Navigation menu

Highlights 2016

200 Jahre Städel und 651.036 Besucher: 2015 war ein Rekordjahr. Auch für 2016 haben wir uns viel vorgenommen. Worauf Ihr Euch jetzt schon freuen könnt, zeigt unser Ausblick.

Sarah Omar — 8. Januar 2016

Kapriziöse Italiener – die Manieristen

Es rumort bereits im Untergrund. Nur noch wenige Wochen, dann kommt es zur tektonischen Verschiebung: Am 24. Februar wandert Italien in den Norden, Florenz nach Frankfurt am Main. Und die Italiener werden sich von ihrer besten Seite zeigen: elegant, kreativ, eigensinnig.

Agnolo Bronzino, Bildnis einer Dame in Rot (Francesca Salviati?), um 1533, Frankfurt am Main, Städel Museum, Foto: Städel Museum - Artothek

Agnolo Bronzino (1503–1572); Bildnis einer Dame in Rot (Francesca Salviati?), um 1533; Öl auf Pappelholz, 89,8 x 70,5 cm; Städel Museum, Frankfurt am Main; Foto: Städel Museum – ARTOTHEK

Maniera. Pontormo, Bronzino und das Florenz der Medici“  ist die erste große Ausstellung des italienischen Manierismus in Deutschland – einer Stilepoche, die eingeläutet wurde, als es eigentlich nicht mehr besser ging. Leonardo, Michelangelo und Raffael hatten in Rom der (mittlerweile Hoch-)Renaissance die Krone aufgesetzt, da rückte ein anderes Kunstzentrum wieder auf: Der Mäzenaten-Clan der Medici kehrte 1512 nach Florenz zurück, die Stadt erlebte eine neue Blüte, auch künstlerisch. Eine junge Künstlergeneration – allesamt selbstbewusste Individualisten – trat auf den Plan: Jacopo Pontormo, Agnolo Bronzino, Andrea del Sarto, Rosso Fiorentino und Giorgio Vasari.

Letzterer war es auch, der später als Chronist dieser neuen Epoche den Begriff maniera (abgeleitet vom italienischen mano = Hand) prägte. Nie zuvor war die persönliche Handschrift, die Manier des Künstlers so wichtig gewesen. Viele der Bildlösungen erscheinen heute noch besonders speziell, manchmal bizarr. Sie waren auch für manchen Künstler der Moderne ein Vorbild. Nicht zuletzt kommt der Manierismus unserem gegenwärtigen individualistischen Selbstverständnis ziemlich nahe. Das Städel stellt dieses zentrale Kapitel der italienischen Kunstgeschichte anhand von rund 120 Leihgaben aus den bedeutendsten Gemäldesammlungen der Welt in seiner ganzen Bandbreite vor.

Gebrochene Helden – Georg Baselitz

Ein Liebhaber und Sammler manieristischer Druckgrafik ist übrigens Georg Baselitz (*1938) – womit wir bei einem zeitgenössischen Künstler mit eigener Handschrift und einem weiteren Ausstellungshighlight wären: „Georg Baselitz. Die Helden“.

1965 begann Baselitz seine Werkgruppe der „Helden“ und „Neuen Typen“, die heute als Schlüsselwerk der deutschen Kunst der 1960er-Jahre gilt. In explosionsartiger Produktivität und innerhalb kurzer Zeit schuf der damals erst 27-jährige Baselitz Dutzende monumentale Gemälde und Grafiken. Rund 70 davon zeigt die von Max Hollein kuratierte Städel Ausstellung ab dem 30. Juni.

Georg Baselitz (*1938); Versperrter Maler, 1965; Öl auf Leinwand, 162 x 130 cm; Duisburg, Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Sammlung Ströher; © Georg Baselitz

Georg Baselitz (*1938); Versperrter Maler, 1965; Öl auf Leinwand, 162 x 130 cm; Duisburg, Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Sammlung Ströher; © Georg Baselitz

Was aber sind das für Helden? Die Idee des Heldentums war im Nachkriegsdeutschland mehr als zweifelhaft geworden, figurative Malerei schien ebenso abwegig. Baselitz’ Figuren sind zwar riesenhaft und eindrücklich, wirken gleichzeitig aber resigniert und gescheitert. Die Kleidung zerschlissen, die Körper lädiert stellen sie das Konzept, das sie verkörpern, infrage – und spiegeln die widersprüchliche Gesellschaft, in deren Kontext sie entstanden sind.

