In Anknüpfung an die Ausstellung Fotografien werden Bilder. Die Becher-Klasse zeigt die Sonderpräsentation Fotografische Objekte Kunstwerke, die unseren Bildbegriff im digitalen Zeitalter neu befragen.
Gemälde aus dem Drucker, abgeformte Gebrauchsgegenstände, digitale und dreidimensionale Bilder: Durch neue technologische Herstellungsprozesse erhalten die bildenden Künste Ende des 20. Jahrhunderts wichtige Impulse. Dies gilt besonders für die erweiterten Möglichkeiten des fotografischen, also technologisch erzeugten Bildes, das im beginnenden 21. Jahrhundert die Grenzen zum technologischen Objekt im Raum überschreitet. So entstehen zwei- und dreidimensionale Kunstwerke, die als sogenannte fotografische Objekte aus real vorhandenem Material – etwa Alltagsgegenstände, Pressefotos oder Internetbilder – in einer technologischen Transformation abgeleitet werden. Entscheidend ist dabei, dass dieser Prozess der maschinellen Umsetzung im Kunstwerk abzulesen ist – mehr noch, dass er bewusst vorgeführt wird.
Die aktuelle Städel Ausstellung Fotografien werden Bilder. Die Becher-Klasse zeigt, wie die ehemaligen Studenten von Bernd und Hilla Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie die Grenzen der Fotografie erweitert und neu definiert haben: Der Übergang zwischen fotografischem Bild, Malerei, Skulptur und Konzeptkunst wird bei ihnen fließend. An diesen Ansatz knüpft die Sonderpräsentation Fotografische Objekte in der Sammlung Gegenwartskunst an – und führt ihn weiter.
Thomas Ruffs großformatige Fotografie jpeg icbm02 (2007) ist Teil der Serie jpeg, deren Ausgangspunkt Bilder aus dem Internet sind, aber auch eigene Digitalfotografien des Künstlers oder eingescannte Vorlagen. Hierbei greift er Bildprinzipien der Impressionisten und Pointilisten auf: Indem er die Auflösung der Fotos verringert – also die Anzahl der Pixel pro Zentimeter reduziert – und gleichzeitig ihr Format vergrößert, entsteht ein neues, vergröbertes Bild, das aus der Nähe betrachtet einem geometrischen Muster ähnelt. Erst bei entsprechendem Abstand zum Werk fügt es sich zu einem erkennbaren Bild zusammen; im Falle von jpeg icbm02 ist es der Start einer Rakete.
Wade Guyton reflektiert in seinen minimalistischen, mit großformatigen Buchstaben, Streifen oder monochromen Flächen bedruckten Gemälden die Bedingungen und Auswirkungen digitaler Bildproduktion. Anstatt Pinsel und Farbe selbst in die Hand zu nehmen, lässt er gefaltete, mit Öl grundierte Leinwände durch gewöhnliche Drucker laufen. Da auch Maschinen nicht fehlerfrei arbeiten, vor allem aber durch die bewusst unsachgemäße Nutzung, hinterlassen sie verzerrte Ränder, Schleif- und Farbspuren, die aus den Inkjet-Drucken ästhetisch imperfekte „Malereien“ machen. Während Guyton die künstlerische Handschrift an die Maschine abgibt, sorgen Zufall und technische Ungenauigkeiten für eine Form von Originalität, die einer technologischen Bilderzeugung zuwiderläuft.
Die Übersetzung digitaler Bilddaten in räumliche Objekte vollzieht Kelley Walker in der Serie der Recycling Sculptures, eine Reihe runder Stahlplatten, aus denen er von einem Laser-Cutter das ikonische Symbol für Wiederverwertung ausschneiden lässt.
Mit negativen und positiven Formen arbeitet auch Seth Price. Für die Vacuum Forms greift er auf ein industrielles Verfahren zum Warmverformen von Plastik zurück. Eine heiße, formbare Kunststoffplatte wird über gewöhnliche Gebrauchsgüter wie eine Jacke oder Seile gelegt und dann mit Hochdruck angesaugt. Nach dem Abkühlen hinterlassen die zugleich abwesenden und anwesenden Gegenstände in der monochromen Farbfläche ihren Abdruck, eine Spur, die vom Bildlichen ins Objekthafte wechselt und zurück.
Die Arbeitsweise von Thomas Ruff, Wade Guyton, Kelly Walker und Seth Price steht in der Tradition der Konzeptkunst der 1960er- und 70er-Jahre und überführt diese in die digitale und postdigitale Welt. Nicht mehr das Erschaffen einer originären Form ist entscheidend, sondern der dahinter stehende Gedanke, das Konzept, wird zum ästhetischen Kriterium. Angesichts des potentiell endlos reproduzierbaren Kunstwerks wird die Sichtbarmachung der technologischen Umsetzung und Materialisierung einer künstlerischen Idee selbst zum Kunstwerk.
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