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„Wir mögen uns noch“

Der „Geschlechterkampf“ geht in die Halbzeit. Im Interview ziehen die beiden Kuratoren Felicity Korn und Felix Krämer eine erste Bilanz.

Sarah Omar — 20. Januar 2017

Die Ausstellung greift ein Thema auf, das in den letzten Jahren wieder besonders emotional diskutiert wurde. Welche Reaktionen habt Ihr in den vergangenen Wochen beobachtet?

Felicity Korn: Wenn man die Besucher der Ausstellung beobachtet, fällt auf, dass nicht nur der Audioguide, sondern auch die ausführlichen Ausstellungstexte von vielen genutzt werden. Es ist keine Präsentation, durch die man entspannt schlendert, sondern die Bilder werden intensiv angeschaut. Die Besucher sind viel aktiver als bei anderen Ausstellungen, es gibt – vor allem auch in Führungen – mehr Rückfragen und Gesprächsbedarf als sonst. Dieses zeigen außerdem die Reaktionen in den sozialen Netzwerken, die mitunter sehr emotional sind und eine Vielzahl an Kommentaren hervorbringen, unter denen auch kritische Stimmen nicht fehlen. Eigentlich haben wir damit gerechnet, dass auch in der Presse emotionaler als bei anderen Projekten über die Ausstellung gesprochen wird. Sie wurde aber vielmehr als Anlass genommen, ein Thema aufzugreifen, das offenbar vielen am Herzen liegt. Überrascht hat uns die Breite der Medien, die sich für die Ausstellung interessiert haben – vom Brigitte-Magazin über Fachzeitschriften wie Sportswear International bis hin zu den großen Feuilletons der Tageszeitungen.

Felix Krämer: Ich wurde in einem Interview gefragt, welches Bild der Ausstellung ich gerne zuhause hängen hätte. Natürlich sind unter den Werken einige Arbeiten, die mich besonders ansprechen, aber es sind prinzipiell keine Bilder, die man sich über das Sofa hängt, die gute Laune machen oder zum Dahinschmelzen sind. Es sind Werke, die einen berühren und zum Nachdenken bringen, aber häufig gleichzeitig auch abstoßen. Genau das ist das Ziel der Ausstellung: Wir möchten emotionale Reaktionen provozieren und zu Diskussionen anregen.

Mit welcher Kritik wurdet Ihr bis jetzt am häufigsten konfrontiert?

Korn: Dass wir zu wenige Künstlerinnen zeigen. Allerdings wissen dabei die wenigsten – das merkt man auch bei den Führungen –, dass unglaublich wenige Künstlerinnen zu der Thematik überhaupt gearbeitet haben.

Hannah Höch, Die Braut (Pandora), 1924/27<br />
Berlinische Galerie – Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur

Hannah Höch, Die Braut (Pandora), 1924/27, Berlinische Galerie – Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur

Im ersten Teil der Ausstellung, also im 19. Jahrhundert, gibt es ja tatsächlich fast keine Künstlerinnen. Im zweiten Teil – gemessen an der damaligen Kunstproduktion – dagegen relativ viele. Habt Ihr auf die „Quote“ geachtet?

Korn: Da das Thema dies in besonderem Maße erfordert, haben wir sehr genau darauf geachtet, dass sowohl Künstler als auch Künstlerinnen in der Ausstellung repräsentiert sind, aber nicht im Sinne einer Quote. Dies wäre, gerade im Hinblick auf das 19. Jahrhundert, auch überhaupt nicht möglich.

Krämer: Wenn man die entsprechende kunsthistorische Literatur konsultiert, stößt man primär auf Werke von Männern. Bei Künstlerinnen ist der Rechercheaufwand viel höher, aber häufig auch lohnender, da man tatsächlich noch viele Entdeckungen machen kann. Es spricht Bände, dass von den 13 Arbeiten, die wir von Jeanne Mammen zeigen, zehn noch nie ausgestellt wurden – sie lagen über hundert Jahre in Grafikmappen in ihrem Atelier.

Jeanne Mammen: Frau am Kreuz, um 1908–1914<br />
Jeanne-Mammen-Stiftung, Berlin<br />
 © VG Bild-Kunst, Bonn 2016, Foto: © 2016 Reschke, Steffens &amp; Kruse, Berlin/Köln

Jeanne Mammen: Frau am Kreuz, um 1908–1914, Jeanne-Mammen-Stiftung, Berlin, © VG Bild-Kunst, Bonn 2016, Foto: © 2016 Reschke, Steffens & Kruse, Berlin/Köln

In dem Zeitraum der Ausstellung gibt es einfach weniger Künstlerinnen, und die Berufsbiografien der meisten von ihnen sind wahnsinnig kurz. Von vielen gibt es im Prinzip nur Studentenarbeiten, weil sie dann heirateten, Kinder bekamen und ihre Karriere damit meistens beendet war. So ist in den Ausnahmefällen von Künstlerinnen, die ein umfangreiches Œuvre hinterlassen haben, aus dem wir für die Ausstellung schöpfen konnten, die Anzahl derjenigen, die nicht geheiratet haben, sehr hoch. Wir können diese historischen Fakten beklagen, aber leider nicht ändern.

