Was macht eigentlich ein Depotleiter im Museum? Ein Blick in den Alltag von Dominik Auvermann und seinem Nachfolger Martin Steinmüller.
Kurz nach acht Uhr morgens fährt ein LKW auf den Hof des Städel Museums. An Bord: eine alte Bekannte – Pierre Bonnards „Liegender Akt auf weißblau kariertem Grund“ (um 1909). Das Gemälde kehrt aus einer Ausstellung zurück. Dominik Auvermann und Martin Steinmüller stehen bereit, nehmen es entgegen. Nach einer Phase der Akklimatisierung, in der sich das Gemälde behutsam an Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Museum anpassen kann, wird es im Depot bereits von einer Restauratorin erwartet. Mit geschultem Blick prüft sie sorgfältig den Zustand des Werks: Alles muss stimmen, bevor das Bild seinen Weg zurück an eine Depotwand oder in die Galerie findet.
Solche Abläufe gehören zum Museumsalltag und sind doch immer wieder besonders. Kein Werk verlässt oder erreicht das Haus ohne die Depotverwalter. Sie sind Hüter, Organisatoren, Möglichmacher – in einem Bereich des Museums, der meist unsichtbar bleibt.
Das Städel Museum besitzt rund 3.200 Gemälde, 770 Skulpturen, 4.600 Fotografien und über 100.000 Zeichnungen und Druckgrafiken. Doch nur eine Auswahl ist dauerhaft ausgestellt. Der Großteil wird in klimatisierten Depots verwahrt, sicher und vorbereitet auf seinen nächsten großen Auftritt.
Dominik Auvermann ist seit über zehn Jahren Herr über das Depot. Der gebürtige Hamburger war zuvor Antiquar, Kunsttransporteur und Restaurator. 2012 wurde er der erste offizielle Depotleiter. „Davor gab es meinen Job gar nicht, das muss chaotisch gewesen sein“, sagt er mit einem Schmunzeln. Mit Genauigkeit, Gelassenheit und Humor hat er eine Struktur geschaffen, die alles bietet, was Kunstwerke brauchen: Ruhe, Sicherheit, Sorgfalt.
Seit einigen Wochen arbeitet sich Martin Steinmüller bei ihm ein. Er war bei einer Kunstspedition, dem Stadtmuseum Wiesbaden und dem Hessischen Landesmuseum tätig – unterbrochen von einer Phase als Winzer. Jetzt ist er zurück im Museum: „Ich wollte wieder in eine Umgebung, in der man besonders respektvoll miteinander umgeht. Das habe ich im Museum schon immer geschätzt.“
Kaum ist der Bonnard sicher im Depot, steht der nächste Transport an: Zwei Werke der Alten Meister gehen zur Restaurierung. Danach wird Dike Blairs Skulptur „That and This" (2009) aus den Gartenhallen eingelagert – eine Veranstaltung steht bevor, das Werk muss vorübergehend weichen. „Das Depot ist kein statischer Ort“, sagt Auvermann. Genauso wenig wie das Museum.
Der Tag ist durchgetaktet: Protokolle prüfen, Übergaben koordinieren, Transportwege sichern, Datenbankeinträge ergänzen. Dann klingelt das Telefon: Eine Kuratorin bittet um Einsicht ins Depot, kein Problem, aber nur in Begleitung. Danach beginnt die Planung für eine Leihgabe: In wenigen Monaten soll ein Werk das Haus verlassen, und dafür muss eine passende Kiste gebaut werden. Standardkisten gibt es viele, doch oft braucht es Maßanfertigungen. „Gerade bei Skulpturen wird’s knifflig“, erklärt Steinmüller. „Man weiß nie genau, wie viel Spiel das Werk in der Kiste haben darf – da hilft nur Erfahrung.“
Ein anderer Teil ihres Alltags: Kontrollgänge in den Ausstellungsräumen. Stimmen Temperatur und Luftfeuchtigkeit? Gibt es Anzeichen von Schädlingsbefall oder Materialveränderung? Alles wird akribisch geprüft.
Auvermann und Steinmüller sind Teil des Ausstellungsdienstes, einer Abteilung, die Organisation, Planung, Technik und Logistik vereint. Ob Architekten, Maler, Schreiner, Lichtplaner, Speditionen oder Kurator – alle arbeiten Hand in Hand. „Unsere Aufgabe ist es, alles zu koordinieren“, so Auvermann. Die Herausforderungen sind vielfältig: Zeitdruck, komplexe Logistik, internationale Leihvorgaben, begrenzte Ressourcen und der stille Druck, täglich mit Kunstwerken zu arbeiten, deren Wert sich in Millionen bemisst. Martin Steinmüller bekräftigt: „Man darf sich davon nicht verrückt machen lassen.“
Gelassenheit ist wichtig und Vertrauen in die eigene Routine.
Nach 13 Jahren gibt Dominik Auvermann nun die Schlüssel weiter und verabschiedet sich in den Ruhestand. Mit ihm verlässt ein leiser Riese die Bühne, einer, der das Depot zu einem verlässlichen Rückgrat des Museums gemacht hat. Sein Nachfolger Martin Steinmüller tritt mit sicherem Schritt in große Fußstapfen. Er bringt frische Ideen, ein tiefes Verständnis für die Logistik von Kunstwerken und die Bereitschaft mit, auch in technischen Fragen neu zu denken.
Das Depot des Städel Museums ist also in besten Händen. Auch morgen wieder, wenn um Punkt acht Uhr ein weiteres Werk der Städel-Sammlung auf Reisen geht.
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