Navigation menu

Fotografische Objekte

In Anknüpfung an die Ausstellung Fotografien werden Bilder. Die Becher-Klasse zeigt die Sonderpräsentation Fotografische Objekte Kunstwerke, die unseren Bildbegriff im digitalen Zeitalter neu befragen.

Iris Hasler — 11. Juli 2017

Gemälde aus dem Drucker, abgeformte Gebrauchsgegenstände, digitale und dreidimensionale Bilder: Durch neue technologische Herstellungsprozesse erhalten die bildenden Künste Ende des 20. Jahrhunderts wichtige Impulse. Dies gilt besonders für die erweiterten Möglichkeiten des fotografischen, also technologisch erzeugten Bildes, das im beginnenden 21. Jahrhundert die Grenzen zum technologischen Objekt im Raum überschreitet. So entstehen zwei- und dreidimensionale Kunstwerke, die als sogenannte fotografische Objekte aus real vorhandenem Material – etwa Alltagsgegenstände, Pressefotos oder Internetbilder – in einer technologischen Transformation abgeleitet werden. Entscheidend ist dabei, dass dieser Prozess der maschinellen Umsetzung im Kunstwerk abzulesen ist – mehr noch, dass er bewusst vorgeführt wird.

Ausstellungsansicht „Fotografische Objekte“ mit „Untitled“, 2004, von Wade Guyton, „3d_ma.r.s.02“, 2012, von Thomas Ruff, „Ohne Titel (Silhouette)“, 2007, von Seth Price und „jpeg icbm02“, 2007, von Thomas Ruff (v. l. n. r.)

Ausstellungsansicht „Fotografische Objekte“ mit „Untitled“, 2004, von Wade Guyton, „3d_ma.r.s.02“, 2012, von Thomas Ruff, „Ohne Titel (Silhouette)“, 2007, von Seth Price und „jpeg icbm02“, 2007, von Thomas Ruff (v. l. n. r.)

Die aktuelle Städel Ausstellung Fotografien werden Bilder. Die Becher-Klasse zeigt, wie die  ehemaligen Studenten von Bernd und Hilla Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie die Grenzen der Fotografie erweitert und neu definiert haben: Der Übergang zwischen fotografischem Bild, Malerei, Skulptur und Konzeptkunst wird bei ihnen fließend. An diesen Ansatz knüpft die Sonderpräsentation Fotografische Objekte in der Sammlung Gegenwartskunst an – und führt ihn weiter.

Thomas Ruff: jpeg icbm02, 2007, Chromogener Farbabzug, 240 x190 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main, © VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Thomas Ruff: jpeg icbm02, 2007, Chromogener Farbabzug, 240 x190 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main, © VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Thomas Ruffs großformatige Fotografie jpeg icbm02 (2007) ist Teil der Serie jpeg, deren Ausgangspunkt Bilder aus dem Internet sind, aber auch eigene Digitalfotografien des Künstlers oder eingescannte Vorlagen. Hierbei greift er Bildprinzipien der Impressionisten und Pointilisten auf: Indem er die Auflösung der Fotos verringert – also die Anzahl der Pixel pro Zentimeter reduziert – und gleichzeitig ihr Format vergrößert, entsteht ein neues, vergröbertes Bild, das aus der Nähe betrachtet einem geometrischen Muster ähnelt. Erst bei entsprechendem Abstand zum Werk fügt es sich zu einem erkennbaren Bild zusammen; im Falle von jpeg icbm02 ist es der Start einer Rakete.

Ausstellungsansicht „Fotografische Objekte“ mit „1698“, 2011, von Jörg Sasse sowie „Untitled“, 2006, und „Untitled“, 2004, von Wade Guyton, (v. l. n. r.)

Ausstellungsansicht „Fotografische Objekte“ mit „1698“, 2011, von Jörg Sasse sowie „Untitled“, 2006, und „Untitled“, 2004, von Wade Guyton, (v. l. n. r.)

