Navigation menu

Erna Auerbach: Malerin und Kunsthistorikerin!

Der zweite Teil der Porträt-Reihe „Städel | Frauen“ gilt Erna Auerbach. Wer war die Malerin und Kunsthistorikerin, deren „Porträt einer Frau in Schwarz“ die selbstbewusste Frauen-Generation der 1920er- und 1930er-Jahre repräsentiert?

Aude-Line Schamschula — 29. Februar 2024

Darstellungen von Frauen waren Erna Auerbachs bevorzugtes Thema – das „Frauenbildnis in Schwarz“ ist eines der wenigen erhaltenen Zeugnisse ihrer Porträtkunst. Die junge Frau mit modischem Kopftuch entspricht dem bekannten Typus der „Neuen Frau“ der „Goldenen Zwanziger Jahre“. Die Zigarette war dabei ein wichtiges Accessoire, das ein emanzipiertes Frauenbild vermittelte. Die Frauenzeitschrift „Brigitte“ widmete der Malerin im Jahr 1982 einen Artikel und nahm Bezug auf das Gemälde. 

Es ist nicht nur das Porträt irgendeiner Dame, deren Namen wir nicht kennen. Es zeigt die Frau dieser Jahre in ihrem Selbstbewußtsein, in ihrer Unabhängigkeit – eine Frau, die weiß, was sie will und was sie kann. Darüber hinaus vermittelt das Bild eine Vorstellung von dem außerordentlichen Rang dieser vergessenen Malerin.

Gottfried Sello, in: „Malerinnen – Eine Brigitte-Serie“, Brigitte Nr. 18, 1982

Erna Auerbach, Frauenbildnis in Schwarz, 1932, © Historisches Museum Frankfurt

Sich einen Überblick über das gesamte künstlerische Schaffen der Malerin zu verschaffen, ist nicht einfach – sogar unmöglich. Wie bei vielen Künstlerinnen ihrer Generation wurden ihre Arbeiten kaum von Museen erworben. Zudem wurde ein Großteil ihres Frühwerks durch Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg zerstört. So befinden sich bis heute nur vier Ölgemälde und wenige Aquarellzeichnungen Erna Auerbachs in öffentlichen Sammlungen.

Wer war Erna Auerbach?

Die aus einer alteingesessenen, jüdischen Frankfurter Familie stammende Erna Auerbach (Frankfurt 1897 – London 1975) war Malerin und Kunsthistorikerin und spezialisierte sich in beiden Bereichen auf die Porträtmalerei. Ab 1917 studierte sie bei Johann Vincenz Cissarz an der alten Frankfurter Kunstgewerbeschule Malerei und nahm nach Studienaufenthalten in München und Paris ab 1928 in Frankfurt Privatunterricht bei dem Maler und Typografen Willy Baumeister. Parallel dazu verfolgte Auerbach ihr Studium der Kunstgeschichte an der Frankfurter Universität und belegte unter anderem Vorlesungen und Seminare bei Georg Swarzenski. Während Studienaufenthalten in München und Bonn besuchte sie Vorlesungen und Seminare des bekannten Kunsthistorikers Heinrich Wölfflin. Zurück in Frankfurt promovierte sie 1923 über die deutschen Bildnismalerei des 16. Jahrhunderts.

Studierendenausweis von Erna Auerbach an der Frankfurter Universität, 1921–1924, © Universitätsarchiv, Frankfurt am Main

Gut vernetzt

Zwei Wochen nach Abschluss ihrer Promotion bewarb sich Erna Auerbach bei Fritz Wichert als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Wichert war erst kürzlich an die neue Frankfurter Kunstgewerbeschule berufen worden, um die Fusion der alten Kunstgewerbeschule des mitteldeutschen Kunstgewerbevereins mit der Kunstschule des Städelschen Kunstinstituts zusammenzuführen. Der Lebenslauf von Erna Auerbach muss großen Eindruck auf ihn gemacht haben: Obwohl er der frisch promovierten Kunsthistorikerin keine Stelle anbieten konnte, zeigte er großes Interesse, sie persönlich kennenzulernen.

