Mit einer großen Schenkung begeht der Städelsche Museums-Verein in diesem Jahr sein 125-jähriges Jubiläum. Historikerin und Vorstandsmitglied Andrea C. Hansert blickt zurück auf bedeutende Kunststiftungen in der Geschichte des Vereins und damit auf eine Tradition, die das Städel Museum, den Verein und den Stifter selbst bereichert.
Hans-Jürgen Hellwig schenkt dem Städelschen Museums-Verein zu dessen 125-jährigem Jubiläum in diesem Jahr seine umfangreiche Honoré-Daumier-Sammlung. Mehr als 4.000 Werke, ein Quantensprung für den Verein, der damit die in seinem Eigentum befindliche Zahl der Kunstwerke von knapp 2.500 mehr als verdoppeln kann. Hellwig, der seit mehr als 30 Jahren als Vorstandsmitglied für den Städelverein tätig ist, beschäftigte sich sein ganzes Leben lang mit dem Zeichner, Bildhauer und Maler Honoré Daumier, bekannt vor allem durch seine lithographischen Karikaturen und Satiren, erforschte sein Leben und Werk und wurde so zu einem Kenner und einem der größten Sammler seines Œuvres. Dabei stand er in engem Austausch mit Margret Stuffmann, der langjährigen Leiterin der Graphischen Sammlung des Städel Museums und Spezialistin für französische Kunst. Private Kennerschaft und fachwissenschaftliche Expertise gingen über Jahrzehnte eine fruchtbare Symbiose ein. Nun kam ein dritter Partner ins Spiel: Der Städelsche Museums-Verein, dem dieses lange und tiefe Engagement nun durch eine Schenkung zugutekommt.
Diese Geschichte hat Modellcharakter. Immer wieder kam es in der Geschichte des Städel Museums und seines Fördervereins zu solch intensiven Kooperationen zwischen dem Museum und Kunstfreunden aus dem Bürgertum. Der Urstifter selbst, Johann Friedrich Städel (1728–1815), der „Dekan aller hier lebenden echten Kunstfreunde“, wie Goethe ihn nannte, gab diese Richtung vor. Und mit einer Schenkung beginnt auch das Inventar des 1899 gegründeten Städelschen Museums-Vereins: Alfred Sisleys „Seine-Ufer im Herbst“. Viktor Mössinger (1857–1915), der sie tätigte, war selbst Kunstsammler und in der Frankfurter Museumswelt vielfach mäzenatisch engagiert. Seine Gabe des Sisley-Gemäldes war von strategischer Bedeutung. Der Impressionismus war außerhalb des etablierten Kunstbetriebs entstanden; Salons, Akademien und Museen blieben seinen Vertretern lange verschlossen. Es waren letztlich die deutschen Museen, allen voran Hugo von Tschudi (1851–1911) an der Berliner Nationalgalerie, die den Impressionismus – auch gegen den Willen Kaiser Wilhelms II. – mithilfe privater Kunststifter weltweit als erste in die öffentlichen Sammlungen brachten. In diesem Kontext steht auch Mössingers Stiftung. Auch Max Liebermann war in bürgerlichen Kreisen damals sehr umstritten. Leopold Sonnemann (1831–1909), der Gründer des Städelschen Museums-Vereins, musste im Jahr darauf erst mit Rücktritt drohen und eigene Mittel in die Waagschale werfen, um den Ankauf von dessen „Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus“ durchzusetzen. Heute zählt das Werk zu den Publikumslieblingen. Mit diesen ersten Erwerbungen führte der Vorstand des Vereins die Öffnung des Städels für die Moderne herbei.
Um das Städel gruppierten sich immer wieder große Sammlerpersönlichkeiten, von denen viele eng mit dem Städel kooperierten. So stiftete Viktor Mössinger selbst 1912 die 20.000 Francs für den Ankauf von Vincent van Goghs berühmten „Bildnis des Dr. Gachet“, das die Nationalsozialisten 1937 beschlagnahmten und zur „entarteten Kunst“ erklärten. Robert von Hirsch (1883–1977), der seine hochbedeutende Sammlung eigentlich dem Städel vermachen wollte, wurde von den Nationalsozialisten aus dem Land vertrieben. Zu nennen ist auch Georg Hartmann (1870–1954), der 1933 den Vorsitz des Städelschen Museums-Vereins übernahm und dafür sorgte, dass die verbliebenen jüdischen Mitglieder nicht hinausgedrängt wurden. Er unterstützte Max Beckmann im Amsterdamer Exil und stiftete später bedeutende Stücke seiner Sammlung an das Städel Museum und die Liebieghaus Skulpturensammlung. Carl Hagemann (1867–1940), seit 1921 Mitglied im Städelschen Museums-Verein, war zu dieser Zeit einer der bedeutendsten Förderer und Sammler expressionistischer Kunst. Als er 1940 unerwartet starb, verwahrte des Städel Museum seine Privatsammlung und rettete sie vor einem möglichen Zugriff der NS-Behörden und vor kriegsbedingter Zerstörung. Als Dank übereigneten Hagemanns Erben 1948 seine herausragende Grafik-Sammlung dem Museum, während sie die Gemälde dem Haus teils schenkten, teils verkauften. Auch der Museumsverein erwarb verschiedentlich Gemälde aus seinem Nachlass.
Viele weitere kleinere Kunststiftungen erreichten den Verein: Bereits in den Anfängen Carl Spitzwegs Gemälde „Der Einsiedler vor seiner Klause“ vom Vorstandsmitglied Martin Flersheim (1899–1935), später ein Konvolut expressionistischer Kunst von Kurt Möllgaard, neben Kirchner, Beckmann u. a. auch Edvard Munchs „Alter Fischer mit Tochter“, dann mehr als 50 Blätter impressionistischer Druckgraphik aus der Sammlung von Helmut (1898–1983) und Hedwig Goedeckemeyer (1898-1977), die für das Städel auch als Sammler von Käthe Kollwitz von Bedeutung waren. Auch folgten holländische Malerei aus dem Besitz von Karin Hahn-Hissink (1907–1981), einige Courbet-Blätter des Kunsthistorikers Klaus Herding (1939–2018) anlässlich der Pensionierung von Margret Stuffmann, 2017 Arbeiten von Werner Tübke, die Vorstandsmitglied Fritz P. Meyer aus seiner umfangreichen Sammlung von Kunst der Leipziger Schule dem Museumsverein stiftete.
Ein Bürgermuseum wie das Städel Museum lebt davon, solche private Kunstkennerschaft und -Leidenschaft anzuregen. Sie sind die Grundlage für mögliche Kunststiftungen in der Zukunft – zum Nutzen und zur Freude aller. Und nicht zuletzt: Wenn sich seine Werke im Museum behaupten, wird der Sammler und Stifter auch von der Öffentlichkeit als Kunstkenner geschätzt.
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