Wade Guyton reflektiert in seinen minimalistischen, mit großformatigen Buchstaben, Streifen oder monochromen Flächen bedruckten Gemälden die Bedingungen und Auswirkungen digitaler Bildproduktion. Anstatt Pinsel und Farbe selbst in die Hand zu nehmen, lässt er gefaltete, mit Öl grundierte Leinwände durch gewöhnliche Drucker laufen. Da auch Maschinen nicht fehlerfrei arbeiten, vor allem aber durch die bewusst unsachgemäße Nutzung, hinterlassen sie verzerrte Ränder, Schleif- und Farbspuren, die aus den Inkjet-Drucken ästhetisch imperfekte „Malereien“ machen. Während Guyton die künstlerische Handschrift an die Maschine abgibt, sorgen Zufall und technische Ungenauigkeiten für eine Form von Originalität, die einer technologischen Bilderzeugung zuwiderläuft.

Die Übersetzung digitaler Bilddaten in räumliche Objekte vollzieht Kelley Walker in der Serie der Recycling Sculptures, eine Reihe runder Stahlplatten, aus denen er von einem Laser-Cutter das ikonische Symbol für Wiederverwertung ausschneiden lässt.

Kelley Walker: Recycling Sculpture, 2003, Stahl und Blattgold, 147 x 147 x 0,5 cm, Leihgabe aus Privatbesitz

Kelley Walker: Recycling Sculpture, 2003, Stahl und Blattgold, 147 x 147 x 0,5 cm, Leihgabe aus Privatbesitz

Mit negativen und positiven Formen arbeitet auch Seth Price. Für die Vacuum Forms greift er auf ein industrielles Verfahren zum Warmverformen von Plastik zurück. Eine heiße, formbare Kunststoffplatte wird über gewöhnliche Gebrauchsgüter wie eine Jacke oder Seile gelegt und dann mit Hochdruck angesaugt. Nach dem Abkühlen hinterlassen die zugleich abwesenden und anwesenden Gegenstände in der monochromen Farbfläche ihren Abdruck, eine Spur, die vom Bildlichen ins Objekthafte wechselt und zurück.

Seth Price: Vintage Bomber, 2006, Polystyrol, 123 x 76 cm © Courtesy of the artist and Petzel Gallery, New York, Leihgabe aus Privatbesitz, Foto: Ron Amstutz

Seth Price: Vintage Bomber, 2006, Polystyrol, 123 x 76 cm © Courtesy of the artist and Petzel Gallery, New York, Leihgabe aus Privatbesitz, Foto: Ron Amstutz

Die Arbeitsweise von Thomas Ruff, Wade Guyton, Kelly Walker und Seth Price steht in der Tradition der Konzeptkunst der 1960er- und 70er-Jahre und überführt diese in die digitale und postdigitale Welt. Nicht mehr das Erschaffen einer originären Form ist entscheidend, sondern der dahinter stehende Gedanke, das Konzept, wird zum ästhetischen Kriterium. Angesichts des potentiell endlos reproduzierbaren Kunstwerks wird die Sichtbarmachung der technologischen Umsetzung und Materialisierung einer künstlerischen Idee selbst zum Kunstwerk.


Iris Hasler ist wissenschaftliche Volontärin in der Sammlung Gegenwartskunst.

Die Sonderpräsentation „Fotografische Objekte“ zeigt bis 22. Oktober 2017 neben Werken aus der Städel Sammlung auch Bestände wichtiger, dem Museum verbundenen Privatsammlungen. Mit Arbeiten von Thomas Bayrle, Wade Guyton, Spiros Hadjidjanos, Sigmar Polke, Seth Price, Thomas Ruff, Jörg Sasse, Christian Schad, Kara Walker, Kelly Walker und James Welling.

Diskussion

Fragen oder Feedback? Schreiben Sie uns!

Mehr Stories

  • Kunst nach 1945: Volker Döhne

    Volker Döhne (*1953) gibt hier Einblick, wie seine Serie „Krefeld, Rheinstraße zwischen Ostwall und Lohstraße“ (1990 (2018)) entstand. Das künstlerische Werk von Volker Döhne erfuhr eine größere Würdigung durch die umfassende Überblicksausstellung „Fotografien werden Bilder. Die Becher-Klasse“ des Städel Museums im Jahr 2017.

  • Städel-Schüler in der Becher-Klasse

    Was sagen die Nachwuchs­künstler?

    Welche Bedeutung haben die Bechers und ihre berühmten Schüler heute für junge Künstler? Wir haben mit drei Studenten der Städelschule die Becher-Klasse-Ausstellung besucht und sie gefragt.

