Navigation menu

Ursula Schulz-Dornburg

Ursula Schulz-Dornburg ist 40 Jahre lang mit ihrer Kamera in meist entlegene Gebiete aufgebrochen, viele davon von Krieg und Krisen zerrüttet. Was hat die Fotografin angetrieben?

Franziska von Plocki — 27. Juli 2018

2012 entstanden mit „Opytnoe Pole“ und „Chagan“ Ihre letzten Serien, beides Aufnahmen von Atombombentestgeländen. Gab es einen Auslöser für das Ende Ihrer fotografischen Arbeit?

Ursula Schulz-Dornburg: Es war nicht so geplant, dass  ich im Oktober 2012 in Kasachstan das letzte Mal einen Film in die Hasselblad einlegen würde. Doch die Erfahrungen, die ich an diesem Atombombentestgelände gemacht habe, führten dazu. Ich fotografierte diese architektonischen Skulpturen, Messtürme, Drahtskelette und Erdlöcher, denen zuvor tausende von Tieren zum Opfer gefallen waren, weil an ihnen sowie an den errichteten Strukturen die Energie und die Strahlung der Atombomben gemessen wurde. Gegenstand meiner Arbeit war es, die Spuren und die Stille in dieser Landschaft festzuhalten. Das Testgelände ist zwar stillgelegt, die Geschehnisse von damals sind allerdings noch bis in die Gegenwart folgenreich. Solche Gebiete, die von der Wissenschaft  für Menschen und Tiere unbewohnbar gemacht werden, werden immer zahlreicher.

Ursula Schulz-Dornburg, Opytnoe Pole, 2012, Barytabzüge, Städel Museum, Frankfurt am Main © Ursula Schulz-Dornburg


Ursula Schulz-Dornburg, Opytnoe Pole, 2012, Barytabzüge, Städel Museum, Frankfurt am Main © Ursula Schulz-Dornburg

Ursula Schulz-Dornburg, Opytnoe Pole, 2012, Barytabzüge, Städel Museum, Frankfurt am Main © Ursula Schulz-Dornburg

Ursula Schulz-Dornburg, Opytnoe Pole, 2012, Barytabzüge, Städel Museum, Frankfurt am Main © Ursula Schulz-Dornburg

Ursula Schulz-Dornburg, Opytnoe Pole, 2012, Barytabzüge, Städel Museum, Frankfurt am Main © Ursula Schulz-Dornburg

Wie erging es Ihnen in den letzten Jahren ohne die Fotografie?

Schulz-Dornburg: Es war eine sehr intensive Zeit, denn die Arbeit über das Atombombentestgebiet musste erst einmal die richtige Gestalt bekommen. Sie war Teil der Ausstellung Conflict, Time, Photography in der Tate Modern, die anschließend über das Folkwang Museum in Essen zum Albertinum in Dresden wanderte. Die Fotografien wurden später in die Sammlung der Tate aufgenommen und befinden sich zum Teil auch in der Städelschen Sammlung. Auch meine Arbeit, die ich in Syrien kurz vor dem Ausbruch des Krieges gemacht hatte, musste noch die richtige Gestalt für unterschiedliche Ausstellungen und Sammlungen bekommen. Außerdem wird mein eigenes Archiv nach und nach strukturiert.

Ihre Motive bewegen sich in einem von Ihnen so bezeichneten „Dazwischen“. Sie waren über 40 Jahre hinweg in Grenzgebieten unterwegs, erforschten Schatten und Licht, Menschen und Architekturen – und vom Zerfall bedrohte Gebäude in Gebieten, die heute durch Kriege, etwa durch die Golfkriege 1980 und 2003, tatsächlich zerfallen oder zerstört sind. Hatten Sie eine Vorahnung?

Schulz-Dornburg: Was die mögliche Zerstörung der Schilf-Architekturen im Irak 1980 betraf, hatte ich Hinweise über einen befreundeten Ethnologen in Amsterdam bekommen. In Syrien war ich im Jahr 2005 und noch einmal im November 2010. Keiner konnte sich zu diesem Zeitpunkt vorstellen, dass diese unermessliche Zerstörung 2011 ihren Anfang nehmen würde. Den Geheimdienst, der all die Jahre sehr aktiv gewesen ist, bemerkte ich als Fotografin aber bereits 2005 sehr stark.

