Die Ausstellung „Städel | Frauen“ stellt 26 Künstlerinnen vor, die zwischen 1880 und den 1930er-Jahren aktiv waren, und legt dabei einen besonderen Fokus auf ihre Netzwerke. Was die Künstlerinnen untereinander und mit dem Städel verbindet und welche Herausforderungen und Überraschungen die Vorbereitung der Ausstellung mit sich brachte, erklären die Kuratoren Alexander Eiling, Eva-Maria Höllerer und Aude-Line Schamschula im Interview.
Die individuellen Leistungen der Malerinnen und Bildhauerinnen werden in der Ausstellung „Städel | Frauen. Künstlerinnen zwischen Frankfurt und Paris um 1900“ ebenso gewürdigt wie die gemeinschaftlichen Anstrengungen, mit denen sich die Frauen gegen die Benachteiligungen im männlich dominierten Kunstbetrieb behaupteten. Dazu gehörte auch der Ausschluss von staatlichen Kunstakademien, der in Deutschland bis 1919 galt. So führte der Weg vieler Künstlerinnen nach Paris, wo die Ausbildungsmöglichkeiten vielfältiger waren. Die französische Hauptstadt entwickelte sich daher zu einem Zentrum der Künstlerinnenausbildung und zog Frauen aus allen Teilen der Welt an. Auch für die in Frankfurt tätigen Künstlerinnen blieb die französische Kunstmetropole ein Anziehungsort. Paris zieht sich deshalb als Ausgangs- und Mittelpunkt eines internationalen Künstlerinnen-Netzwerks wie ein roter Faden durch unsere Ausstellung.
Die Ausstellung zeigt rund 80 Gemälde, Skulpturen und Arbeiten auf Papier von insgesamt 26 Künstlerinnen. Wie wurde die Auswahl der Künstlerinnen getroffen und was verbindet sie?
Die Ausstellung stellt Malerinnen und Bildhauerinnen vor, die in einem internationalen Netzwerk miteinander interagierten. Die Rekonstruktion dieses Netzwerks und damit die Idee zur Ausstellung „Städel | Frauen“ basiert dabei in weiten Teilen auf der Erschließung des Roederstein-Jughenn-Archivs, das bereits 2019 als großzügige Schenkung ans Städel gelangte. Der Bestand umfasst zahlreiche Briefe und historische Fotografien aus dem Nachlass der in Paris und Frankfurt tätigen Künstlerin Ottilie W. Roederstein, der wir bereits 2022 eine Ausstellung widmeten. Diese Dokumente belegen die Kontakte Roedersteins zu Kolleginnen, Freundinnen und Schülerinnen in Paris, Frankfurt oder anderswo in der Welt. Und sie zeugen davon, dass sich die miteinander befreundeten und vernetzten Frauen in Ausbildungs- und Ausstellungsfragen unterstützten und einander förderten. Aus diesen Informationen konnte ein ganzes Netzwerk von Künstlerinnen rekonstruiert werden, das zum Ausgangspunkt für die aktuelle Ausstellung wurde und die Auswahl der vorgestellten Malerinnen und Bildhauerinnen bedingte.
Gleichzeitig wollten wir im Rahmen dieses Projekts auch die eigene Institutionsgeschichte aufarbeiten. Selbstverständlich haben wir uns gefragt: Welche Ausbildungs- und Ausstellungsmöglichkeiten hatten Künstlerinnen in Frankfurt und an der Städelschule? Und inwiefern gestalteten sie die Geschichte der Städel Sammlung mit? Die Beziehungen der Frauen zur Institution des Städel waren also ein weiteres Auswahlkriterium.
Der Titel der Ausstellung lautet „Städel I Frauen“. Welche Rolle spielen das Städel Museum und die Städelschule in der Geschichte der Künstlerinnen?
Unter dem Titel „Städel | Frauen“ haben wir die vielfältigen Verbindungen der Künstlerinnen zum Städel untersucht. Dabei war die Frage nach den Ausbildungsmöglichkeiten von Künstlerinnen an der Städelschule zentral. So können wir zeigen, dass Frauen dort deutlich früher zum Studium zugelassen wurden als an den meisten anderen öffentlichen Kunstschulen und -Akademien in Deutschland. Die Ausstellung präsentiert also Künstlerinnen, die um die Jahrhundertwende an der Städelschule ausgebildet wurden, wie etwa Louise Schmidt und Maria Petrie. Vorgestellt werden auch Malerinnen und Bildhauerinnen, die am Städel ein Atelier gemietet und dort freischaffend gearbeitet haben. So zum Beispiel Ottilie W. Roederstein, Mathilde Battenberg, Rosy Lilienfeld, Eugenie Bandell, Inge Dinand oder Anna Krüger. Auch durch sie wurde das Städel zu einem wichtigen Zentrum der Frankfurter Kunstszene.
Einige von ihnen haben außerdem als Sammlerinnen und Mäzeninnen wesentlich dazu beigetragen, die qualitätvolle Sammlung des Städel Museums aufzubauen. So war die Frankfurterin Pauline Kowarzik nicht nur eine erfolgreiche Malerin, sondern besaß darüber hinaus eine eigene, bedeutende Sammlung zeitgenössischer französischer und deutscher Kunst. Aufgrund ihrer Expertise ernannte man sie als erste Frau zum Mitglied der Ankaufskommission der Städtischen Galerie im Städel, die über Neuankäufe für das Museum entschied. In dieser Rolle wurde Kowarzik bislang kaum gewürdigt.
Was waren Hürden und Herausforderungen im Rahmen der Forschungen zu den Künstlerinnen?
