Der erste Teil der Porträt-Reihe „Städel | Frauen“ nimmt Louise Schmidt und die aufwendige Restaurierung des Werks „Sonnenanbeter“ in den Fokus: Wer war die Bildhauerin und was macht ihre Arbeit so besonders?
Ein verborgener Schatz aus dem Depot des Städel Museums wird im nächsten Jahr erstmals ausgestellt: Die Marmorskulptur „Sonnenanbeter“ ist eines der wenigen erhaltenen Kunstwerke der Frankfurter Bildhauerin Louise Schmidt (1874–1942). Im Zuge der Recherchen für das Forschungs- und Ausstellungsprojekt zu Künstlerinnen-Netzwerken zwischen Frankfurt und Paris, das ab Juli 2024 präsentiert wird, wurde die Skulptur aufwendig restauriert.
Das Werk stammt aus dem alten Sammlungsbestand der Städtischen Galerie im Städel Museum, war jedoch in Vergessenheit geraten. Erst 2005 wurde es inventarisiert, als man die Skulpturenbestände für die Ausstellung „Von Köpfen und Körpern. Frankfurter Bildhauerei aus dem Städel Museum“ aufzuarbeiten begann. Doch der „Sonnenanbeter“ wurde noch nie ausgestellt. Denn über die Zeit im Depot hatte sich eine Patina aus Staub darauf abgesetzt.
Damit die Marmorskulptur nächstes Jahr erstmals dem Publikum präsentiert werden kann, musste sie von der Diplom-Restauratorin Franziska Müller erst sorgsam gereinigt werden. Was sich zunächst einfach anhört, war ein aufwendiger Prozess, der von der Abteilung Kunsttechnologie und Restaurierung – Gemälde und moderne Skulpturen des Städel Museums begleitet und koordiniert wurde und der viel Wissen und Fingerspitzengefühl erforderte. Nach verschiedenen Tests und vielen Zwischenstufen der Reinigung näherte sich die Expertin für Steinkonservierung langsam dem Endergebnis.
Einen kleinen Vorgeschmack darauf geben die Aufnahmen des „Sonnenanbeters“, die nach der abgeschlossenen Restaurierung entstanden sind. Nach der Restaurierung zeigt sich, dass es sich um eine bildhauerische Arbeit von besonderer Qualität handelt, die auch anatomisch absolut überzeugend und fein ausgeführt ist. Die Künstlerin wählte für ihre Figur eine sehr komplexe Körperhaltung, die sich folgerichtig in der Krümmung der Wirbelsäule und einer kohärenten Anspannung der Rückenmuskulatur widerspiegelt. Unter den damaligen Umständen ist das durchaus bemerkenswert: Um 1900 waren das Akt- und Anatomiestudium in der Ausbildung von Künstlerinnen noch immer heikel. Aus vorgeblich moralischen Gründen versuchte man Frauen davon auszuschließen. Dieses Argument wurde in Deutschland bis 1919 auch strapaziert, wenn es darum ging, den Ausschluss von Künstlerinnen aus den staatlichen Akademien zu begründen. In der Bildhauerei war ein fundiertes anatomisches Verständnis umso wichtiger, da der menschliche Körper hier allansichtig und oft lebensgroß nachgebildet werden musste. Louise Schmidt signierte ihre Schöpfung, bei deren Ausführung sie dieses Können unter Beweis stellte, auffällig und gut sichtbar.
Tatsächlich sind nur wenige Informationen zum Leben von Louise Schmidt überliefert und noch weniger ist über ihre künstlerische Tätigkeit bekannt. Für unser Ausstellungsprojekt, das es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht hat Künstlerinnen, die in der Frankfurter Kunstszene um 1900 aktiv waren, bekannt zu machen, sind wir tiefer in das Städel Archiv eingetaucht, um mehr über die Bildhauerin herauszufinden.
