„AD“ – kein anderes Monogramm ist in der Kunstwelt so bekannt. Es ist ein Markenzeichen. Beste Qualität, Innovation, humanistischer Geist. Unser Blogartikel zeigt, wie Albrecht Dürer diese Marke aufbaute und, wenn nötig, auch gegen Kopisten verteidigte.
Jeder BWL-Student lernt heute, was einen erfolgreichen Unternehmer ausmacht. Lassen sich vergleichbare Strukturen auch an Albrecht Dürers Werkstatt und Betrieb nachvollziehen? An der Schwelle vom 15. zum 16. Jahrhundert führte der Künstler von Nürnberg aus ein europaweit vernetztes, lukratives Unternehmen, das ihn zu einem der 100 reichsten Bürger Nürnbergs machte. Jahrzehntelang konzentrierte sich die Dürer-Forschung auf das künstlerische Genie des Meisters. In jüngerer Zeit steht auch ein anderer Aspekt seines Erfolgs im Fokus: Die ausgefeilte Führung seines Handwerkerbetriebs.
Dass der damals 23-jährige Albrecht Dürer (1471–1528) nach seiner vierjährigen Wanderzeit im Jahr 1494 nach Nürnberg zurückkehrte, spielt für den frühen Erfolg seines Vertriebs und seiner sich gerade in Gründung befindenden Werkstatt eine entscheidende Rolle. Seine Heimatstadt Nürnberg wird – zu der Zeit ein europäisches Handelszentrum – gerne als „Spinne im Netz“ bezeichnet. Ein ausdifferenzierter Markt und ein kapitales Umfeld bestehend aus Handwerkern, Handelsleuten, Bankiers, Verlegern und Gelehrten sowie die Möglichkeit, Räumlichkeiten im elterlichen Haus zu nutzen, bieten exzellente Bedingungen für Dürers junge Selbstständigkeit.
Schon Dürers erste Aufträge sind „dicke Fische“. Auf höchstem Niveau steigt Dürer ins Geschäft ein: Kurz nach seiner Rückkehr aus Italien malt er die „Sieben Schmerzen Mariens“ mit der Maria als Schmerzensmutter in der Bildmitte – wahrscheinlich ein Auftrag des Kurfürsten Friedrich III. den Weisen. Sowohl den Kurfürsten als auch Bürger seiner Heimatsstadt porträtierte er.
Nicht die Malerei, sondern die Druckgrafiken seien die Haupteinnahmequelle, behauptet Dürer in einem Brief an den wohlhabendenden Frankfurter Bürger Jakob Heller, Auftraggeber des nun in der Dürer-Ausstellung im Städel gezeigten „Heller-Altars“. Anders als die aufwendigen Malerei-Aufträge kann er die grafischen Arbeiten für den freien Markt herstellen. Entsprechend ausgewählt ist sein Sortiment und ebenso vorausplanend wie flexibel sein Angebot: kleine Holzschnitte mit religiösen oder volksnahen Motiven für das kleine Budget, andächtige Druckfolgen für das große. Mythologische Kupferstiche für die Humanisten, vielleicht in kleinerer Auflage. Hochqualifizierte, aber wenige Mitarbeiter sowie Kooperationen mit anderen Betrieben des zunftfreien Nürnbergs sichern Dürers Qualität – die Kunden, vor allem die Humanisten, sind anspruchsvoll. Passend zum Ende des 15. Jahrhunderts erscheint das Buch „Apokalypse“. Dessen innovative und feine Holzschnitte machen Dürer in ganz Europa bekannt. Sein Konzept geht auf.
Der Verkauf der Grafiken und Bücher erfolgt im eigenen Haus, auf Reisen, dem Nürnberger Markt oder durch ortsansässige Verleger. Neben diesen üblichen Vertriebswegen erweitert Dürer seinen Wirkungskreis durch eine risikoreiche Investition: Zwei Jahre nach Gründung seiner Werkstatt stellt er einen eigenen Kommissar an. Konrad Schweitzer soll „abtruck von kupffervndholtzwerckye von einem lannd zu dem anndernvnd von einer stat zu der anndern tragen, veil haben … vndyedentruck […] verkauffen“. Dieses Geschäft scheint sich zunächst auszuzahlen, doch durch den Tod eines Vertreibers in Rom macht Dürer große Verluste.
Weniger risikobelastet ist da der Vertrieb durch Dürers Mutter und durch seine Ehefrau Agnes. Diese verkaufen seine Werke auf auswärtigen Messen – unter anderen auch in Frankfurt im Jahr 1506, während der Meister selbst in Venedig weilt.
Dürer wird kopiert. Massiv kopiert. Um 1500 entspricht das Nachfertigen gefragter Grafiken den üblichen Marktgepflogenheiten. Der Meister ist einer der ersten, die sich ihr Monogramm schützen lassen, denn die Marke Dürer droht durch billige Plagiate zu verwässern. „Wehe dir, Betrüger und Dieb von fremder Arbeitsleistung und Einfällen, lass es dir nicht einfallen, deine dreisten Hände an diese Werke anzulegen!“, wettert Dürer in einem – durch keine anderen Quellen bestätigten – Druckprivileg, ausgestellt von Kaiser Maximilian I.. Dieses stellt er der Druckfolge des „Marienleben“ aus dem Jahr 1511 voran.
Damit baut er seinen Betrieb zur Marke aus. So verhindert Dürer, dass die zahlreichen Nachahmungen die Marktchancen eigener Produkte senken, indem sie mit diesen verwechselt werden oder durch falsche Auszeichnung den Ruf des Namens schädigen. Das „Marienleben“ wird zum ersten Fall, in der nicht nur der Arbeitsaufwand des Entwerfens, sondern auch der künstlerische Einfall als schützenswert empfunden wird.
Diese Idee greift der italienische Künstlerbiograf Vasari (1511–1574) in seinen berühmten „Viten“ auf. Er berichtet von dem – ebenfalls nicht belegten– ersten Urheberrechtsstreit der Rechts- und Kunstgeschichte: Beim Anblick der Kopien Marcanton Raimondis sei Dürer so erbost gewesen, dass er augenblicklich nach Venedig fuhr, um diesen zu verklagen. Auch wenn diese Erzählung anzuzweifeln ist, verdeutlicht sie, welches Aufsehen Dürers Einsatz für den Schutz der eigenen künstlerischen Leistung erregte. Und sie unterstreicht Dürers Unternehmergeist: Heute wird nicht ausgeschlossen, dass er mit Raimondi und dessen Verleger gemeinsame Sache machte, um der Nachfrage auf dem italienischen Markt nachzukommen. Denn trotz der vielen Kopisten: zu oft war Dürer ausverkauft.
Aktuelle Ausstellungen, digitale Angebote und Veranstaltungen kompakt. Mit dem Städel E-Mail-Newsletter kommen die neuesten Informationen regelmäßig direkt zu Ihnen.