus, den wir stetig weiterentwickeln. Man kann jetzt zum Beispiel zwischen Volltext- und Schlagwortsuche auswählen und dann die Ergebnisliste extrem differenziert nach Begriffen verfeinern. Außerdem gibt es eine automatische Wortvervollständigung und synonyme Begriffspaare, die ebenfalls für die gezielte Suche komfortabler sind. Bei der Filterung lassen sich zwölf verschiedene Kategorien auswählen, von Objektart über Künstler, Bildelement oder Sammlungsbereich. Diese sehr ausdifferenzierten Suchmöglichkeiten sind nicht nur für die momentanen User eine Verbesserung, sondern vor allem eine Investition in die Zukunft. Denn je mehr Werke in der Digitalen Sammlung integriert sind, umso wichtiger sind gezielte Suchmöglichkeiten, damit die entsprechenden Ergebnisse auch gefunden werden können.
Die Digitale Sammlung wird fortlaufend weiterentwickelt. Was passiert aktuell? Welche Pläne gibt es für die Zukunft?
Schlingmann: Es gehört zum Wesen von digitalen Projekten, dass sie ein agiles Projektmanagement benötigen. Sie sind nie abgeschlossen, müssen stets an neue technische oder konzeptuelle Erfordernisse angepasst werden. Das gilt auch für die Digitale Sammlung. Zurzeit bereiten wir ein weiteres Großprojekt vor: Über 24.000 Handzeichnungen unserer Graphischen Sammlung sind mit Unterstützung der DFG digitalisiert worden und werden nun in die Digitale Sammlung integriert. Danach geht es mit dem Gesamtbestand der Alten Meister weiter. Und konzeptuell haben wir natürlich auch noch einiges vor. Eine interaktive Landkarte in Verknüpfung mit einem Zeitstahl soll noch weitere Einstiegsmöglichkeiten bieten. Und wir arbeiten an einer visuell noch prägnanteren Möglichkeit, durch die Sammlung zu schlendern.
Eschenfelder: Uns beschäftigen natürlich auch Themen, die stark von gesellschaftlichen Entwicklungen geprägt sind: Partizipation oder die schiere Ermöglichung von Teilhabe an Kunst, Kultur und Wissen. Die Sammlung soll nicht nur niedrigschwellig sein, sondern auch starre Kulturkreisgrenzen überwinden lernen. Dazu zählt auch das Themenfeld „open access“, das unserer Meinung nach weit über die aktuelle Diskussion zum Thema Creative Commons und Bildrechte hinausgeht. Es werden also auch in Zukunft immer wieder Neuerungen unserer Digitalen Sammlung zu entdecken sein.
Schlingmann: (lacht) Ja, es bleibt spannend.
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