Holländische Sommeridylle: Monets „Häuser am Ufer der Zaan“ (1871/72) wurde bereits 1905 vom Städel Museum erworben und zählt damit zu den ersten Werken des impressionistischen Vorreiters, die überhaupt in eine deutsche Museumssammlung eingingen. Es kann in der Sonderausstellung „Monet und die Geburt des Impressionismus“ bestaunt werden.
„Zaandam ist besonders bemerkenswert. Man hätte hier ein ganzes Malerleben lang zu tun…“, schrieb ein sichtlich begeisterter Claude Monet (1840–1926) am 17. Juni 1871 an seinen Freund und Künstlerkollegen Camille Pissarro (1830–1903). Erst einige Wochen zuvor war er gemeinsam mit seiner Frau Camille und dem damals vierjährigen Sohn Jean per Schiff in den Niederlanden angekommen. Inspiriert von der idyllischen Landschaft rund um das nahe bei Amsterdam gelegene Hafenstädtchen, hielt Monet die Eindrücke seiner Reise in zahlreichen Werken stimmungsvoll fest. Bereits in den 1860er Jahren war das bunte Treiben an bürgerlichen Ausflugszielen zu einem Standardmotiv in Monets Werken geworden. In starker Ablehnung konventioneller Sujets wie zum Beispiel religiöser oder mythologischer Themen, galt sein Interesse dem Hier und Jetzt des modernen Alltags. Das Freizeitverhalten des gehobenen Bürgertums stellte hierbei einen besonderen Anreiz dar. So verwundert es kaum, dass auch Monets Hollandreise von einer Hinwendung zu touristisch beliebten Motiven geprägt war. „Ich hatte noch keine Zeit, die Museen zu besichtigen; ich will vor allen Dingen arbeiten und werde mir das andere danach gönnen.“
Weit ab von Paris und den Nachwehen des Deutsch-Französischen Krieges, konnte sich der Maler hier ganz auf seine Arbeit konzentrieren, während das weitläufige Hafengelände, übersät mit Segelschiffen und Ruderbooten, eine ebenso willkommene Inspirationsquelle bot wie das Meer von alten Windmühlen und die farbigen Häuserreihen rund um den Fluss Zaan, für die die Gegend besonders bekannt war. In der Tat galt ein Besuch der idyllischen Gegend zum Standardprogramm von Holland-Reisen im späten 19. Jahrhundert und war nicht zuletzt wegen seiner dekorativen Architektur und malerischen Farbenfrohe berühmt. Der Schriftsteller Henry Havard, der sich zur gleichen Zeit wie Monet in Zaandam aufhielt, hob in einem späteren Reisebericht das Exotische und Verspielte des Ortes hervor: „Wir befinden uns jetzt an der Mündung der Zaan. Vor uns erblicken wir das hübsche Dorf, das fröhlich aus einer Laubmasse emporragt. Es sind schwarze oder graue Häuser, gelbe oder grüne, mit bizarren Formen und seltsamem Schmuck.“
In seinem Gemälde „Häuser am Ufer der Zaan“ (1871/72) gibt Monet die barock anmutende, in pastosen Pink- und Grüntönen gehaltene Häuserreihe geradezu kulissenhaft wider. Ebenso radikal wie in seinem wegweisenden Werk „La Grenouillère“ von 1869 löst sich die Darstellung der leicht bewegten Wasseroberfläche in weitgehend selbstständige Farbstreifen. Mehr noch als die bezaubernde Stille des sommerlichen Nachmittags oder die verspielte Schönheit der Giebelarchitektur wird die bunt flirrende Farbspiegelung im Wasser zum eigentlichen Bildgegenstand. Ein malerisch-ästhetisches Interesse an der Wiedergabe der flüchtigen Impression führt die Darstellung des Flusses somit deutlich an den Rand der Abstraktion, während die beiden Frauen in der linken Bildhälfte nahezu wie reine Farbkleckse erscheinen.
Als wie radikal Monets Komposition in ihrem kunsthistorischen Kontext erkannt werden muss, zeigt sich am Vergleich mit Monets einstmaligem Lehrer und Malerkollegen, Eugène Boudin. Sein 1874 entstandenes Bild „Der Hafen bei Antwerp“ ist mit Monets Darstellung thematisch eng verwandt. Doch während sich beide Maler der Freilichtmalerei verpflichtet fühlten, orientiert sich Boudin hier deutlich an der tonigen Farbigkeit der niederländischen Maltradition. Gedeckte Weißtöne und ein zartes Hellblau dominieren den horizontalen Blick auf das Gebäudepanorama, in dem nur ab und an das dunkle Rot der Backsteinwände farbige Akzente setzt. Von Monets bewusst greller Farbgestaltung und dem ästhetischen Interesse an einem konsequent kontrastreichen Aufeinandertreffen vollkommen verschiedener Reintöne ist der Maler denkbar weit entfernt. Monets Gemälde belegt damit zugleich die zentrale Rolle der Hollandreise in seiner immer selbstbewussteren Hinwendung zu einer Malerei, in der die Bedeutung des Bildgegenstandes hinter einem künstlerisch-freien Umgang mit Farb- und Lichteffekten stark zurücktreten sollte. Wie der Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe (1867–1935) treffend formulierte: „Während des Krieges war Monet in Holland. Der Aufenthalt hat ihm gut getan.“ Von Monets „Häuser am Ufer der Zaan“ war er derart begeistert, dass er es voller Lob in seiner bedeutenden „Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst“ (1904) erwähnte: „Gibt es eine intimere Auffassung der holländischen Natur als das Bild mit den beiden merkwürdigen Barockhäusern am Wasser? Es ist mehr als eine Landschaft, Monet hat fast den Geist dieser Menschen mitgemalt, der sich an solchen Landschaften erfreut; nicht anders als die alten Holländer, die wenn sie die einfachsten Dinge malten, nicht nur diese Dinge, sondern eine weitreichende Vorstellung von ihnen abbildeten.“
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