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Der Fotograf, der Frankfurt verewigte

Dank einer großzügigen Schenkung von rund 180 Fotografien konnte das Städel Museum seinen Bestand an Werken von Carl Friedrich Mylius erweitern. Mit „Frankfurt forever!“ ist nun die erste monografische Ausstellung des Fotografen zu sehen. Kuratorin Kristina Lemke verrät, was das Werk von Mylius so besonders macht, wie er die Veränderungen Frankfurts im 19. Jahrhundert festhielt und was sie an seinen Stadtansichten besonders fasziniert.

Elisabeth Pallentin — 12. Februar 2025

Wer war Carl Friedrich Mylius? 

Eigentlich war Carl Friedrich Mylius (1827–1916) ausgebildeter Lithograf. Fasziniert von der damals noch neuen Technik der Fotografie wechselte er schnell seinen Beruf – und wurde der bekannteste Fotograf Frankfurts. Während die meisten seiner Kollegen Porträts anboten, spezialisierte sich Mylius um 1857 auf Architekturansichten. Er schuf eine beeindruckende visuelle Chronik, die den Wandel und die Entwicklung Frankfurts im 19. Jahrhundert auf einzigartige Weise veranschaulicht. Seine Fotografien zeigen nicht nur die städtebaulichen Veränderungen, sondern fangen auch den Geist einer Zeit ein, in der Tradition und Moderne aufeinandertrafen. Mit seinen präzisen Bildkompositionen setzte er Maßstäbe für die fotografische Dokumentation von Architektur und Stadtlandschaften.

Gebrüder Mohr, Porträt Carl Friedrich Mylius, 1856–1858, Albuminpapier auf Karton, 29,6 x 23,2 cm, Frankfurt, Städel Museum

Ausstellungsansichten, Foto: Städel Museum – Norbert Miguletz

Was macht sein Werk so besonders? Und wie lässt sich sein fotografischer Stil beschreiben?

Mylius war nicht nur ein technisch versierter Fotograf, sondern auch ein sensibler Beobachter seiner Zeit, der Stadtansichten in einer künstlerischen Qualität festhielt. 

Jede Aufnahme war sehr aufwendig herzustellen, da musste genau überlegt sein, wie ein Motiv am besten festgehalten wird. Um die Dynamik der schon damals sehr lebhaften Einkaufsstraße Zeil einzufangen, benötigte Mylius einen erhöhten Standpunkt. Also verschaffte er sich Zugang zur Hauptwache und platzierte seine Ausrüstung im Dachgeschoss. Die Kamera richtete er so aus, dass Hinter-, Mittel- und Vordergrund stimmig verteilt sind. Er fing die gebogene Straßenführung ein, was eine Art Tiefensog erzeugt – der Betrachter wird regelrecht in das Bild gezogen. Das sind alles keine Zufälligkeiten. Und jede Aufnahme musste direkt vor Ort entwickelt werden. Mylius hatte dafür einen eigenen Dunkelkammerwagen, der ihn bei den Streifzügen durch seine geliebte Heimatstadt auf Schritt und Tritt begleitete.

Carl Friedrich Mylius (1827–1916), Blick von der Hauptwache in die Zeil, 1864–1866, Albuminpapier auf Karton Frankfurt, 17,8 x 23,5 cm, Frankfurt, Städel Museum

Mylius setzte mit seinem klaren und symmetrischen Stil und einer außergewöhnlichen Liebe zum Detail Maßstäbe, die das Potenzial der Fotografie als Medium der Architekturvermittlung unterstreichen. Das kommt nicht von ungefähr: Mylius pflegte Zeit seines Lebens Kontakte zu künstlerischen Kreisen und hatte als Lehrling während seiner Lithografenausbildung Abendkurse bei Jakob Becker, Professor für Genremalerei, an der Städelschule besucht. Sein Verständnis für einen harmonischen Bildaufbau wurde so früh geprägt.

Auf welche Weise fanden seine Fotografien Verbreitung?

Sofern Mylius keinen konkreten Auftrag erhielt, konnten die Zeitgenossen Mylius’ Fotografien sowohl in seinem Atelier in der Biebergasse als auch an weiteren Orten in der Stadt, etwa Kunst- und Buchhandlungen sowie am Eingangsbereich verschiedener Institutionen wie dem Goethe-Haus und dem Palmengarten kaufen. Zur Kundschaft zählten Künstler und Architekten, sowie wohlhabende Bürger, Diplomaten, die als Gesandte des Deutschen Bundes in Frankfurt weilten, oder Reisende. Auch Sissis Schwester, Marie Sophie Amalie, Königin von Neapel, besaß Fotografien von Mylius.

