200 Jahre Städel und 651.036 Besucher: 2015 war ein Rekordjahr. Auch für 2016 haben wir uns viel vorgenommen. Worauf Ihr Euch jetzt schon freuen könnt, zeigt unser Ausblick.
Es rumort bereits im Untergrund. Nur noch wenige Wochen, dann kommt es zur tektonischen Verschiebung: Am 24. Februar wandert Italien in den Norden, Florenz nach Frankfurt am Main. Und die Italiener werden sich von ihrer besten Seite zeigen: elegant, kreativ, eigensinnig.
„Maniera. Pontormo, Bronzino und das Florenz der Medici“ ist die erste große Ausstellung des italienischen Manierismus in Deutschland – einer Stilepoche, die eingeläutet wurde, als es eigentlich nicht mehr besser ging. Leonardo, Michelangelo und Raffael hatten in Rom der (mittlerweile Hoch-)Renaissance die Krone aufgesetzt, da rückte ein anderes Kunstzentrum wieder auf: Der Mäzenaten-Clan der Medici kehrte 1512 nach Florenz zurück, die Stadt erlebte eine neue Blüte, auch künstlerisch. Eine junge Künstlergeneration – allesamt selbstbewusste Individualisten – trat auf den Plan: Jacopo Pontormo, Agnolo Bronzino, Andrea del Sarto, Rosso Fiorentino und Giorgio Vasari.
Letzterer war es auch, der später als Chronist dieser neuen Epoche den Begriff maniera (abgeleitet vom italienischen mano = Hand) prägte. Nie zuvor war die persönliche Handschrift, die Manier des Künstlers so wichtig gewesen. Viele der Bildlösungen erscheinen heute noch besonders speziell, manchmal bizarr. Sie waren auch für manchen Künstler der Moderne ein Vorbild. Nicht zuletzt kommt der Manierismus unserem gegenwärtigen individualistischen Selbstverständnis ziemlich nahe. Das Städel stellt dieses zentrale Kapitel der italienischen Kunstgeschichte anhand von rund 120 Leihgaben aus den bedeutendsten Gemäldesammlungen der Welt in seiner ganzen Bandbreite vor.
Ein Liebhaber und Sammler manieristischer Druckgrafik ist übrigens Georg Baselitz (*1938) – womit wir bei einem zeitgenössischen Künstler mit eigener Handschrift und einem weiteren Ausstellungshighlight wären: „Georg Baselitz. Die Helden“.
1965 begann Baselitz seine Werkgruppe der „Helden“ und „Neuen Typen“, die heute als Schlüsselwerk der deutschen Kunst der 1960er-Jahre gilt. In explosionsartiger Produktivität und innerhalb kurzer Zeit schuf der damals erst 27-jährige Baselitz Dutzende monumentale Gemälde und Grafiken. Rund 70 davon zeigt die von Max Hollein kuratierte Städel Ausstellung ab dem 30. Juni.
Was aber sind das für Helden? Die Idee des Heldentums war im Nachkriegsdeutschland mehr als zweifelhaft geworden, figurative Malerei schien ebenso abwegig. Baselitz’ Figuren sind zwar riesenhaft und eindrücklich, wirken gleichzeitig aber resigniert und gescheitert. Die Kleidung zerschlissen, die Körper lädiert stellen sie das Konzept, das sie verkörpern, infrage – und spiegeln die widersprüchliche Gesellschaft, in deren Kontext sie entstanden sind.
Etwa zur selben Zeit – Baselitz hatte gerade die „Helden“-Serie beendet – verlegte der Kunststudent Sigmar Polke (1941–2010) seine erste Druckgrafik „Freundinnen“. Die Graphische Sammlung zeigt ab 2. März diese und weitere unter dem Titel „Sigmar Polke. Frühe Druckgrafiken“.
Radierungen und andere „hochwertige“ Verfahren wird man in dieser Ausstellung nicht finden. Polkes Medium der Wahl war der Offsetdruck, eine Technik, so trivial und anspruchslos, dass sie bis dahin wohl kaum jemand als künstlerisch bezeichnet hätte.
