Navigation menu

Städel Museum Städel Museum

„Maria das Kind stillend“ von Albrecht Dürer

Im Weihnachtsmonat Dezember ist „Maria das Kind stillend“ (1503) von Albrecht Dürer aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien unser Bild des Monats. Zu sehen ist es bis 2. Februar 2014 in der Dürer-Ausstellung im Städel.

Almut Pollmer-Schmidt — 22. Dezember 2013
Duerer_Maria_das_Kind_stillend

Albrecht Dürer (1471–1528), Maria das Kind stillend, 1503, Lindenholz, 24,1 cm x 18,3 cm, Kunsthistorisches Museum, Wien.

Intimität

Man braucht nicht katholisch zu sein, um von der Intimität der Bildszene „Maria das Kind stillend“ (1503) von Albrecht Dürer beeindruckt zu sein: Maria hat ihre Brust entblößt, an der ihr Sohn friedlich nuckelt. Das Jesuskind nestelt mit seinem kleinen linken Händchen an ihrer Kleidung, wie Babys das gern tun, um die Mutter zu erkunden oder sich an ihr festzuhalten. Maria beugt ihr Haupt und lächelt – dass Dürer sie mit geöffnetem Mund und Zähnen zeigt, ziemte sich damals eigentlich nicht. Es verstärkt aber die Darstellung Mariens als einfache Frau, die blondgelockt und mit leichtem Doppelkinn keine reine Schönheit ist.

Stillen ist eine ungemein intime Sache und sie bedeutet die vollkommene Abhängigkeit des Kindes von der Mutter. Wenn das Kind seine Mutter anlächelt, weil es weiß, dass es bald satt wird, und es danach an der Brust zufrieden einschläft, bedeutet dies pures Glück. Andererseits ist Stillen Routine und manchmal auch Last, wenn der Säugling nicht gut trinkt oder aber das stündlich zu tun wünscht. Hatte Maria manchmal Stillfrust und Jesus Probleme beim Bäuerchen? Diese Fragen hat Albrecht Dürer (der mit seiner Agnes keine Kinder hatte) natürlich nicht gestellt; bei aller Betonung der Menschlichkeit verlässt sein 1503 datiertes Gemälde die Grenzen der Bildtradition nicht.

Duerer_Maria_das_Kind_stillend_detail

Der trinkende Jesusknabe. Detail aus: Albrecht Dürer (1471–1528) Maria das Kind stillend, 1503, Lindenholz, 24,1 cm x 18,3 cm, Kunsthistorisches Museum, Wien.

„Maria lactans“

Darstellungen der „Maria lactans“ oder griechisch „Galaktotrophusa“, der stillenden Madonna also, gehen auf das spätantike Ägypten zurück, weswegen über ein Vorbild der Göttin Isis, die Horus nährt, spekuliert wird. Wie es auch gewesen sein mag, ein solches Bild passte perfekt zu den Aussagen, die die christliche Theologie über Christus traf. Dieser sei, so das Konzil von Chalcedon (451), sowohl vollkommen Mensch als auch vollkommen Gott. „Wahr’ Mensch und wahrer Gott“ heißt es auch heute noch in dem Weihnachtslied „Es ist ein Ros entsprungen“. Es kommt nicht von ungefähr, dass mit dem „Ros“ Maria gemeint ist. Denn wenn es um die Menschlichkeit Jesu geht, kommt seine Mutter ins Spiel.

In der Antike war es vonnöten, die Göttlichkeit des Menschen Jesus von Nazareth festzuschreiben. Maria kam die Rolle der „Gottesgebärerin“ zu. Das war im späten Mittelalter selbstverständlich, neuen Frömmigkeitsbewegungen erschien es nun sinnvoll, die andere Seite hervorzuheben. Christi Menschlichkeit wurde wiederentdeckt, um einen unmittelbareren Bezug zu Gott zu finden.

Die ersten Schritte des Jesusknaben

Ab dem 14. Jahrhundert gewannen Bilder der stillenden Maria denn auch an Bedeutung, die nun die enge Beziehung Jesu zu seiner Mutter hervorhoben. Zu Dürers Zeit finden sich daneben auch Darstellungen, in denen dem Kleinen schon Brei gereicht wird – wie in der „Heiligen Familie“ des Kölner „Meisters des Bartholomäusaltars“ aus der ständigen Sammlung des Städel Museums. Auf einem kleinen Kaltnadelblatt des ebenfalls anonymen „Hausbuchmeisters“, das noch bis zum 2. Februar 2014 in der Dürer-Ausstellung im Städel zu sehen ist, übt der Jesusknabe gar das Laufen, während Josef ihn mit einem Apfel lockt.

