Manfred Heiting hat eine der wertvollsten Foto- und Fotobuch-Sammlungen aufgebaut – Teile davon wurden nun von den verheerenden Waldbränden in den USA zerstört. Nur wenige Wochen zuvor hatten wir mit ihm über seine Leidenschaft gesprochen.
Als ich im frühen Herbst mit Manfred Heiting (*1943) über seine bedeutende Fotografie-Sammlung und seine Schenkungen an das Städel sprach, da war die Tragödie noch nicht passiert: Im November 2018 ergriffen die verheerenden Waldbrände in Kalifornien auch sein Haus. Darin: seine Sammlung von Büchern über Fotografie. Sie wurde komplett zerstört. Es war die größte und wertvollste Sammlung dieser Art, sie umfasste etwa 36.000 Bände, die Heiting überall auf der Welt aufgestöbert hatte – Originalausgaben, Neuauflagen, Ausgaben in verschiedenen Sprachen. Dieser Deutschlandfunk-Beitrag beschreibt die Einzigartigkeit der Fotobuchsammlung und ihren unglaublichen Verlust.
Bei vielen Privatsammlern bleiben die Sammelobjekte privat, nicht so bei Manfred Heiting. Ich kenne ihn durch das Städel Museum und meine eigene wissenschaftliche Arbeit schon seit einiger Zeit. Er hat seine Sammlung in den vergangenen Jahrzehnten für andere geöffnet, in aufwendigen Publikationen erfasst und sukzessive in öffentlichen Besitz gegeben. Hierin liegt auch das besondere Drama des Verlustes: Heiting hatte seine Fotobuch-Sammlung bereits dem Museum of Fine Arts in Houston übereignet. Sie befand sich nur deswegen noch in seinem Haus, da das Museum für die Bibliothek einen eigenen Gebäudeteil errichten wollte.
Im folgenden Interview spricht Manfred Heiting über seine Fotosammlung, die sich glücklicherweise bereits in Museumsbesitz befindet. Auch dem Städel Museum hat er 2015 wichtige Arbeiten geschenkt, darunter Fotografien von Horst P. Horst, Leopold Ahrendts oder François Kollar.
Kristina Lemke: Sie haben Anfang der 70er-Jahre begonnen, Fotografien zu sammeln – Was hat Sie an dem Medium gereizt?
Manfred Heiting: Als Schriftsetzer und Grafiker und dann als Art Director bei Polaroid liegt dies wohl im Bereich der beruflichen „Notwendigkeit“. Anfänglich war die Fotografie für mich allerdings lediglich Gestaltungsmittel für meine Arbeit. 1967 lernte ich dann bei Polaroid unseren Hausfotografen Ansel Adams kennen. Der hat mir Respekt für die Qualität des Originals beigebracht.
Es folgten Begegnungen mit u. a. Walker Evans, André Kertész, Josef Sudek, Ed van der Elsken, Andy Warhol und Helmut Newton, die mein Interesse an der Fotografie natürlich mit prägten. Ich begann, ihre Bilder zu sammeln. Bald kamen dann weitere Masterprints der Fotografiegeschichte dazu, darunter Gustave Le Gray, Man Ray, Edward Weston, August Sander und Alfred Stieglitz – um nur ein paar Wenige zu nennen.
Früher waren Fotografien in Galerien oder Antiquariaten eher selten zu finden. Wie haben Sie Ihre Sammlung aufgebaut?
Heiting: Gesammelt habe ich immer dort, wo ich gewohnt und gearbeitet habe, also vorrangig in Amsterdam, Frankfurt, Brüssel und Los Angeles. Meine Reisen für Polaroid – und später für American Express – haben mir weltweit viele Kontakte und Freundschaften ermöglicht. Besuche bei den Fotografen, bei Auktionen und Museumsausstellungen in den verschiedenen Ländern haben natürlich meinen Horizont – und letztlich meine Sammlung – sehr erweitert und ermöglicht. Auch hatte ich in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren das Glück, Bekanntschaft mit vielen Fotografen, Sammlern, Händlern, Kuratoren und Historikern zu machen, wir stehen ja immer auf den Schultern anderer. Es war die erlebnisreichste Zeit meiner beruflichen Karriere – so etwas kann man nicht erlernen, man muss es erleben.
2015 haben Sie dem Städel bedeutende Arbeiten der Fotografiegeschichte geschenkt. Wie sind Sie auf das Museum aufmerksam geworden?