Die Leipziger Illustrirte Zeitung berichtete über den Dom-Brand in Frankfurt (1867) und zeigt eine Fotografie von Mylius mit dem noch unversehrten Dom.

Carl Friedrich Mylius (1827–1916), Frankfurt am Main: Blick von Westen auf den Dom, ca. 1865, Albuminpapier auf Karton, 23,4 x 17,9 cm, Frankfurt, Städel Museum

Carl Friedrich Mylius (1827–1916), Das Gutenberg-Denkmal von Eduard Schmidt, von der Launitz auf dem südlichen Roßmarkt, ca. 1870, Albuminpapier auf Karton, 22,1 x 16,1 cm Frankfurt, Städel Museum

Weiterhin fanden seine Fotografien durch eine Zusammenarbeit mit der Illustrirten Zeitung in Leipzig, der er regelmäßig Aufnahmen für die Berichterstattung lieferte, überregionale Verbreitung. Allerdings ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass das, was man in der Zeitschrift zu sehen bekam, keine Fotografien waren, sondern Holzschnitte, die nach Vorlage von Mylius‘ Fotografie angefertigt wurden. Es war drucktechnisch zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, Fotografien in Zeitschriften wiederzugeben.

Auch in Sammlungen und Archiven wurden Mylius’ Fotografien schon zu seinen Lebzeiten aufgenommen. Bereits 1867 erwarb das Städelsche Kunstinstitut Fotografien von Mylius für die Lehrsammlung. Als er sich 1891 zur Ruhe setzte, besuchte er das Museum selbst für Studienzwecke und schenkte ihm Abzüge, wie er in seiner Autobiografie berichtete: 

Wenn ich längst nicht mehr bin, so werden diese Blätter Zeugniß einer guten Bestrebung ablegen, und andere die nach mir kommen zur Thätigkeit anregen.

Carl Friedrich Mylius (1827–1916), Neue Mainzer Straße nach Süden, 1874–1876, Albuminpapier auf Karton, 23,5 x 29,2 cm, Frankfurt, Städel Museum. Hier ist das Städelsche Kunstinstitut zu entdecken, 5. Haus von rechts. Das Städel Museum zog erst 1878 an den Schaumainkai. 

Carl Friedrich Mylius (1827–1916), Nikolaikirche, ca. 1870, Albuminpapier auf Karton, 27,4 x 19,4 cm, Erworben 1892 als Schenkung des Fotografen, Frankfurt, Städel Museum

Ausstellungsansicht, Foto: Städel Museum – Norbert Miguletz

Welche Rolle spielt der Main in den Aufnahmen von Mylius? 

Mylius fertigte das erste fotografische Panorama innerhalb Deutschlands an. Sein Mainpanorama ist 7,60 Meter lang und besteht aus 31 Einzelbildern, die Mylius miteinander verband. Um die 2,5 Kilometer lange Strecke am Main möglichst verzerrungsfrei zu erfassen, versetzte er seine Kamera für jedes Bild um rund 100 Meter. Der Main nimmt auch in anderen Fotografien von Mylius eine zentrale Rolle ein – er war nicht nur geografisches Element, sondern auch das symbolische Herz der Stadt. Von dort ließ sich die Stadtsilhouette ideal einfangen. Entsprechend waren die Aufnahmen besonders beliebt.

Carl Friedrich Mylius (1827–1916), Frankfurt am Main: Das Heller’sche Kruzifix am Dom mit Gärtner, 1858/1859, Salzpapier auf Karton, 21,3 x 16,8 cm, Frankfurt, Städel Museum

Carl Friedrich Mylius (1827–1916), Blick über den Main mit Eisernem Steg und Dom, 1868–1871, Albuminpapier auf Karton, 12,6 x 23,3 cm, Frankfurt, Städel Museum

Was hat dich in der Beschäftigung mit Mylius’ Werk hinsichtlich der Frankfurter Stadthistorie besonders überrascht oder begeistert? 

Besonders faszinierend war für mich, wie detailliert und lebendig Mylius die Transformation Frankfurts eingefangen hat. Seine Fotografien zeigen nicht nur die bekannten Wahrzeichen wie den Kaiserdom oder den Römer, sondern auch weniger prominente Szenen, wie Märkte, Baustellen oder die alltägliche Nutzung des öffentlichen Raums. Überraschend war, wie sehr diese Bilder eine Stimmung vermitteln können, die uns einen emotionalen Zugang zu einer vergangenen Zeit ermöglicht.


Dr. Kristina Lemke ist Sammlungsleiterin Fotografie und Kuratorin der Ausstellung „Frankfurt forever! Fotografien von Carl Friedrich Mylius“ (12.2.–1.6.2025).

Die Fragen stellte Elisabeth Pallentin, Referentin Presse und Onlinekommunikation im Städel Museum.

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