”³V¯

Der Brei steht bereit, doch der kleine Jesus möchte lieber spielen. Meister d. Bartholomäus-Altars,15./16.Jh., Die Heilige Familie. 15./16. Jahrhundert, Öl auf Holz, 41,1 x 18,6 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main.

Intimität im Schauen

Der Intimität des Christuskindes mit seiner Mutter auf Dürers Bild entspricht die Intimität, die der Betrachter selbst erfahren kann. Die Lindenholztafel ist kleiner als ein DIN-A4-Blatt, man muss ihr sehr nahe kommen, um alle Details gut zu sehen. Das Gemälde konnte ursprünglich gedreht und gewendet werden: Auf der Rückseite ist eine Passage eines Marienhymnus zu lesen, die übersetzt lautet: „Nur die Jungfrau stillte mit ihrer vom Himmel her gefüllten Brust“.


Die Autorin Almut Pollmer-Schmidt hat die Dürer-Ausstellung im Städel als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit vorbereitet und befürchtet, dass daher das erste Wort ihres vier Monate alten Sohnes „Dürer“ sein wird. Sie schrieb diesen Text in einer Nacht, unterbrochen von mehrmaligem Stillen ihres immer wieder schreienden Kindes.

Diskussion

Fragen oder Feedback? Schreiben Sie uns!

Mehr Stories

  • Hellter_Altar_teaser
    Bild des Monats

    Der „Heller-Altar“ von Albrecht Dürer

    Krönung, Räderung, Hinrichtung – hier geht es nicht um einen Krimi oder Historienepos, sondern um ein bedeutendes Altar-Werk von Albrecht Dürer (1471–1528), den „Heller-Altar“. Wir haben uns dieses Highlight der Dürer-Ausstellung im Städel genauer angesehen und erklären Euch, was es mit den einzelnen Tafeln auf sich hat.

  • Duerer_Trommler_Pfeiffer_ausschnitt
    Albrecht Dürer

    Der Blick in den Spiegel: Vom Selbstporträt zum Selfie

    Dürer und Selfies? So ganz abwegig ist diese Verbindung nicht, war doch Dürer ein Meister des Selbstporträts. Unser Blogartikel zieht Parallelen von Dürers Selbstbildnissen zum gesellschaftlichen Massenphänomen des Selfies.

Newsletter

Wer ihn hat,
hat mehr vom Städel.

Aktuelle Ausstellungen, digitale Angebote und Veranstaltungen kompakt. Mit dem Städel E-Mail-Newsletter kommen die neuesten Informationen regelmäßig direkt zu Ihnen.

Beliebt

  • Giorgio Sommer, Amalfi Uferpromenade, ca 1860-1870, Städel Museum, Public Domain
    Mitmachen auf Instagram

    Wann hatten Sie #italienvoraugen?

    Egal ob die nächste Reise nach Bella Italia in Kürze ansteht, ihr euch an tolle Trips erinnert oder zuhause Italien-Feeling aufkommen lasst: Macht mit und zeigt uns Italien durch eure Augen!

  • Unbekannter Fotograf, Roederstein zwischen zwei Selbstporträts, 1936
    Das Roederstein-Jughenn-Archiv

    Aus dem Leben einer Künstlerin

    2019 erhielt das Städel Museum als großzügige Schenkung aus Privatbesitz ein umfangreiches Konvolut des Nachlasses von Ottilie W. Roederstein. Seitdem wird der Archivschatz nach und nach gehoben. Wir stellen ihn vor.

  • Sammlungsbereich Kunst der Moderne, Ausstellungsansicht, Foto Städel Museum Norbert Miguletz
    Fünf Fragen zur Umgestaltung

    Neue Nachbarschaften

    Wie wirken die Publikumslieblinge aus dem Sammlungsbereich Kunst der Moderne durch die neuen Wandfarben und was sind die persönlichen Highlights der Kuratoren? Alexander Eiling, Juliane Betz und Kristina Lemke geben Einblicke.

  • Umbau 2021 Alte Meister Katrin Binner 5
    Philipp Demandt im Interview

    Neue Farben für Alte Meister

    Da tut sich was! Wieso die Alten Meister gerade jetzt geschlossen sind und auf was wir uns freuen können, wenn der Sammlungsbereich im Herbst wieder öffnet, verrät Direktor Philipp Demandt im Interview.

  • Erich Salomon, Lugano, Dezember 1928, 1928, Silbergelatine-Abzug auf Barytpapier, © Erich Salomon
    Zeitschriften der letzten 100 Jahre

    Was uns das Gestern über das Heute sagt

    Was gute Pressefotografie ausmacht haben wir einen gefragt, der es wissen muss: Kommunikationswissenschaftler Patrick Rössler sammelt seit über 30 Jahren Zeitschriften als Zeugnisse der Alltagskultur.