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Was soll bloß dieses blaue Dreieck über der Tür?

Der deutsche Maler Blinky Palermo (1943–1977) wäre dieses Jahr 70 Jahre alt geworden. Seit Ende November ist eine Auswahl seiner minimalistischen Druckgrafiken aus den 60er und 70er Jahren im Städel Museum zu sehen. Besonders auffällig ist dabei die Installation und Wandmalerei „Blaues Dreieck“, ein mit Farbe und Schablone aufgemaltes Dreieck, das nun in der Sammlung Gegenwartskunst in den Gartenhallen seinen Platz gefunden hat.

Victoria Chow — 27. November 2013
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„Malen Sie mit Hilfe der Schablone ein blaues Dreieck über eine Tür. Verschenken Sie dann das Original Blatt“ - gemäß der Anleitung Blinky Palermos wird das Dreieck im Städel über einem Durchgang in den Gartenhallen angebracht.

Das Blaue Dreieck, 1969

Eine der drei gerahmten Papierarbeiten, die Teil des Werkes „Blaues Dreieck“ (1969) sind, ist gleichzeitig die Anleitung zur Installation: „Malen Sie mit Hilfe der Schablone ein blaues Dreieck über eine Tür. Verschenken Sie dann das Original Blatt“. Gesagt, getan. Die Schablone wurde über einem Türsturz in den Ausstellungsräumen der Gartenhallen angehalten und mit blauer Farbe (Plaka dunkelblau Nr. 35) von Mitarbeitern des Städel Museums ausgemalt. Doch wozu das Ganze und wer war eigentlich Blinky Palermo?

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Anleitung, Schablone, Siebdruck: Das Blaue Dreieck von Blinky Palermo.

Der Künstler

Blinky Palermo, bürgerlich Peter Heisterkamp, studierte an der Düsseldorfer Kunstakademie und war Meisterschüler von Joseph Beuys. Er schuf Bilder, Zeichnungen und Objekte, die ebenso wie seine auf Flächen reduzierte Malerei zwischen Minimal Art und Concept Art vermitteln. Seine Objektkunst akzentuierte zudem neue Raumzusammenhänge in vorgegebenen Räumen. Aufgrund seiner Ähnlichkeit mit dem italienischen Box-Promoter und Mafioso Frank „Blinky“ Palermo – stets mit Lederjacke, Sonnenbrille und Hut – nannten ihn seine Freunde wie u.a. Sigmar Polke, Gerhard Richter, Imi Knoebel und Anatol Herzfeld nur noch Blinky Palermo. Ab 1964 benutzte er diesen Namen zudem als Pseudonym, auch weil Beuys der Meinung war, dass man mit dem Namen Peter Heisterkamp keine Kunst verkaufen könne. Im jungen Alter von nur 34 Jahren stirbt Palermo unerwartet auf einer Reise auf der Malediven-Insel Kurumba.

Das Blau

Das „Blaue Dreieck“ Palermos erinnert an das 1915 entstandene Werk „Das schwarze Rechteck und das blaue Dreieck“ des russischen Malers und Avantgardisten Kasimir Malewitsch (1879–1935) – einem der ganz frühen Beispiele einer abstrakten, besser ungegenständlichen Kunst. Nicht nur dessen Kunst hat auf den jungen Palermo großen Einfluss gehabt, auch die Farblehrtheorie des Bauhauslehrers Wassily Kandinsky (1866–1944) beeinflussten ihn. Ebenso könnte man einen assoziativen Bogen zum Blau Yves Kleins (1928–1962) spannen, oder zu Jonathan Monks Text-Bild „Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen!“ nur eine Wand weiter, welches sich wiederum auf Sigmar Polke bezieht. Ein kleines Dreieck also voller Kunstgeschichte.

Das Dreieck als Idee

Die Form des Dreiecks erschien in Palermos Arbeiten erstmals 1966 als ein Siebdruck in zwei Blautönen, den er schlicht „Blaues Dreieck“ nannte. Seither tauchte die geometrische Form immer wieder in seinen Arbeiten auf. Bei dem 1969 formulierten und nun 2013 auch im Städel Museum ausgeführten Konzept der vierteiligen, in einer Auflage von 50 Editionen hergestellten Mappe, war die Grundidee, dass nicht nur der Künstler, sondern auch jemand anderes, zu jeder Zeit ein solches „Palermo Dreieck“ selbst über eine Tür aufmalen konnte. Diese Arbeit, die mehr Idee oder Concept art, denn Malerei ist und die anonyme Vervielfältigung zum Wesen des Werks erhebt, macht Palermo zu einem der Vorläufer der Institutionskritik, der Institutional critique der 1980 und 90er, die sich gegen den übermächtig werdenden Kunsthandel wendet.

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Blaues Dreieck über einer Tür: Nach der Anbringung im Städel

Die Möglichkeiten der Malerei

Palermo untersuchte in seinem Werk, welche Möglichkeiten das Medium der Malerei besitzt und versuchte diese zu erweitern. Das zeigt sich nicht nur in der Arbeit „Blaues Dreieck“, sondern auch in seinen berühmten Stoffbildern. Einer dieser mit industriell gefärbten Stoffen bezogener Keilrahmen ist bereits seit 1987 Teil der Städelschen Sammlung und ist aktuell in den Gartenhallen des Städel zu sehen – zwischen dem „Blauen Dreieck“ und dem schon erwähnten Bild von Jonathan Monk. Hier wie dort werden mit einer simplen Formensprache Form und Farbe auf sich selbst reduziert.


Die Autorin Victoria Chow ist derzeit Praktikantin in der Abteilung Gegenwartskunst im Städel Museum. An Blinky Palermos Konzept überzeugt sie vor allem, mit welchen simplen und doch humorvollen Mitteln er dem Kunstmarkt entgegentritt.

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