Heiting: Ich lebte in den 80ern mehrere Jahre in Frankfurt, wo ich auch das Fotografie Forum Frankfurt 1984 gründete. Meinen ersten Kontakt zum Städel hatte ich durch die wunderbare Ausstellung des Fotopioniers Gustave Le Gray 1993. Ich war auch gut befreundet mit Wilfried und Uta Wiegand, mit Rudolf Kicken und später mit seiner Frau Annette Kicken – wir alle hatten Anfang der 70er-Jahre angefangen, unser Leben dem Sammeln von Fotografie zu widmen.
Die Sammlung Wiegand ging schließlich 2011 in Teilen ans Städel, 2013 kamen die Konvolute Kickens dazu. Als das Städel 2014 dann seinen reichen Fotobestand in der großen Ausstellung Lichtbilder zeigte, habe ich mir die Präsentation mit großer Freude angeschaut. Mich hat die Idee sehr überzeugt, Fotografie mit anderen Kunstformen zu verbinden und in thematischen Ausstellungen gleichwertig zu präsentieren.
Sie haben 2002 dem Museum of Fine Arts in Houston Ihre Fotografie-Sammlung übereignet. Ist es Ihnen schwergefallen, sich von Ihrer lange gewachsenen Sammlung zu trennen?
Heiting: Nach 30 Jahren intensiven Sammelns von wichtigen Bildern der Fotogeschichte, mit der allgemeinen Entwicklung zur Digitalfotografie und der starken Einflussnahme des Marktes auf die Fotografie war mir klar, dass ich mit meinem Konzept des Sammelns so nicht weitermachen konnte. Wenn dann viel Herzblut, Wissen, Erfahrung – auch ein gewisser Lebensstil – eine Sammlung geprägt haben, ist die Summe aller Objekte wesentlich wichtiger als deren Einzelwerte. Daher wollte ich immer versuchen, die Sammlung zusammenzuhalten.
2000 trat das Museum an mich heran und zeigte ein großes Interesse an meiner enzyklopädischen Sammlung (von 1840 bis 2000). Ein eigener Bereich im Museum für meine Sammlung und regelmäßige Ausstellungen – später kamen die Fotobücher dazu – waren sicher ausschlaggebend für die Übereignung. Auch blieb mir die Möglichkeit, immer Zugang zur Sammlung zu haben. Sie dient mir auch heute noch bei meiner Lehrtätigkeit an der Universität von Kalifornien Los Angeles – wo ich seit vielen Jahren wohne.
Es gibt in Deutschland nur wenige Kunstmuseen, die Fotografien in der Sammlung zeigen. Woran, glauben Sie, liegt das?
Heiting: Fotografie ist ein technisches Medium des 19. Jahrhunderts, dass im 20. Jahrhundert unser Leben, unsere Städte und Landschaft, die Menschen, Gesellschaft und Ereignisse dokumentiert und übermittelt und sich gleichzeitig als selbstständige Kunstform etabliert hat. Wegen des technischen Ursprungs der Fotografie wurde sie in den Museen dem Kunstgewerbe zugeordnet und rangierte folglich hinter der klassischen Malerei und den Skulpturen. Die Kunstwissenschaft – und damit auch die Museen – waren sehr oft mit mit dieser veralteten Einteilung überfordert oder folgten ihr blind. Auch das Wissen über die historischen Kontexte und Verwertungsformen fehlte meist. Noch heute gibt es kaum Universitäten, die die Fotografie mit in den Lehrplan der Kunstgeschichte aufnehmen – und dies auch anhand von Originalen lehren und dokumentieren können.
Momentan explodieren ja die Marktpreise für Fotografien. Wie sehen Sie der Zukunft der Fotografie als Kunstobjekt entgegen?
Heiting: Ja richtig, die Marktpreise explodieren, wie bei allen Spekulationsobjekten, ob Aktien, Immobilien oder Bitcoin. Sammler der klassischen Fotografie müssen wirklich viel Wissen in ihr Sammlungsgebiet „investieren“, und natürlich den Markt verfolgen. Dafür findet man heute bei den Auktionen noch gute, oft sensationelle Originalabzüge wichtiger Fotografen, die nicht im Vordergrund der „Investoren“ stehen. Man muss nur gelernt haben zu sehen – und nicht mit den Ohren kaufen.
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