Dank ihres Engagements und ihres guten Netzwerks konnte sich Erna Auerbach schon bald einen festen Platz in der Frankfurter Kunstszene erarbeiten. Einerseits unterrichtete sie an der Frankfurter Universität ausländische Studierende in Kunstgeschichte, hielt zahlreiche Vorträge und rezensierte 1931 die große Sonderausstellung des Städel Museums „Vom Abbild zum Sinnbild“ (Kunstwanderer) – eine der wichtigsten Ausstellungen moderner Kunst dieser Zeit. Andererseits gelang es ihr bereits während ihrer Ausbildung zur Malerin, an wichtigen Werkschauen in Frankfurt teilzunehmen: zunächst 1925 als Cissarz-Schülerin in der „Ersten Ausstellung der neuen Kunstgewerbeschule“ und kurze Zeit später im Kunstsalon Ludwig Schames mit einem großen Konvolut an Werken.

Erna Auerbach, „Vom Abbild zum Sinnbild. Moderne Malerei im Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt a.M.“, in: Der Kunstwanderer. Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen, 13, August–Juli 1931 , S. 344, © Heidelberger historische Bestände

Dass Erna Auerbach die Förderung von Künstlerinnen am Herzen lag, zeigt ihr Engagement in der Frankfurter Gemeinschaft Deutscher und Österreichischer Künstlerinnen (GEDOK). Im Jahr 1930 organisierte die GEDOK eine Ausstellung zum Thema „Frauen von Frauen dargestellt“ im Frankfurter Kunstverein, in welcher Auerbach gemeinsam mit anerkannten Kolleginnen wie Ottilie W. Roederstein, Mathilde Battenberg oder Louise Schmidt ausstellte.

Berufsvebot

Drei Jahre später erhielt die jüdische Künstlerin in Folge der Machtübernahme der Nationalsozialisten Berufsverbot und floh mit ihrer Schwester Ilse, die als Rechtsanwältin ebenfalls ein Berufsverbot erhalten hatte, ins Exil nach London. Sie gehört zu jener Generation von Malerinnen, die eine erfolgreiche Karriere vor sich hatten, dann aber durch die politischen Bedingungen dazu gezwungen waren, diese aufzugeben. Erna Auerbach erinnerte sich rückblickend:

Die Kritiken über meine Bilder in Tageszeitungen und Kunstzeitschriften waren sehr lobend und hoffnungsvoll, und ich hatte mir schon einen Namen als erfolgreiche Malerin gemacht. Durch Verordnung des Kultusministeriums vom 4. April 1933 sowie durch Verordnung der Reichsschrifttumskammer vom 27. Februar 1933 wurde mir die Ausübung meines Berufes als Kunsthistoriker [sic], Schriftstellerin und Malerin auf Grund der Nazi-Gesetzgebung entzogen, weil ich ‚nicht arischer‘ Abstammung war.

Institut für Stadtgeschichte, NS-Verfolgte, Wiedergutmachungsakte, Sig. A.54.03 Nr. 175

Im Exil

Erna Auerbach gelang es trotz aller Widrigkeiten, sich in London ein neues Leben als Künstlerin und Kunsthistorikerin aufzubauen. Weiterhin engagiert für die Anerkennung von Künstlerinnen, nahm sie ab 1934 jährlich an den Ausstellungen des Women‘s International Art Club teil. Ihre Kunst zeigte sie auch auf den Jahresausstellungen von Werken jüdischer Künstlerinnen und Künstler in der Ben Uri Gallery. 1938 beteiligte sie sich an der großen Ausstellung „Twentieth Century German Art“ in den New Burlington Galleries in London. Diese war von Exilkünstlerinnen und -Künstlern als Reaktion auf die Femeausstellung „Entartete Kunst“ in München organisiert worden. Zwei Jahre später wurde ihr Londoner Atelier bei einem Bombenangriff zerstört, und der größte Teil ihres Frühwerks ging verloren.