Ursula Schulz-Dornburg, Verschwundene Landschaften, Irak, Marsh Arabs, 1980, Barytabzüge, Privatsammlung, USA © Ursula Schulz-Dornburg


Ursula Schulz-Dornburg, Verschwundene Landschaften, Irak, Marsh Arabs, 1980, Barytabzüge, Privatsammlung, USA © Ursula Schulz-Dornburg


Ursula Schulz-Dornburg, Verschwundene Landschaften, Irak, Marsh Arabs, 1980, Barytabzüge, Privatsammlung, USA © Ursula Schulz-Dornburg


Ursula Schulz-Dornburg, Verschwundene Landschaften, Irak, Marsh Arabs, 1980, Barytabzüge, Privatsammlung, USA © Ursula Schulz-Dornburg


Ursula Schulz-Dornburg, Verschwundene Landschaften, Irak, Marsh Arabs, 1980, Barytabzüge, Privatsammlung, USA © Ursula Schulz-Dornburg


Ursula Schulz-Dornburg, Verschwundene Landschaften, Irak, Marsh Arabs, 1980, Barytabzüge, Privatsammlung, USA © Ursula Schulz-Dornburg

Ursula Schulz-Dornburg, Verschwundene Landschaften, Irak, Marsh Arabs, 1980, Barytabzüge, Privatsammlung, USA © Ursula Schulz-Dornburg

Eine junge Frau reist durch die Welt – welche positiven und negativen Erfahrungen haben Sie bei Ihrer Arbeit gemacht?

Schulz-Dornburg: Es war mir immer wichtig, dass jemand dabei war, der die jeweilige Sprache sprechen und Schrift lesen konnte. Insgesamt habe ich eher schwierige als negative Erfahrungen gemacht. Ich habe immer darauf geachtet, den Menschen alles zu erklären und ihnen mitzuteilen, was ich Besonderes suche und abbilden möchte. Bei all meinen Arbeiten habe ich mich immer auch für das Leben der Menschen vor Ort und ihre politische Situation interessiert. Wenn ich schreiben könnte, hätte ich besonders damals in diesen schwierigsten Zeiten in Armenien, 1996/97, die wunderbarsten und merkwürdigsten Geschichten aufschreiben können.

Was hat Sie zum Reisen angetrieben?

Schulz-Dornburg: „Reisen  ermöglicht zur Wirklichkeit vorzustoßen,“ hat der chinesische Künstler Liu Xiaodong einmal gesagt. Die Fotografie hat es mir ermöglicht, die Wahrheit einer Landschaft sichtbar zu machen, die der Erfahrung meiner inneren Wahrnehmung entspricht das ist mir selbst erst im Rückblick bewusst geworden.

$extendedTitle

Abbildung oben: Ursula Schulz-Dornburg, 15 Kilometer entlang der georgisch-aserbaidschanischen Grenze, 1998/99, Barytabzüge, Archiv der Künstlerin und Städel Museum, Frankfurt am Main © Ursula Schulz-Dornburg


Die Fragen stellte Franziska von Plocki, die in der Presseabteilung des Städel arbeitet.

Die Ausstellung „Ursula Schulz-Dornburg. The Land In-Between“ ist noch bis 9. September 2018 im Städel zu sehen.

Diskussion

Fragen oder Feedback? Schreiben Sie uns!

Mehr Stories

  • Ursula Schulz-Dornburg: Erevan – Gyumri (aus der Serie: Transit Orte, Armenien), 2004, 44,7 x 34,8 cm, Barytabzüge, Archiv der Künstlerin und Städel Museum, Frankfurt am Main, © Ursula Schulz-Dornburg
    Ursula Schulz-Dornburg

    Im Dazwischen der Welt

    Transitorte, Grenzen und Stätten vergangener Kulturen – Ursula Schulz-Dornburg blickt auf Orte am Rande unserer westlichen Wahrnehmung. „The Land In-Between“ zeigt ihre Fotografien nun erstmals in einer Retrospektive.