Sie war die erste Frau überhaupt, die an der Kunstschule des Städel als Bildhauerin ausgebildet wurde. Dazu muss man wissen, dass die Bildhauerei lange als die „männlichste“ Gattung der Kunst betrachtet wurde. Aufgrund der physisch anstrengenden Arbeit und den technischen und materiellen Anforderungen, die diese Kunstform stellte, hielt sich hartnäckig das Vorurteil, Frauen seien dafür ungeeignet. Die Zugangshürden waren für sie in der Bildhauerei noch höher als in der Malerei. So verwundert es nicht, dass Schmidt – wie viele ihrer Kolleginnen auch – zunächst im Damenatelier für Malerei an der Kunstschule des Städel studierte, bevor sie 1893 zu dem Bildhauer Friedrich Christoph Hausmann (1860–1936) wechselte.
1898 wagte die junge Künstlerin dann den Sprung nach Paris und schrieb sich an der Académie Julian ein. Diese private Kunstakademie war vor allem aus zwei Gründen bekannt und gefragt: Sie ließ seit 1868 auch Frauen zu und bot Unterricht im Aktzeichnen auf akademischem Niveau. Um 1900 florierten zahlreiche Schulen dieser Art in Paris und machten die Metropole zu einem Anziehungspunkt für Künstlerinnen aus der ganzen Welt. Schmidts Lehrer in Paris war der renommierte Bildhauer Denys Puech, der seit 1892 an der Académie Julian tätig war und bereits zahlreiche Staatsaufträge ausgeführt hatte. Den Namen eines solch einflussreichen Künstlers in der eigenen Vita als Lehrer angeben zu können, war besonders für Künstlerinnen wichtig und erhöhte die Chancen auf Anerkennung und Erfolg erheblich.
Nach intensivem Studium kehrte Louise Schmidt bereits im Oktober 1899 nach Frankfurt zurück und bezog ein eigenes Atelier im Städelschen Kunstinstitut (Abb. 6). Neben einer regen Ausstellungstätigkeit und verschiedenen öffentlichen Aufträgen begann Schmidt selbst zu unterrichten. Eine ihrer ersten und gleichzeitig ihre bekannteste Schülerin war Marg Moll (geb. Haeffner). Sie machte bei Schmidt ihre ersten Versuche im Modellieren und besuchte die Aktklasse und die anatomische Vorlesung am Institut. Später, in den 1920er- und 30er-Jahren, sollte Moll selbst zu einer der innovativsten deutschen Bildhauerinnen werden.
Louise Schmidt hingegen verfolgte neben ihrer künstlerischen Aktivität gezielt eine „Karriere“ als Lehrende. 1907 bewirbt sie sich erstmals auf die freiwerdende Professorenstelle für Bildhauerei an der Städelschule. Ein sehr selbstbewusster Schritt in einer Zeit, in der man Frauen noch nicht einmal Zugang zu den staatlichen Akademien gewährte und sie vielfach mit beschränkten Ausbildungs- und Ausstellungsmöglichkeiten zu kämpfen hatten. Auch am Städelschen Kunstinstitut war man noch nicht so weit, eine Frau in die Lehrerschaft aufzunehmen. Die Bewerbung wurde abgelehnt und der Posten stattdessen an einen Mann vergeben. Doch Louise Schmidt ließ sich nicht beirren und drängte weiter auf eine Position als Lehrerin, bis man ihr 1912 die Leitung des von ihr initiierten „Meisterateliers für Damen in der Bildhauerei“ übertrug. Sie war damit einer der ersten weiblichen Lehrenden an einer öffentlichen Kunstschule in Deutschland.
Die Recherchen zu Louise Schmidt und ihrer Geschichte gehen weiter. Die Ergebnisse werden in der Sommerausstellung „Städel | Frauen. Künstlerinnen zwischen Frankfurt und Paris um 1900“ und dem begleitenden Katalog vorgestellt. Außerdem werden die Besucher natürlich den „Sonnenanbeter“ sowie Werke ihrer Schülerin Marg Moll und weiterer Frankfurter Bildhauerinnen entdecken können.
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