Ihr habt „Geschlechterkampf“ gemeinsam kuratiert, als Vertreter beider Geschlechter. Welche Rolle spielt Ihr als Kuratoren in der Ausstellung?

Korn: Es gab bei den Presseinterviews eine Art Running Gag. Fast jeder Journalist hat gefragt, wie die Zusammenarbeit war, wie viel wir uns gestritten haben und ob wir uns noch mögen. Auch unsere persönliche Sicht auf das Thema spielt eine ganz andere Rolle als sonst.

Krämer: Bei einer thematischen Ausstellung steht man als Kurator per se mehr im Fokus als bei einer monografischen. Die Thematik, die ja keine primär kunsthistorische ist, scheint diesen Effekt verstärkt zu haben. Ein anderer reizvoller Aspekt an dem Projekt ist, dass man kein Kunsthistoriker sein muss, um sich mit dem Thema auszukennen: Jeder ist letztendlich Experte. 

Korn: Vielleicht ist das der Grund, warum wir noch stärker als bei anderen Ausstellungen das Bedürfnis hatten, als Historiker zu arbeiten. So, wie wir sie konzipiert haben, ist die Ausstellung sehr historisch gebaut und schaut stark auf zeithistorische Bezüge. Wir wollten keinen subjektiven, sondern einen nüchternen und neutralen Zugang zu diesem hochemotionalen Thema des Geschlechterkampfes. Die Bilder brauchen keine zusätzliche Aufladung.

Gustav Adolf Mossa: Sie, 1905<br />
Musée des Beaux-Arts, Nizza © VG Bild-Kunst, Bonn 2016, Foto: Laurent Thareau

Gustav Adolf Mossa: Sie, 1905, Musée des Beaux-Arts, Nizza © VG Bild-Kunst, Bonn 2016, Foto: Laurent Thareau

Ihr habt knapp vier Jahre an der Ausstellung gearbeitet. Wie kann man sich den Weg bis zur fertigen Ausstellung vorstellen? Welche Fragen habt Ihr Euch gestellt?

Korn: Die größte Herausforderung war es, den Rundgang zu konzipieren. Womit steigt man ein, wie kann man die Besucher führen? Was ist die beste Herangehensweise für dieses polarisierende Thema? Wie berücksichtigt man den historischen Hintergrund, ohne dass man ihn in den Vordergrund stellt? Auch die Künstlerauswahl war wahnsinnig schwierig: Es gibt sehr viele sehr starke Künstler, aber auch viele Entdeckungen, unbekanntere Namen, die wir zeigen wollten. Diese Arbeit hat Monate, Jahre gedauert.

Krämer: Es drohte immer die Gefahr, dass das Thema ausufert – wir haben noch ganze Ordner voll mit Material. Für jedes Werk muss man sich entscheiden. Jedes Bild ist ein Argument und Argumente sollte man nicht wiederholen. Wichtig waren zudem die roten Fäden, die sich durch die Ausstellung ziehen.

Noch bevor der Ausstellungsrundgang beginnt, führt Ihr den Besucher erst mal in die Gegenwart: Das Foyer ist tapeziert mit Schlagzeilen und Hashtags der letzten Jahre. Geht es Euch um einen Beitrag zu aktuellen Debatten?

Krämer: Wir sind ein Teil der Debatte, ob wir es wollen oder nicht. Allein die Tatsache, dass es die Ausstellung jetzt gibt, ist schon ein Kommentar. Denn indem man das Thema als ausstellungswürdig betrachtet, stuft man es als relevant ein und bezieht Stellung. Das Projekt haben wir aber vor vier Jahren konzipiert, weswegen es kein direkter Kommentar zu Trump oder „süßen Mäusen“ in der CDU sein kann. So überlegen wir jetzt, was in drei Jahren Thema sein könnte.

Die Ausstellung spannt einen Bogen in der langen Debatte um das Verhältnis der Geschlechter. Wie hat sich Euer Blick auf das Thema durch die historischen Werke geändert?

Korn: Auffällig ist, dass die Debatten relativ sind, dass es keine Konstanz gibt und sich die Maßstäbe immer wieder verändern. Ich denke, die Ausstellung zeigt, wie sehr man immer von seinem eigenen Empfinden geprägt ist und dass es hierbei kein Richtig oder Falsch gibt. Auch wenn man aufgrund der Emotionalität geneigt ist, genau das zu glauben: dass nur der eine Weg der glücksbringende ist.


Sarah Omar arbeitet in der Onlinekommunikation des Städel. Jeder und jedem, der etwas zur Frage, wie der Geschlechterkampf heute aussieht, beitragen möchte, empfiehlt sie die Social-Media-Aktion #LetsTalkAboutSexes, die noch bis 2. Februar 2017 läuft.

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