Sigmar Polke. Punkt.

Etwa zur selben Zeit – Baselitz hatte gerade die „Helden“-Serie beendet – verlegte der Kunststudent Sigmar Polke (1941–2010) seine erste Druckgrafik „Freundinnen“. Die Graphische Sammlung zeigt ab 2. März diese und weitere unter dem Titel „Sigmar Polke. Frühe Druckgrafiken“.

Sigmar Polke (1941-2010); Wochenendhaus, 1967/1968; Siebdruck in Schwarz, Rot und Grün auf Karton; Sammlung Deutsche Bank im Städel Museum; Städel Museum, Frankfurt am Main; © VG Bild-Kunst, Bonn 2015

Sigmar Polke (1941-2010); Wochenendhaus, 1967/1968; Siebdruck in Schwarz, Rot und Grün auf Karton; Sammlung Deutsche Bank im Städel Museum; Städel Museum, Frankfurt am Main; © VG Bild-Kunst, Bonn 2015

Radierungen und andere „hochwertige“ Verfahren wird man in dieser Ausstellung nicht finden. Polkes Medium der Wahl war der Offsetdruck, eine Technik, so trivial und anspruchslos, dass sie bis dahin wohl kaum jemand als künstlerisch bezeichnet hätte.

Die Verweigerung war bei Polke kalkuliert, durch sie transportierte er seine Kommentare zu Kunst und Gesellschaft. Außerdem förderte der Offsetdruck sein liebstes Bildelement zutage: das Raster. Dazu Polke: „Die Punkte sind meine Brüder“ oder auch „Mit vielen Punkten bin ich verheiratet.“ Was denn nun? „Ich bin auch ein Punkt.“ Na, dann. Setzen wir an dieser Stelle einen Punkt und gehen zur nächsten Ausstellung.

Wiedersehen nach 200 Jahren – der Altenberger Altar

Sie gehören zu den Glanzstücken früher deutscher Malerei: Die Flügel des Altenberger Altars befinden sich seit 1925 in der Sammlung des Städel. Ursprünglich waren sie Teil eines fast fünf Meter breiten Retabels, das den Altar des Altenberger Klosters an der Lahn seit 1330 schmückte. Die Ausstattung kombinierte Malerei, Bildhauerei, Textilien und Goldschmiedekunst zu einem komplexen ikonografischen Gesamtkonzept.

Altenberger Flügelretabel, um 1330 (Fotomontage); © Städel Museum, Frankfurt am Main

Altenberger Flügelretabel, um 1330 (Fotomontage); © Städel Museum, Frankfurt am Main

Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Kloster säkularisiert – und die Elemente des Ensembles bis nach New York und Sankt Petersburg zerstreut. In der Ausstellung „Schaufenster des Himmels. Der Altenberger Altar und seine Bildausstattung“ können sie erstmals seit rund 200 Jahren wieder zusammengeführt werden. Wie die verschiedenen Komponenten damals zusammenspielten, ist ab 15. Juni im Städel nachzuvollziehen.

Gegenwartskunst im Städel Garten – David Claerbout

Frankfurt steuert auf die Buchmesse zu, Flandern hat dieses Jahr einen Gastauftritt, auch im Städel. Hier widmet sich der belgische Künstler David Clearbout (*1969) einem der populärsten „Bücher“ überhaupt, genauer gesagt seiner Disney-Adaption. Das eigens für den Städel Garten entwickelte 60-minütige Video ist ein Remake des Dschungelbuchs – mit einer entscheidenden Abwandlung: Balu, Baghira, Kaa und Shir Khan werden ihrer vermenschlichten Wesenszüge beraubt und streunen nun wie ihre Artgenossen durch den Dschungel.

Jede volle Stunde endet mit der finalen Filmszene, dann geht es wieder von vorne los. Wenn der Spätsommer nach der Claerbout-Uhr tickt, probieren auch wir’s mal mit Gemütlichkeit. 