Das Leben und Werk der meisten Künstlerinnen, die wir präsentieren, wurde bis heute nicht systematisch erforscht und veröffentlicht. Nur für die bekannteren unter ihnen, wie etwa Ottilie W. Roederstein, Louise Breslau oder Dora Hitz, liegen umfassende Werkverzeichnisse vor, die uns Aufschluss darüber geben, wo die Gemälde, Grafiken oder Skulpturen aufbewahrt werden. Die Werke von Künstlerinnen befinden sich selten in öffentlichen Sammlungen, da ihre Arbeiten zu Lebzeiten und auch in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg von den Museen deutlich weniger häufig angekauft wurden als Werke von männlichen Künstlern. Daher bestand ein großer Teil unserer Arbeit darin, die Werke dieser Künstlerinnen ausfindig zu machen. Die allermeisten werden heute in privaten Sammlungen bewahrt. Die Besitzer zu recherchieren und mit ihnen in Kontakt zu treten, nahm viel Vorbereitungszeit in Anspruch. Wir sind daher sehr dankbar, dass sie unser Projekt mit den Leihgaben unterstützt haben.
Was waren die bedeutendsten Entdeckungen und Überraschungen im Rahmen der Ausstellungsvorbereitung?
Das Netzwerk der Künstlerinnen zu rekonstruieren, war die reinste Detektivarbeit. Wir haben die Archivbestände des Städel Museums ausgewertet und in vielen weiteren Archiven in Deutschland, Frankreich, England und den USA recherchiert, oder Anfragen an die Kolleginnen und Kollegen vor Ort gestellt. Wir haben Briefe aus dem 19. Jahrhundert entziffert und transkribiert, Personen durch Vergleiche auf historischen Fotografien identifiziert und vieles mehr. Am Ende konnten wir ziemlich genau nachvollziehen, wo sich die Künstlerinnen getroffen hatten, wie sie miteinander interagierten und welche Wichtigkeit dieses Netzwerk für ihre Karrieren hatte. Dabei sind wir tief in die Biografien von Künstlerinnen eingetaucht, die selbst Kunsthistorikern vorher unbekannt waren.
Die Bildhauerin Tola Certowicz wurde erstmals in einer Ausstellung 2022 im Nationalmuseum Warschau vorgestellt. Doch dass sie auch mit Roederstein, Annie Stebler-Hopf und Elizabeth Nourse bekannt war, sich also in einem ganz internationalen Kreis von Pariser Kolleginnen bewegte, konnten wir erst dank der Archivbestände im Roederstein-Jughenn-Archiv rekonstruieren. Das klingt erst einmal recht unspektakulär, aber all diese neuen Informationen tragen dazu bei, dass wir langsam ein viel realistischeres Bild davon bekommen, wie Künstlerinnen im ausgehenden 19. Jahrhundert gelebt und gearbeitet haben. Und mit wie viel Energie sie den Status quo, der für sie viele Nachteile bedeutete, positiv verändert haben.
Ist es noch zeitgemäß, Gruppenausstellungen zu zeigen, die sich ausschließlich auf das Schaffen von Künstlerinnen konzentrieren?
Langfristig ist zu hoffen, dass es nicht mehr nötig sein wird, reine Künstlerinnenausstellungen zu machen. Es sollte selbstverständlich werden, dass die Werke von Frauen in großen Sonderausstellungen, vor allem aber auch in den Dauerausstellungen der Museen einen festen Platz finden. Allerdings ist das Wissen über das Leben und Werk vieler Künstlerinnen noch nicht ausreichend, da sie auch von der kunsthistorischen Forschung lange Zeit vernachlässigt wurden. Daher ist es nach wie vor notwendig, einen besonderen Fokus auf das Schaffen von Frauen zu legen.
Die Ausstellung „Städel | Frauen“ konnte viele neue Erkenntnisse hervorbringen und viele Lücken schließen. Dennoch bleiben viele Fragen offen und viele Biografien bruchstückhaft. Wir verstehen das Projekt insofern auch als „work in progress“. Nur durch kontinuierliche Forschung und öffentliche Aufmerksamkeit können neue Erkenntnisse gewonnen werden, und wir sind zuversichtlich, dass in Zukunft noch viel mehr neues Wissen dazu kommen wird. Wichtig ist, dass die Künstlerinnen, die man „ins Rampenlicht“ rückt, nicht gleich nach der Ausstellung wieder vergessen werden.
Drei in der Ausstellung präsentierte Gemälde werden zukünftig einen festen Platz in der Städel Sammlung einnehmen. Warum haben Sie sich für diese Neuerwerbungen entschieden?
In der Sammlung der Moderne des Städel Museums ist der Anteil an Werken von Künstlerinnen noch sehr gering. Deshalb ist es unser Anliegen, diese Lücke in der Sammlung langfristig zu schließen. Das kann nur schrittweise geschehen, aber gerade eine solche Ausstellung, die sich intensiv mit dem Schaffen von Künstlerinnen auseinandersetzt, eröffnet Möglichkeiten für Neuerwerbungen. Umso mehr freuen wir uns, dass es uns gelungen ist, drei Gemälde für die Sammlung zu erwerben: Das Blumenstillleben von Pauline Kowarzik, das zu den wenigen bisher bekannten Beispielen ihres Schaffens als Malerin zählt, Mathilde Battenbergs „Porträt Peter Carl MacKay“, eines der schönsten Zeugnisse ihres modernen Stils, und der eindrucksvolle sitzende Frauenakt von Anna Krüger. Wir hoffen, in Zukunft weitere Werke von Künstlerinnen für die Sammlung erwerben zu können.
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