  • Volker Döhne: Ohne Titel (Bunt), 1979 © Volker Döhne
    Volker Döhne

    Zwischen Wirtschafts­wunder und Nachkriegs­tristesse

    Knallbunte Autos, unauffällige Nutzbauten und eine Straße in Krefeld: In seinen konzeptuellen Fotoserien richtet der Becher-Schüler Volker Döhne den Blick auf sein unmittelbares Umfeld.

  • Instagram-Aktion zur Becher-Klasse

    #STAEDELx­TRINKHALLE – Die Gewinner

    Einen Monat lang hat unsere Community auf den Spuren von Becher-Schülerin Tata Ronkholz Trinkhallen fotografiert – über 600 Beiträge sind unter #STAEDELxTRINKHALLE zusammengekommen. Nun hat die Jury die Gewinner gekürt.

  • Die ersten Jahre der Becher-Klasse

    „Wir konnten bei null anfangen“

    Viele ihrer Arbeiten sind berühmt geworden, zu Ikonen der Fotografie der 80er- und 90er-Jahre. Dabei ist gerade das Frühwerk von Ruff, Höfer, Gursky oder auch Döhne besonders spannend.

Newsletter

Wer ihn hat,
hat mehr vom Städel.

Aktuelle Ausstellungen, digitale Angebote und Veranstaltungen kompakt. Mit dem Städel E-Mail-Newsletter kommen die neuesten Informationen regelmäßig direkt zu Ihnen.

Beliebt

  • Städel | Frauen

    Marie Held: Kunsthändlerin!

    Teil 5 der Porträt-Reihe „Städel | Frauen“.

  • Fantasie & Leidenschaft

    Eine Spurensuche

    Bei der Untersuchung von über 100 italienischen Barockzeichnungen kamen in der Graphischen Sammlung bislang verborgene Details ans Licht.

  • Städel Mixtape

    Kann man Kunst hören?

    Musikjournalistin und Moderatorin Liz Remter spricht über Ihre Arbeit und den Entstehungsprozess des Podcasts.

  • Städel | Frauen

    Künstlerinnen-Netzwerke in der Moderne

    Kuratorin Eva-Maria Höllerer verdeutlicht, wie wichtig Netzwerke für die Lebens- und Karrierewege von Künstlerinnen um 1900 waren und beleuchtet deren Unterstützungsgemeinschaften.

  • Muntean/Rosenblum

    Nicht-Orte

    Anonyme Räume, flüchtige Begegnungen: Kuratorin Svenja Grosser erklärt, was es mit Nicht-Orten auf sich hat.

  • Städel Mixtape

    #42 Albrecht Dürer - Rhinocerus (Das Rhinozeros), 1515

    Ein Kunstwerk – ein Soundtrack: Der Podcast von Städel Museum und ByteFM.

  • Alte Meister

    Sammler, Stifter, Vorbild

    Sammlungsleiter Bastian Eclercy und Jochen Sander im Interview zum neuen Stifter-Saal.

  • ARTEMIS Digital

    Digitales Kunsterlebnis trifft wegweisende Demenz-Forschung

    Wie sieht eine digitale Anwendung aus, die Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zeit- und ortsungebunden einen anregenden Zugang zur Kunst ermöglicht? Ein Interview über das Forschungsprojekt ARTEMIS, über Lebensqualität trotz Krankheit und die Kraft der Kunst.

  • Städel Dach

    Hoch hinaus

    Die Architekten Michael Schumacher und Kai Otto sprechen über Konzept, Inspirationen und die Bedeutung des Städel Dachs für Besucher und die Stadt.

  • Gastkommentar

    Kunst und die innere Uhr mit Chronobiologe Manuel Spitschan

    Was sieht ein Chronobiologe in den Werken der Städel Sammlung?

  • Städel Digital

    Städel Universe: Von der Idee zum Game

    Im Interview gibt Antje Lindner aus dem Projektteam Einblicke in die Entstehung der hybriden Anwendung.

  • Engagement

    Die „Causa Städel“

    Was an Städels letztem Willen so besonders war und worauf man heute achten sollte, wenn man gemeinnützig vererben möchte.