David Claerbout (*1969); Untitled (anonymous); Storyboard Layout 16; © VG Bild-Kunst, Bonn 2015

David Claerbout (*1969); Untitled (anonymous); Storyboard Layout 16; © VG Bild-Kunst, Bonn 2015

Der Beobachter – Antoine Watteau

Edle Damen und Herren, verliebte Paare und heitere Gemeinschaften vor arkadischer Kulisse – die Schäferstücke und „Fêtes galantes“ von Antoine Watteau (1684–1721) transportieren subtil ihre zwischenmenschlichen und amourösen Botschaften. Ein genauer Blick auf die reizenden Szenen lohnt jedenfalls. Der Rokoko-Maler muss ein einfühlsamer Beobachter gewesen sein.

Antoine Watteau; Zwei Pilger und eine stehende Frau im Profil, 1710; Studienblatt; Städel Museum; Foto: Städel Museum

Antoine Watteau; Zwei Pilger und eine stehende Frau im Profil, 1710; Studienblatt; Städel Museum; Foto: Städel Museum

Diese Vermutung bestätigt sich in Watteaus Zeichnungen: In seinen Studien in roter, schwarzer und weißer Kreide hielt er weibliche und männliche Modelle, Details und spontane Einfälle fest. Ihnen widmet das Städel ab Oktober eine ganze Ausstellung. „Antoine Watteau. Zeichnungen“ zeigt neben 50 Grafiken auch Gemälde sowie Arbeiten seiner Nachfolger. Denn Watteau zählt zu den großen Erneuerern der französischen Kunst. Gerade seine leichten und spontanen Zeichnungen atmen bereits den Geist der beginnenden Aufklärung.

Unklare Fronten – Kampf der Geschlechter

November, das Jahr neigt sich dem Ende zu. Und hier im Städel? Von Ermüdungserscheinung keine Spur. Die letzte große Ausstellung 2016 rüstet noch einmal richtig auf: „Geschlechterkampf. Franz von Stuck bis Frida Kahlo“.

Franz von Stuck, (1863–1928); Adam und Eva, nach 1920; Öl auf Holz, 98 x 93,5 cm; Städel Museum, Frankfurt am Main; Foto: Städel Museum – ARTOTHEK

Franz von Stuck (1863–1928); Adam und Eva, nach 1920; Öl auf Holz, 98 x 93,5 cm; Städel Museum, Frankfurt am Main; Foto: Städel Museum – ARTOTHEK

Die Zuschreibungen waren klar verteilt: aktiv, rational, Kulturmensch – Mann. Passiv, emotional, Naturwesen – Frau. Doch mit der Moderne entwickelten sich auch neue Geschlechtervorstellungen. Was die einen untermauerten, dekonstruierten die anderen. Dazu war jedes Mittel recht: Ironie, Maskerade, Überzeichnung, Hybridisierung.

Das Thema ist hochaktuell, so intensiv wie in den letzten Jahren wurde nie über Genderfragen diskutiert. 140 Gemälde, Skulpturen, Grafiken, Fotografien und Filme aus der Zeit von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg zeigen, dass das Verhältnis der Geschlechter auch damals kein festgeschriebenes war.


Die Autorin Sarah Omar arbeitet in der Onlinekommunikation. Das Städel ist für 2016  schon wesentlich besser durchgeplant als sie selbst.

Diskussion

Fragen oder Feedback? Schreiben Sie uns!

Mehr Stories

  • Die Ausstellungen im Städel

    Highlights 2024

    Unser Ausblick auf 2024: Freut euch auf faszinierende Werke von Honoré Daumier und Käthe Kollwitz, lernt die Städel / Frauen kennen, entschlüsselt die Bildwelten von Muntean/Rosenblum, erlebt die Faszination italienischer Barockzeichnungen und reist zurück in Rembrandts Amsterdam des 17. Jahrhunderts.

  • Gastkommentar

    Kunst & Rechtsgeschichte mit Rechtshistoriker Stefan Vogenauer

    Was sieht ein Rechtshistoriker in den Werken der Städel Sammlung? In diesem Gastkommentar eröffnet Stefan Vogenauer (Direktor am Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie) seine individuelle Sichtweise auf die Kunstwerke im Städel Museum. 