Auch als Kunsthistorikern musste sich Erna Auerbach in England neu etablieren: Da ihr Abschluss nicht anerkannt wurde, promovierte sie ein zweites Mal. Sie spezialisierte sich auf die englische Porträtmalerei und konnte sich erneut einen Namen machen. Neben Vorträgen für die BBC und das Metropolitan Museum in New York publizierte sie in anerkannten kunstwissenschaftlichen Magazinen wie dem Burlington Magazine.

Erna Auerbach starb 1975 hochbetagt in London. Erst 1982 wurden Werke der Künstlerin im Kunstkabinett Hanna Bekker vom Rath in Frankfurt präsentiert - und damit zum ersten Mal seit 50 Jahren wieder in ihrer Heimatstadt. Ihr „Porträt einer Frau in Schwarz“ wird ab Juli 2024 in der Sonderausstellung „Städel | Frauen. Künstlerinnen zwischen Frankfurt und Paris“ im Städel Museum zu sehen sein.


Aude-Line Schamschula ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Kunst der Moderne am Städel Museum und arbeitet mit an der Sonderausstellung „Städel | Frauen. Künstlerinnen zwischen Frankfurt und Paris“ (10.7.2024–27.10.2024). 

Diskussion

Fragen oder Feedback? Schreiben Sie uns!

Newsletter

Wer ihn hat,
hat mehr vom Städel.

Aktuelle Ausstellungen, digitale Angebote und Veranstaltungen kompakt. Mit dem Städel E-Mail-Newsletter kommen die neuesten Informationen regelmäßig direkt zu Ihnen.

Beliebt

  • Honoré Daumier

    Zur Ernsthaftigkeit der Komik

    Wie Karikaturen funktionieren und warum Daumier für sie ins Gefängnis kam.

  • Der Film zur Ausstellung

    Honoré Daumier. Die Sammlung Hellwig

  • Die Ausstellungen im Städel

    Highlights 2024

    Unser Ausblick auf 2024: Freut euch auf faszinierende Werke von Honoré Daumier und Käthe Kollwitz, lernt die Städel / Frauen kennen, entschlüsselt die Bildwelten von Muntean/Rosenblum, erlebt die Faszination italienischer Barockzeichnungen und reist zurück in Rembrandts Amsterdam des 17. Jahrhunderts.

  • Städel Mixtape

    #34 Jan van Eyck – Lucca-Madonna, ca. 1437

    Ein ruhiger Moment mit Kerzenschein, ihr seid so vertieft, dass ihr alles um euch herum vergesst: Vor rund 600 Jahren ging es den Menschen ähnlich, wenn sie vor Jan van Eycks „Lucca-Madonna“ gebetet haben. In diesem STÄDEL MIXTAPE geht es um das Andachts-Bild eines raffinierten Geschichtenerzählers. 

  • Städel | Frauen

    Louise Schmidt: Bildhauerin!

    Teil 2 der Porträt-Reihe „Städel | Frauen“.

  • ARTEMIS Digital

    Digitales Kunsterlebnis trifft wegweisende Demenz-Forschung

    Wie sieht eine digitale Anwendung aus, die Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zeit- und ortsungebunden einen anregenden Zugang zur Kunst ermöglicht? Ein Interview über das Forschungsprojekt ARTEMIS, über Lebensqualität trotz Krankheit und die Kraft der Kunst.

  • Gastkommentar

    Kunst & Schwarze Löcher mit Astrophysikerin Silke Britzen

    Was sieht eine Astrophysikerin in den Werken der Städel Sammlung? In diesem Gastkommentar eröffnet Silke Britzen (Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn) ihre individuelle Sichtweise auf die Kunstwerke im Städel Museum.