Der Bildhauer Hans Mettel machte in der Nachkriegszeit Karriere an der Städelschule und wurde für bedeutende Kunstprojekte im öffentlichen Raum beauftragt. Wie ging er dabei vor? Die Ausstellung „Herausragend!“ ermöglicht einen Blick über seine Schulter – vom Entwurf in Din A4 bis zur großen Ausführung.
Am Ende des Zweiten Weltkriegs bedeckten über 17 Millionen Kubikmeter Schutt das stark zerstörte Stadtgebiet Frankfurts. Der Wieder- bzw. Neubau von Gebäuden unterschiedlichster Funktionen war eine herkulische Aufgabe. Auch am Städel Museum und der Städelschule begannen die entsprechenden Arbeiten. So erklärt sich, dass man dem Bildhauer Hans Mettel (1903–1966) 1947 mit Antritt seiner Stelle als Fachlehrer an der Städelschule als erste Aufgabe die Wiederherstellung der beschädigten Atelierräume der Bildhauerklasse übertrug. Mit dem Aufbau einher ging Mettels beruflicher Aufstieg: 1948 wurde aus dem Fachlehrer der Professor für Bildhauerei und zwischen 1950 und 1955 der Direktor der Städelschule.
In den 1950er-Jahren schuf Mettel mehrere monumentale Reliefs – eine in der Zeit des Wiederaufbaus weit verbreitete Aufgabe. So wirkte er an der künstlerischen Ausgestaltung von Kirchenneubauten bzw. Wiederaufbauten der im Krieg zerstörten Frankfurter Kirchen mit, beispielsweise mit den sogenannten Kerbreliefs an der Allerheiligen-Kirche und mit einem Außenrelief am Frankfurter Dom.
In diese Phase fielen für Mettel – wie für alle bundesrepublikanischen Künstler – zahlreiche wichtige Ereignisse. Die in den westlichen Besatzungszonen praktizierte Politik der Entnazifizierung und Umerziehung verknüpfte man eng mit kulturellen Maßnahmen. In England war dies die Aufgabe des international agierenden British Council. Dazu gehörte die Konzeption von Ausstellungen ausgesuchter britischer Künstlerinnen und Künstler, die in zahlreichen Städten Europas präsentiert wurden. So war beispielsweise ab 1950 in hoher Dichte das Werk Henry Moores (1898–1986) zu sehen: 1953 machte eine solche, vom British Council organisierte Wanderausstellung Station im Städel Museum.
Moore wurde kurz darauf mit seinen abstrahierenden Figuren ebenfalls auf der erstmals 1955 in Kassel ausgerichteten Kunstschau documenta gefeiert.
Diese Präsentationen hinterließen einen tiefen Eindruck bei seinen westdeutschen Künstlerkollegen. 1950 schrieb der Bildhauer Richard Scheibe an seinen Kollegen Gerhard Marcks: „Hier moort die ganze Innung“.
Auch Hans Mettel blieb nicht unberührt. Im Oktober 1954 reiste er nach England, ein Besuch bei Moore stand dabei auf der Agenda. Eine intensive Auseinandersetzung mit Henry Moores berühmtem Motiv der Liegenden - in der Ausstellungsansicht von 1953 zu sehen – zeigte sich 1962 deutlich bei Mettels letzter großen profanen Auftragsarbeit. Noch während des Baus wurde er mit der künstlerischen Ausstattung des Brunnenraums im Verwaltungsgebäude der August-Thyssen-Hütte AG in Duisburg-Hamborn betraut.
Mettel schuf zwei sich gegenüberstehende Reliefs: Eine Welle und eine Liegende. Die stark abstrahierte Liegende im wandfüllenden Format von 175 x 485 cm (Abb. 4) hatte der Künstler zunächst in der Länge eines DIN A 4 Blattes (12,3 x 31,5 x 3 cm) entwickelt und in Gips gegossen. Dieser Gipsguss ist als Teil einer Gruppe von Entwürfen für monumentale Wandreliefs aus der Hand von Henry Moore, Ben Nicholson, Barbara Hepworth und weiterer Hans Mettels in unserer Ausstellung zu sehen.
Alle diese Werke eint, dass nicht nur die Größe, sondern auch das dafür verwendete Werkmaterial eklatant von der jeweils finalen Ausführung abweicht. Ein Blick auf die Entwürfe gleicht damit einem Blick über die Schulter des Künstlers im Jahr 1962, der sich in seinem Schaffensprozess diesen komplexen Herausforderungen stellte.
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