  • Pablo Picasso, Violine (Violon), 1915, Musée national Picasso, Paris, © Paris, Musée national Picasso - Paris, bpk | RMN - Grand Palais | Béatrice Hatala
    Die Ausstellungen im Städel

    Highlights 2023

    Von einer fotografischen Reise quer durch Italien, über wortwörtlich Herausragendes in der Kunst – mit dabei Rodin, Picasso und Matisse – bis hin zur Renaissance im Norden: Unser Ausblick auf das Kunstjahr 2023!

  • Die Ausstellungen im Städel

    Highlights 2022

    Ein großer Name erwartet uns im Frühjahr und gibt schon einen Hinweis, in welcher Dimension es weiter geht: 2022 warten auf euch große Persönlichkeiten, große Wiederentdeckungen und große Lebensfragen. Freut euch auf „RENOIR. ROCOCO REVIVAL“ und ein Jahr voller Highlights!

  • Die Ausstellungen im Städel

    Highlights 2020

    Nach van Gogh ist vor Rembrandt? Fast, aber das ist noch lange nicht alles, was das Städel zum Auftakt des neuen Jahrzehnts zu bieten hat: unser Ausblick auf 2020.

Newsletter

Wer ihn hat,
hat mehr vom Städel.

Aktuelle Ausstellungen, digitale Angebote und Veranstaltungen kompakt. Mit dem Städel E-Mail-Newsletter kommen die neuesten Informationen regelmäßig direkt zu Ihnen.

Beliebt

  • Städel | Frauen

    Marie Held: Kunsthändlerin!

    Teil 5 der Porträt-Reihe „Städel | Frauen“.

  • Fantasie & Leidenschaft

    Eine Spurensuche

    Bei der Untersuchung von über 100 italienischen Barockzeichnungen kamen in der Graphischen Sammlung bislang verborgene Details ans Licht.

  • Städel Mixtape

    Kann man Kunst hören?

    Musikjournalistin und Moderatorin Liz Remter spricht über Ihre Arbeit und den Entstehungsprozess des Podcasts.

  • Städel | Frauen

    Künstlerinnen-Netzwerke in der Moderne

    Kuratorin Eva-Maria Höllerer verdeutlicht, wie wichtig Netzwerke für die Lebens- und Karrierewege von Künstlerinnen um 1900 waren und beleuchtet deren Unterstützungsgemeinschaften.

  • Muntean/Rosenblum

    Nicht-Orte

    Anonyme Räume, flüchtige Begegnungen: Kuratorin Svenja Grosser erklärt, was es mit Nicht-Orten auf sich hat.

  • Städel Mixtape

    #42 Albrecht Dürer - Rhinocerus (Das Rhinozeros), 1515

    Ein Kunstwerk – ein Soundtrack: Der Podcast von Städel Museum und ByteFM.

  • Alte Meister

    Sammler, Stifter, Vorbild

    Sammlungsleiter Bastian Eclercy und Jochen Sander im Interview zum neuen Stifter-Saal.

  • ARTEMIS Digital

    Digitales Kunsterlebnis trifft wegweisende Demenz-Forschung

    Wie sieht eine digitale Anwendung aus, die Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zeit- und ortsungebunden einen anregenden Zugang zur Kunst ermöglicht? Ein Interview über das Forschungsprojekt ARTEMIS, über Lebensqualität trotz Krankheit und die Kraft der Kunst.

  • Städel Dach

    Hoch hinaus

    Die Architekten Michael Schumacher und Kai Otto sprechen über Konzept, Inspirationen und die Bedeutung des Städel Dachs für Besucher und die Stadt.

  • Gastkommentar

    Kunst und die innere Uhr mit Chronobiologe Manuel Spitschan

    Was sieht ein Chronobiologe in den Werken der Städel Sammlung?

  • Städel Digital

    Städel Universe: Von der Idee zum Game

    Im Interview gibt Antje Lindner aus dem Projektteam Einblicke in die Entstehung der hybriden Anwendung.

  • Engagement

    Die „Causa Städel“

    Was an Städels letztem Willen so besonders war und worauf man heute achten sollte, wenn man gemeinnützig vererben möchte.