Mütterliche Gefühle mussten sich in der Kunst erst entwickeln: Im ausgehenden Mittelalter waren sie noch verhalten, später im Barock kaum zu bremsen. Zum Muttertag zeigen vier Italiener Herz – jeder auf seine Art.
Eine innige Umarmung, eine sanfte Berührung, ein liebevoller Blick – Künstler wussten schon früh die besondere Mutter-Kind-Beziehung zu verbildlichen. Der „Prototyp“ dieser Darstellung ist seit Jahrhunderten Maria mit dem Christuskind. Blickt man heute auf die Kunstgeschichte der letzten Jahrhunderte, würde man nicht glauben, dass die Mutter Gottes in der Bibel tatsächlich wenig Erwähnung findet. Im 5. Jahrhundert setzte eine starke Marienfrömmigkeit ein und mit ihr avancierte Maria zu der am häufigsten dargestellten Figur in der sakralen Kunst, später sogar zu einer Identifikationsfigur. Im Jahr 431 wurde die Rolle Marias als Gottesmutter offiziell zu einem grundlegenden Glaubenssatz erklärt und sie selbst zu einem Sinnbild für das Mysterium der christlichen Kirche: Erst durch Maria, die menschliche Mutter, ist der Gottessohn Mensch geworden und die Erlösungsgeschichte konnte ihren Lauf nehmen.
Es ist genau diese Menschlichkeit, die in der italienischen Malerei seit dem 14. Jahrhundert ihren Ausdruck findet – und zwar in der mütterlichen Liebe Marias. Wie die menschlichen Gefühle zwischen Maria und dem Christuskind im Laufe der Jahrhunderte zunächst subtil, schließlich sehr eindrucksvoll und intim dargestellt wurden, zeigen vier italienische Meister im Frankfurter Städel.
Das im ausgehenden Mittelalter entstandene Marienbild von Barnaba da Modena steht zwar noch ganz in der Tradition würdevoller, realitätsferner Ikonen, gleichzeitig deutet sich hier eine Entwicklung in der Vermenschlichung der Figuren an, die erst Jahrhunderte später ihren Höhepunkt erreichen soll. Doch noch sind die Gefühle verhalten, kaum merklich zeigt Barnaba erste Züge einer menschlichen Beziehung. Die Mutter Gottes und das Christuskind wenden sich beide den Betrachtern zu, doch ihre gegenseitige Nähe überträgt sich schon spürbar: Das Kind auf Marias Arm stützt einen Fuß auf ihre Hand und greift spielend nach dem anderen. Dabei schmiegt er sich vertrauensvoll an seine Mutter. Barnaba da Modena weiß die formale Eleganz einer byzantinischen Ikone mit seiner aufmerksamen Beobachtung von kleinkindlichem Verhalten zu verbinden. Die Menschlichkeit ist tief in die Körpersprache von Mutter und Kind eingeschrieben: ein geneigter Kopf, ein Spiel mit Händen und Füßen.
Die Renaissance entwickelte den Bildtypus der Madonna col bambino weiter. Der im 14. Jahrhundert aufkommende Humanismus revolutionierte die Religion und mit ihr die Kunst: Menschliche Gesten wurden zunehmend betont, und auch die innigen mütterlichen Gefühle Marias sollten noch stärker in den Vordergrund treten, genauso wie die Menschlichkeit des kleinen Christuskindes. In dieser Zeit wird auch die Familienkonstellation oft um Johannes den Täufer, den Vetter Jesu, erweitert. Das Frankfurter Bild aus der Botticelli-Werkstatt zeigt genau dieses Zusammenspiel, doch der jugendliche Johannes bleibt betender Beobachter der Szene: Maria und das Christuskind haben im wahrsten Sinne nur Augen füreinander. Das unbeschwerte Beisammensein von Mutter und Kind wird vor allem durch die Nähe ihrer Gesichter markiert. Hinzu kommen wieder die subtilen Gesten: Sie drückt den Kleinen sanft an ihre Brust, er stützt seine Füße an den Oberschenkel der Mutter und umschlingt ihren Hals.
Gänzlich anders ist die Stimmung in dem Frühwerk von Rosso Fiorentino, das auf uns heute – in seiner Zuspitzung der Figurenmimik und -Gestik – sogar komisch wirken mag. Diesmal ist Johannes Teil dieser verspielten, menschlichen Szene: Wackelig läuft der Christusknabe auf seinen Vetter zu, Maria bietet ihrem Sohn mit der einen Hand Halt, mit der anderen streicht sie durch seine blonden Locken. Rosso hält einen universalen kindlichen Moment fest, eine Realität, die man im 16. Jahrhundert genauso kannte wie wir heute. Die geröteten Wangen, die abstehenden Ohren und die verträumten Blicke der Kinder sehen zwar bizarr aus, unterstreichen aber gleichzeitig das Menschliche und Kleinkindhafte. Die christlichen Symbole, wie die Blumen oder der Kreuzstab, liegen beinahe unbeachtet auf dem Boden.
Durch die Gegenreformation erfährt der Marienkult einen erneuten Aufschwung, Maria wird zur vielleicht beliebtesten Figur der christlichen Kunst. Es kommen neue Marienbildtypen auf, wie die von den Engeln in den Himmel getragene Madonna. Gleichzeitig sollte die menschliche, emotionale Seite Mariens noch gesteigert werden. Das barocke Gemälde des Bologneser Malers Guercino liefert ein eindrucksvolles Beispiel dafür. Dieses ergreifende Andachtsbild fokussiert sich – diesmal ganz ohne christliche Symbole – in seiner Nahsicht nur auf die junge Mutter Gottes, die gerade ihren Sohn gestillt hat und ihn immer noch sanft an ihre entblößte Brust hält. Ihr Blick sowie die gesenkte Schulter verleihen dem Bild eine ruhige, vertrauensvolle Atmosphäre – als ob sie dem kleinen properen Christusknaben schaukelnd ein Schlaflied summen würde. Dieser stark realitätsnahen Malerei ist es möglich, einen innigen Mutter-Kind-Moment festzuhalten, der uns heute noch berührt. Es sind genau diese Momente, die eine besondere Mutter-Kind-Beziehung ausmachen – die Beziehung von Maria und dem kleinen Christus gehört ohne Zweifel zu den ganz besonderen ihrer Art.
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