Im Weihnachtsmonat Dezember ist „Maria das Kind stillend“ (1503) von Albrecht Dürer aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien unser Bild des Monats. Zu sehen ist es bis 2. Februar 2014 in der Dürer-Ausstellung im Städel.
Man braucht nicht katholisch zu sein, um von der Intimität der Bildszene „Maria das Kind stillend“ (1503) von Albrecht Dürer beeindruckt zu sein: Maria hat ihre Brust entblößt, an der ihr Sohn friedlich nuckelt. Das Jesuskind nestelt mit seinem kleinen linken Händchen an ihrer Kleidung, wie Babys das gern tun, um die Mutter zu erkunden oder sich an ihr festzuhalten. Maria beugt ihr Haupt und lächelt – dass Dürer sie mit geöffnetem Mund und Zähnen zeigt, ziemte sich damals eigentlich nicht. Es verstärkt aber die Darstellung Mariens als einfache Frau, die blondgelockt und mit leichtem Doppelkinn keine reine Schönheit ist.
Stillen ist eine ungemein intime Sache und sie bedeutet die vollkommene Abhängigkeit des Kindes von der Mutter. Wenn das Kind seine Mutter anlächelt, weil es weiß, dass es bald satt wird, und es danach an der Brust zufrieden einschläft, bedeutet dies pures Glück. Andererseits ist Stillen Routine und manchmal auch Last, wenn der Säugling nicht gut trinkt oder aber das stündlich zu tun wünscht. Hatte Maria manchmal Stillfrust und Jesus Probleme beim Bäuerchen? Diese Fragen hat Albrecht Dürer (der mit seiner Agnes keine Kinder hatte) natürlich nicht gestellt; bei aller Betonung der Menschlichkeit verlässt sein 1503 datiertes Gemälde die Grenzen der Bildtradition nicht.
Darstellungen der „Maria lactans“ oder griechisch „Galaktotrophusa“, der stillenden Madonna also, gehen auf das spätantike Ägypten zurück, weswegen über ein Vorbild der Göttin Isis, die Horus nährt, spekuliert wird. Wie es auch gewesen sein mag, ein solches Bild passte perfekt zu den Aussagen, die die christliche Theologie über Christus traf. Dieser sei, so das Konzil von Chalcedon (451), sowohl vollkommen Mensch als auch vollkommen Gott. „Wahr’ Mensch und wahrer Gott“ heißt es auch heute noch in dem Weihnachtslied „Es ist ein Ros entsprungen“. Es kommt nicht von ungefähr, dass mit dem „Ros“ Maria gemeint ist. Denn wenn es um die Menschlichkeit Jesu geht, kommt seine Mutter ins Spiel.
In der Antike war es vonnöten, die Göttlichkeit des Menschen Jesus von Nazareth festzuschreiben. Maria kam die Rolle der „Gottesgebärerin“ zu. Das war im späten Mittelalter selbstverständlich, neuen Frömmigkeitsbewegungen erschien es nun sinnvoll, die andere Seite hervorzuheben. Christi Menschlichkeit wurde wiederentdeckt, um einen unmittelbareren Bezug zu Gott zu finden.
Ab dem 14. Jahrhundert gewannen Bilder der stillenden Maria denn auch an Bedeutung, die nun die enge Beziehung Jesu zu seiner Mutter hervorhoben. Zu Dürers Zeit finden sich daneben auch Darstellungen, in denen dem Kleinen schon Brei gereicht wird – wie in der „Heiligen Familie“ des Kölner „Meisters des Bartholomäusaltars“ aus der ständigen Sammlung des Städel Museums. Auf einem kleinen Kaltnadelblatt des ebenfalls anonymen „Hausbuchmeisters“, das noch bis zum 2. Februar 2014 in der Dürer-Ausstellung im Städel zu sehen ist, übt der Jesusknabe gar das Laufen, während Josef ihn mit einem Apfel lockt.
Der Intimität des Christuskindes mit seiner Mutter auf Dürers Bild entspricht die Intimität, die der Betrachter selbst erfahren kann. Die Lindenholztafel ist kleiner als ein DIN-A4-Blatt, man muss ihr sehr nahe kommen, um alle Details gut zu sehen. Das Gemälde konnte ursprünglich gedreht und gewendet werden: Auf der Rückseite ist eine Passage eines Marienhymnus zu lesen, die übersetzt lautet: „Nur die Jungfrau stillte mit ihrer vom Himmel her gefüllten Brust“.
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