Die Verweigerung war bei Polke kalkuliert, durch sie transportierte er seine Kommentare zu Kunst und Gesellschaft. Außerdem förderte der Offsetdruck sein liebstes Bildelement zutage: das Raster. Dazu Polke: „Die Punkte sind meine Brüder“ oder auch „Mit vielen Punkten bin ich verheiratet.“ Was denn nun? „Ich bin auch ein Punkt.“ Na, dann. Setzen wir an dieser Stelle einen Punkt und gehen zur nächsten Ausstellung.
Sie gehören zu den Glanzstücken früher deutscher Malerei: Die Flügel des Altenberger Altars befinden sich seit 1925 in der Sammlung des Städel. Ursprünglich waren sie Teil eines fast fünf Meter breiten Retabels, das den Altar des Altenberger Klosters an der Lahn seit 1330 schmückte. Die Ausstattung kombinierte Malerei, Bildhauerei, Textilien und Goldschmiedekunst zu einem komplexen ikonografischen Gesamtkonzept.
Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Kloster säkularisiert – und die Elemente des Ensembles bis nach New York und Sankt Petersburg zerstreut. In der Ausstellung „Schaufenster des Himmels. Der Altenberger Altar und seine Bildausstattung“ können sie erstmals seit rund 200 Jahren wieder zusammengeführt werden. Wie die verschiedenen Komponenten damals zusammenspielten, ist ab 15. Juni im Städel nachzuvollziehen.
Frankfurt steuert auf die Buchmesse zu, Flandern hat dieses Jahr einen Gastauftritt, auch im Städel. Hier widmet sich der belgische Künstler David Clearbout (*1969) einem der populärsten „Bücher“ überhaupt, genauer gesagt seiner Disney-Adaption. Das eigens für den Städel Garten entwickelte 60-minütige Video ist ein Remake des Dschungelbuchs – mit einer entscheidenden Abwandlung: Balu, Baghira, Kaa und Shir Khan werden ihrer vermenschlichten Wesenszüge beraubt und streunen nun wie ihre Artgenossen durch den Dschungel.
Jede volle Stunde endet mit der finalen Filmszene, dann geht es wieder von vorne los. Wenn der Spätsommer nach der Claerbout-Uhr tickt, probieren auch wir’s mal mit Gemütlichkeit.
Edle Damen und Herren, verliebte Paare und heitere Gemeinschaften vor arkadischer Kulisse – die Schäferstücke und „Fêtes galantes“ von Antoine Watteau (1684–1721) transportieren subtil ihre zwischenmenschlichen und amourösen Botschaften. Ein genauer Blick auf die reizenden Szenen lohnt jedenfalls. Der Rokoko-Maler muss ein einfühlsamer Beobachter gewesen sein.
Diese Vermutung bestätigt sich in Watteaus Zeichnungen: In seinen Studien in roter, schwarzer und weißer Kreide hielt er weibliche und männliche Modelle, Details und spontane Einfälle fest. Ihnen widmet das Städel ab Oktober eine ganze Ausstellung. „Antoine Watteau. Zeichnungen“ zeigt neben 50 Grafiken auch Gemälde sowie Arbeiten seiner Nachfolger. Denn Watteau zählt zu den großen Erneuerern der französischen Kunst. Gerade seine leichten und spontanen Zeichnungen atmen bereits den Geist der beginnenden Aufklärung.
November, das Jahr neigt sich dem Ende zu. Und hier im Städel? Von Ermüdungserscheinung keine Spur. Die letzte große Ausstellung 2016 rüstet noch einmal richtig auf: „Geschlechterkampf. Franz von Stuck bis Frida Kahlo“.
Die Zuschreibungen waren klar verteilt: aktiv, rational, Kulturmensch – Mann. Passiv, emotional, Naturwesen – Frau. Doch mit der Moderne entwickelten sich auch neue Geschlechtervorstellungen. Was die einen untermauerten, dekonstruierten die anderen. Dazu war jedes Mittel recht: Ironie, Maskerade, Überzeichnung, Hybridisierung.
Das Thema ist hochaktuell, so intensiv wie in den letzten Jahren wurde nie über Genderfragen diskutiert. 140 Gemälde, Skulpturen, Grafiken, Fotografien und Filme aus der Zeit von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg zeigen, dass das Verhältnis der Geschlechter auch damals kein festgeschriebenes war.
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