Was ist das Faszinierende am Relief und welche Überraschungen hält die Gattung bereit? Das kuratorische Team hat Antworten und gibt Einblicke in das Konzept der großen Sommerausstellung.
Das Relief spielt in Ausstellungen selten die Hauptrolle. Wie kamt ihr auf die Idee, das Relief in den Mittelpunkt einer großen Ausstellung zu setzen? Was ist das Faszinierende am Relief?
Alexander Eiling und Eva Mongi-Vollmer: Die Idee basiert auf unserer gemeinsamen Ausstellung zur impressionistischen Skulptur „En passant“, die wir 2020 verwirklicht haben. Darin ging es unter anderem um die Zusammenführung der Gattungen Bildhauerei und Malerei um 1900. Damals wie heute hat uns fasziniert, wie viele Möglichkeiten das Relief als Zwischenform birgt – es ist ein enorm kreatives Experimentierfeld.
Die Ausstellung zeigt in 13 Kapiteln über 140 Werke vom Klassizismus bis in die 1960er Jahre. Warum lohnt sich der Blick aufs Relief gerade in dieser Zeitspanne?
Alexander Eiling: Mit dem Klassizismus setzt ein neuer Blick auf die Antike ein, ganz besonders auf Werke wie den Parthenon-Fries. Dieser Fries wird bis weit ins 20. Jahrhundert hinein für Künstler ein wesentlicher Punkt der Auseinandersetzung. Die 1960er-Jahre markieren den Endpunkt, da sich in dieser Phase zahlreiche neue Aspekte durchsetzten, die mit den überkommenen Formen der Kunst nichts mehr zu tun haben. Der „Ausstieg aus dem Bild“ sei hier als Stichwort genannt.
Von Rodin bis Picasso – es scheint, als seien Künstler des 20. Jahrhunderts kaum am Relief vorbeigekommen. Warum ist das so?
Eva Mongi-Vollmer: Schon im ausgehenden 19. Jahrhundert wird das Relief – bis dahin vor allem eine bildhauerische Aufgabe – von Malern entdeckt. Man lotete nun von beiden Seiten, also von der Malerei und der Bildhauerei, die jeweiligen Grenzen aus. Das Relief erwies sich als ideales Medium für Neues.
Gab es künstlerische Positionen, die ihr zunächst gar nicht in eurer Werkliste vermutet hättet?
Friederike Schütt: Auf den ersten Blick überraschend ist sicherlich die Raufasertapete. Jeder kennt sie – aber als Exponat ist sie selten: Strukturierte Tapeten wurden seit Ende der 1920er-Jahre am „bauhaus“ entworfen. Sie sorgten für eine flächendeckende Reliefierung des Innenraums und entwickelten sich schnell zum Verkaufsschlager.
Viele Künstlerinnen und Künstler der Ausstellung bewegen sich ganz frei zwischen der Malerei und der Skulptur. Bei welchen ist das Relief nicht nur der Weg, sondern das Ziel?
Friederike Schütt: Es gibt zu jeder Zeit Künstler, die sich im Relief besonders beheimatet fühlten. Dazu gehört im 19. Jahrhundert Bertel Thorvaldsen. Die Hälfte seines Oeuvres sind Reliefs. Für das 20. Jahrhundert steht Hans Arp: er schuf über 800 Reliefs.
Wer übertrifft wen: Der Wettstreit zwischen Malerei und Skulptur ist als Paragone bekannt. Könnte man sagen, dass das Relief der Kompromiss des künstlerischen Wettstreits ist?
Alexander Eiling: Von einem Kompromiss würde ich hier nicht sprechen – das Relief verbindet vielmehr das Beste aus beiden Gattungen!
Über welche Leihgabe freut ihr euch besonders?
„Herausragend!“-Team: Wir waren sehr glücklich, dass wir nach langen Verhandlungen das wunderbare bemalte Holzrelief von Paul Gauguin „Seid geheimnisvoll“ aus dem Musée d’Orsay in Paris zugesagt bekommen haben.
Was war euch beim Ausstellungsdesign wichtig?
„Herausragend!“-Team: Da die Werke in ihrer Größe, Materialität und Anmutung sehr unterschiedlich sind, war uns ein verbindend-einheitliches und farblich zurückhaltendes Design wichtig. Um das wesentliche Merkmal des Reliefs, nämlich aus der Fläche in den Raum zu dringen, aufzunehmen, haben wir dies punktuell auch in der Architektur angewandt und die planen Ecken in schräg gestellte Flächen aufgelöst – das verändert die Wahrnehmung der Ausstellungsräume immens.
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