Mehrere tausend Bilder hat Rubens geschaffen. Natürlich nicht allein. Neben seinem künstlerischen Talent war nämlich auch sein Geschäftssinn ausgeprägt. Ein Blick in das Unternehmen „Rubens“.
Zugegeben, Rubens hatte einen klaren Wettbewerbsvorteil. 1608 kehrt er voller Ideen aus Italien zurück und gründet seine Werkstatt in Antwerpen – kurz darauf wird er von den Regenten der Spanischen Niederlande zum Hofmaler ernannt. Er erhält ein festes Jahresgehalt, das er direkt in den Ausbau seiner Werkstatt investieren kann. Steuern fallen keine an. Und er ist frei von den Beschränkungen, denen seine Kollegen aus der Malerzunft unterliegen. Deshalb darf er beliebig viele Lehrlinge und Mitarbeiter einstellen. Allerbeste Voraussetzungen also, um seine Werkstatt zu einer der größten und produktivsten seiner Zeit zu machen.
Rubens hat große Pläne. 1610 erwirbt er das Haus am Wapper, welches heute noch als Museum zu besichtigen ist. Er plant zahlreiche Umbauten, gestaltet einen prachtvollen Garten, einen Innenhof mit Portikus und vor allem ein großzügiges Atelier. Dieses wird zugleich sein repräsentativer Raum, wo er hochrangige Gäste und Käufer empfängt. Gegenüber dem schlichteren Wohntrakt im altflandrischen Stil beeindruckt das Atelier mit einer prunkvoll gestalteten Fassade nach italienischem Vorbild. Die Botschaft ist klar: Hier arbeitet kein Handwerker, sondern ein Malerfürst.
Da Rubens nicht der Zunft untersteht, ist die Zahl seiner Mitarbeiter nicht dokumentiert. Nur wenige Berichte geben einen Eindruck, wie geschäftig es in der Werkstatt zuging. Otto Sperling, ein deutscher Student und später Leibarzt des dänischen Königs, schreibt 1621: „In diesem [großen] Saale saßen viele junge Maler, die alle an verschiedenen Stücken malten, welche mit Kreide von Hrn. Rubbens vorgezeichnet worden waren und auf denen er hier und da einen Farbfleck angebracht hatte. Diese Bilder mussten die jungen Leute ganz in Farben ausführen, bis zuletzt Hr. Rubbens selbst das Ganze durch Striche und Farben zur Vollendung brachte.“
Dieses Image war Kalkül: Seinen Betrieb nach außen hin zu verkaufen war Rubens vielleicht genauso wichtig wie die eigentliche künstlerische Produktion, steigerte sich so doch der Wert seiner Kunst. Er, das kreative Genie, liefert die Ideen und überlässt das „schmutzige“ und körperlich anstrengende Handwerk zum Großteil den Gehilfen. Jedes Werk wird vom Meister kontrolliert und – wenn nötig – überarbeitet, bevor es sein Atelier verlässt. In diesem Image vereint Rubens seine hohe Herkunft mit dem Beruf des Malers.
Doch die Werkstatt ist nicht immer streng hierarchisch organisiert. Schließlich beschäftigt Rubens neben den vielen Lehrlingen und Gehilfen auch ausgebildete Maler und kooperiert sogar mit etablierten Künstlern wie Frans Snyders und Jan Brueghel. Nicht alle Bilderfindungen stammen allein von Rubens. Viele entstehen in einer Art „Brainstorming“-Sitzung, einem kreativen Austausch zwischen Profis.
Sind nun viele Bilder aus der Rubens-Werkstatt gar kein echter Rubens? Die Arbeitsteilung ist jedenfalls kein Geheimnis. Unser heutiges Verständnis eines „Originals“, das ausschließlich aus der Hand eines Künstlergenies stammt, spielt im 17. Jahrhundert noch keine Rolle. „Rubens“ ist eine Marke und steht für eine Bildästhetik, die jeder Kenner sofort identifiziert. Solange die Werke die übliche Qualität aufweisen – erzählerisch bewegt, mit ausdrucksstarken Figuren und kräftigen Farben – gelten sie als made by Rubens. Unabhängig davon, wie viel der Meister selbst daran gearbeitet hat.
Dennoch ist der Unterschied zwischen einem Werkstatt-Bild und einer Meisterarbeit entscheidend – nämlich beim Preis. Ein „eigenhändiger“ Rubens kostet mindestens doppelt so viel wie eine Werkstatt-Arbeit, die er nur in Teilen retuschiert hat. Je nach Zahlungsbereitschaft seiner Kunden entscheidet Rubens, wie viel Zeit er selbst in das Werk steckt. Seine Käufer sind dabei durchaus auf der Hut: Viele lassen sich vertraglich zusichern, dass und zu welchem Teil der Meister selbst den Pinsel geschwungen hat.
Rubens’ Werkstatt kann sich vor Aufträgen kaum retten. Die enorme Nachfrage nach seinen Bildern ist kein Zufall, sondern auch das Ergebnis einer gezielten Vermarktung. Rubens nutzt Kupferstiche, um seine Bildmotive überregional bekannt zu machen. Im Gegensatz zu anderen Künstlern wartet er nicht darauf, dass ein Grafiker seine Bilderfindung kopiert. Stattdessen erwirbt er die „Copyrights“ für seine Werke und verpflichtet die talentiertesten Kupferstecher – Lucas Vorstermann oder Schelte Adamszoon Bolswert – für seine Werkstatt. Sie schaffen es, die typisch Rubens’sche Bildwirkung auch im farblosen Kupferstich zur Geltung zu bringen. So stellt der Meister sicher, dass nur die besten Stiche in Umlauf kommen – und beweist einmal mehr seinen hervorragenden Geschäftssinn.
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