  • Man Ray, Schwarz und Weiß, 1926 (Abzug 1993 von Pierre Gassmann), Silbergelatine-Abzug, Städel Museum, erworben 2013 als Schenkung von Annette und Rudolf Kicken, © VG Bild-Kunst, Bonn
    Fotografie im Städel

    150 Jahre Dornröschen­schlaf

    Das Städel beherbergt eine der bedeutendsten Fotografiesammlungen in Deutschland. Dass diese Bilder gleichberechtigt neben Gemälden hängen, ist jedoch relativ neu – und das Resultat einer turbulenten Geschichte.

  • Städelkomitee feiert Jubiläum

    159 Werke in zehn Jahren

    Das Städelkomitee 21. Jahrhundert ist ein deutschlandweit einzigartiges Gremium, das uns den Ankauf zeitgenössischer Kunst ermöglicht. Zum ersten runden Geburtstag blicken wir auf die schönsten Erwerbungen.

  • Ist das noch Fotografie? Die Kuratoren Martin Engler und Jana Baumann in der Ausstellung „Fotografien werden Bilder. Die Becher-Klasse“
    Kuratoreninterview zur Becher-Klasse

    „Das Ende der Fotografie“

    Aus Fotografie-Studenten wurde in den Achtzigern ein Phänomen: die Becher-Klasse. Wie sie unser Bildverständnis nachhaltig veränderten, erklären die Kuratoren Martin Engler und Jana Baumann.

Newsletter

Wer ihn hat,
hat mehr vom Städel.

Aktuelle Ausstellungen, digitale Angebote und Veranstaltungen kompakt. Mit dem Städel E-Mail-Newsletter kommen die neuesten Informationen regelmäßig direkt zu Ihnen.

Beliebt

  • Honoré Daumier

    Zur Ernsthaftigkeit der Komik

    Wie Karikaturen funktionieren und warum Daumier für sie ins Gefängnis kam.

  • Der Film zur Ausstellung

    Honoré Daumier. Die Sammlung Hellwig

  • Die Ausstellungen im Städel

    Highlights 2024

    Unser Ausblick auf 2024: Freut euch auf faszinierende Werke von Honoré Daumier und Käthe Kollwitz, lernt die Städel / Frauen kennen, entschlüsselt die Bildwelten von Muntean/Rosenblum, erlebt die Faszination italienischer Barockzeichnungen und reist zurück in Rembrandts Amsterdam des 17. Jahrhunderts.

  • Städel Mixtape

    #34 Jan van Eyck – Lucca-Madonna, ca. 1437

    Ein ruhiger Moment mit Kerzenschein, ihr seid so vertieft, dass ihr alles um euch herum vergesst: Vor rund 600 Jahren ging es den Menschen ähnlich, wenn sie vor Jan van Eycks „Lucca-Madonna“ gebetet haben. In diesem STÄDEL MIXTAPE geht es um das Andachts-Bild eines raffinierten Geschichtenerzählers. 

  • Städel | Frauen

    Louise Schmidt: Bildhauerin!

    Teil 2 der Porträt-Reihe „Städel | Frauen“.

  • ARTEMIS Digital

    Digitales Kunsterlebnis trifft wegweisende Demenz-Forschung

    Wie sieht eine digitale Anwendung aus, die Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zeit- und ortsungebunden einen anregenden Zugang zur Kunst ermöglicht? Ein Interview über das Forschungsprojekt ARTEMIS, über Lebensqualität trotz Krankheit und die Kraft der Kunst.

  • Gastkommentar

    Kunst & Schwarze Löcher mit Astrophysikerin Silke Britzen

    Was sieht eine Astrophysikerin in den Werken der Städel Sammlung? In diesem Gastkommentar eröffnet Silke Britzen (Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn) ihre individuelle Sichtweise auf die Kunstwerke im Städel Museum.