„Blinded by Rembrandt“ – die Podcast-Serie mit Michel Abdollahi: Vier Folgen zu nur einem Bild. Rembrandts „Die Blendung Simsons“ ist nicht nur besonders brutal, sondern auch besonders faszinierend.
Bei der Idee, einen Podcast zu einem der faszinierendsten und gleichzeitig gewaltvollsten Bilder aus der Sammlung des Städel Museum zu produzieren, wussten wir schon, dass viele unglaublich spannende Geschichten in diesem Bild stecken: Dass der „Alte Meister“ näher an unserer Gegenwart ist als vermutet und dass es sich lohnt, auch die blinden Flecken des Barockgemäldes genauer zu beleuchten.
Was haben Gemälde aus vergangenen Zeiten heute noch mit uns zu tun und wie wird Kunstgeschichte aus einer gegenwärtigen Perspektive neu gedacht und erzählt? Der neue Städel Podcast sollte das am Beispiel eines Meisterwerks hörbar machen. Schnell war klar, dass wir dieses Abenteuer mit Michel Abdollahi antreten wollen. Moderator, Journalist, Autor, Künstler und Tausendsassa – mit viel Charme, Empathie und großer Neugier. Unter diesen Voraussetzungen, gepaart mit unserer Expertise in der digitalen Kunstvermittlung und unseren kreativen Ideen, legte er los. Wir finden, unser Mut wurde belohnt und schauen gerne zurück auf die gemeinsame Reise.
Im Gespräch mit Michel Abdollahi blicken wir noch einmal auf den Entstehungsprozess zu „Blinded by Rembrandt“.
Du hast damals gleich zugesagt, warum eigentlich?
Ein so altes Bild, das noch nicht zu Ende analysiert ist, hat mich unglaublich gereizt. Außerdem konnte ich endlich wieder das machen, was ich am liebsten mache, nämlich mich mit Kunst zu beschäftigen, statt den ganzen Tag mit Hass und Hetze.
Was waren deine Gedanken, als du „Die Blendung Simsons“ zum ersten Mal live im Museum gesehen hast?
Ich dachte, wenn ich nicht den Auftrag bekommen hätte, dieses Bild näher zu beleuchten, dann hätte es mir wahrscheinlich nur kurz angeschaut und wäre dann weitergegangen. Simon, Delilah, Philister, interessant, nicken, keine Ahnung, wer das alles ist, weitergehen. Und das wäre ein Fehler gewesen.
Welche Gesprächspartnerin oder welcher Gesprächspartner ist dir am meisten im Gedächtnis geblieben und warum?
Ich würde den vielen tollen Menschen, mit denen ich gesprochen habe, Unrecht tun, wenn ich da jetzt jemanden hervorheben würde. Jede und jeder hatte einen anderen Zugang zu dem Bild und das hat meine Sicht darauf immer wieder verändert. Ohne einen Namen zu nennen: Das letzte Interview bleibt mir im Gedächtnis, auch weil es dann vorbei war und etwa Wehmut einsetze. Ich wollte nicht, dass es endet!
Was war dein größtes Abenteuer im Entstehungsprozess des Podcasts?
Ich hatte immer eine kleine Version des Bildes bei mir. Ich hatte es auf Leinwand gezogen und schön gerahmt. Egal wo ich war, es war ja immer dabei in meiner Hand. Und alle schauten. Ob in der Bahn, im Hotel, im Taxi, es sind viele schöne Gespräche entstanden. Die Rabbinerin Elisa Klapheck war gar so angetan von dem kleinen Bild, sie wollte es unbedingt haben. Am Ende habe ich es im Hotelzimmer vergessen. Ich hatte es an die Wand gestellt, um es immer sehen zu können, und als ich ging, ist es mir dann wohl nicht mehr aufgefallen, weil es sich so gut eingebettet hatte. Es ist bisher auch nicht wieder aufgetaucht. Ich glaube, es steht immer noch in dem Zimmer und alle denken, es gehört da hin.
Was würdest du sagen, ist das Alleinstellungsmerkmal von „Blinded by Rembrandt“?
Ich glaube nicht, dass es so viele Bilder aus dieser Zeit gibt, die den heutigen Konflikt zwischen Ost und West, Themen wie Rassismus, kulturelle Aneignung, Verrat, Hass, Liebe und irgendwo auch künstlerische Überspitzung und damit einen Aspekt der Satirefreiheit so in sich vereinen wie dieses Bild. Wie gesagt, ich wäre wahrscheinlich dran vorbeigegangen, ohne all das zu sehen, obwohl es so groß und mächtig ist. Auch wenn man lesen kann, ist es manchmal hilfreich, wenn jemand einem trotzdem damit hilft, den Text zu verstehen. Und dann entstehen wahre Wunder. Wie bei diesem Bild.
Wie hat die Arbeit an „Blinded by Rembrandt“ deinen Blick auf Alte Meister verändert?
Ich wurde wieder mal darin bestätigt, nicht zu schauen, sondern auch zu hören, zu lesen und nach einem multiperspektivischen Zugang zu suchen. Natürlich kann man auch nur beobachten, flüchtig schauen, etwas nur schön und hässlich finden. Aber es wäre schade um die Geschichte dahinter. Die Alten Meister wurden von den Beobachtern früher anders verstanden als heute. Ihre Bilder erzählten ganze Geschichten. Heute ist viel von diesem Wissen, zumindest in der Breite der Gesellschaft, verloren gegangen. Das ist schade. Denn die Bilder sind viel mehr als alte Gemälde. Im Fall der Blendung dazu auch noch aktueller denn je. Oder eben nie inaktuell.
Hast du mit „Die Blendung Simsons“ jetzt ein neues Lieblingsbild?
Haha, gezwungenermaßen schon. Ein Druck hängt bei mir im Büro. Ich habe dieses Bild ja monatelang Stunden über Stunden angeschaut, jeden Quadratzentimeter immer und immer wieder begutachtet. Als der Podcast gesendet wurde, wollte ich es abhängen und auf meiner Tafel wieder Platz machen. Aber es ging nicht. Es hängt hier immer noch und ich schaue es mir beim Beantworten dieser Fragen an. Ich glaube, es bleibt.
Was hast Du aus den Gesprächen für Dich mitgenommen?
Der alte Satz „Kunst um der Kunst willen“ stimmt nicht immer. Man könnte auch sagen: Rembrandt fand diese Szene einfach schön, deshalb hat er sie gemalt. Da ist nicht mehr und nicht weniger. Das stimmt aber nicht. Es ist unmöglich, dass jemand so viel Symbolik offen und versteckt in einem Bild unterbringt. Der Mann wollte uns etwas sagen, vielleicht haben die Menschen im Amsterdam des 17. Jahrhunderts es damals besser verstanden als wir heute, aber es gibt Dinge, die bis heute im Verborgenen geblieben sind. Auf die wollte ich die Scheinwerfer richten.
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