Vom Rebell zum Malerfürsten – Rubens war kein gewöhnlicher Künstler. Ein Porträt mit fünf Facetten.
Welche Berufswahl erwartet man vom Sprössling einer angesehenen Patrizierfamilie, dem Sohn eines Juristen und Stadtrats, von jemandem, der die Lateinschule besucht und im Dienst einer Prinzessin die höfischen Umgangsformen erlernt hat? Wohl kaum, dass er ein „einfacher Handwerker“ wird. Doch der junge Peter Paul Rubens beschließt genau das: Seiner Herkunft und Ausbildung zum Trotz wird er Maler.
Doch Rubens wird nicht einfach „nur“ Maler: So wie er sich die Motive seiner Vorgänger aneignet und daraus etwas Neues entstehen lässt, so definiert er auch das Berufsbild völlig neu. Konsequent baut er sich das Image des Ideengebers auf, der mit seinem Intellekt die Werke konzipiert, deren Ausführung aber delegiert – und sich somit doch vom bloßen Handwerker losmacht, der sich wortwörtlich die Hände schmutzig macht. Wer sagt, dass Rebellen nicht auch weiße Handschuhe tragen können?
Sechs Jahre Malerausbildung, und doch war Rubens’ Wissensdurst nicht gestillt. Im Jahr 1600, mit 22 Jahren, zieht es ihn nach Italien. Acht Jahre verbringt er dort, bereist das Land, studiert antike Skulpturen und die Meisterwerke seiner italienischen Kollegen. Tizian, Raffael, Michelangelo – Rubens beobachtet, skizziert und kopiert präzise und mit großem Eifer die Werke seiner Vorbilder. Auf diese Weise eignet er sich einen Fundus an Zeichnungen und Motiven an, aus dem er während seines gesamten künstlerischen Schaffens schöpfen wird.
Doch es bleibt nicht beim Abzeichnen: Rubens erwirbt antike Skulpturen – ob als verkleinerten Bronzeabguss oder als marmornes Original – und richtet sich in Antwerpen eine umfassende Sammlung ein, die ihm zu Studienzwecken, aber auch als Prestigeobjekt dient.
Seine Neugierde beschränkt sich nicht allein auf Kunst: Astronomie, Mathematik, Philosophie, Optik, Botanik – Rubens‘ Bibliothek zählt zu den größten der Scheldenstadt. Die Erkenntnisse, die er aus wissenschaftlichen Publikationen und den Gesprächen mit den Intellektuellen Europas gewinnt, finden unmittelbar Eingang in seine Bilder. Seine eigenen theoretischen Überlegungen hält er in Traktaten fest.
Über 2000 Werke sind heute aus der Rubens-Werkstatt überliefert. Möglich war diese enorme Produktivität nur durch eine straff organisierte Arbeitsteilung: Die Ausführung seiner Bilder überlässt Rubens zum großen Teil Schülern und Gehilfen, sodass verschiedene Aufträge parallel und auch in seiner Abwesenheit bearbeitet werden können. Zudem kooperiert er mit spezialisierten und ebenso namhaften Künstlerkollegen, deren besondere Fähigkeiten er für seine Werke zu nutzen weiß.
Die kreative Basis dieser Werkstattproduktion bilden seine eigenen Vorzeichnungen und Studien. Rubens weiß sehr genau, wie wertvoll diese waren. Testamentarisch verfügt er, dass sie solange im Besitz der Familie bleiben sollen, bis alle Kinder achtzehn Jahre alt sind: Erst wenn keiner seiner Söhne in seine Fußstapfen treten und Maler werden und keine seiner Töchter einen Maler heiraten würde, dürften sie verkauft werden.
Geschäftssinn beweist Rubens auch in der Vermarktung seines Werkes. Indem er seine Arbeiten systematisch in Form von Kupferstichen reproduzieren lässt, macht er sie überregional bekannt. Dabei sichert er sich das „Copyright“ an diesen Vervielfältigungen, um sich vor schlechten Kopien zu schützen. Der Name Rubens wird zur Marke, zum Qualitätssiegel.
Nach seiner Rückkehr nach Flandern steht Rubens als Hofmaler im Dienst der spanisch-habsburgischen Statthalter. Doch seine Tätigkeit für die Erzherzoge geht weit über das Fertigen von Kunstwerken hinaus: Rubens, der mindestens sechs Sprachen beherrscht und Kontakte zu wichtigen Persönlichkeiten der Eliten im In- und Ausland pflegt, qualifiziert sich für diplomatische Missionen. In einem Europa, das geprägt ist von Aufständen und Glaubenskriegen, reist Rubens von einem Königshaus zum anderen, vermittelt zwischen Spanien und England und hilft bei den Friedensverhandlungen mit den nördlichen Provinzen.
Für seine diplomatischen Verdienste erhält Rubens eine Vielzahl an Ehrungen und wird schließlich sogar in den Ritterstand erhoben. Als Maler geadelt zu werden, das hatte vor ihm erst einer geschafft: Tizian, Rubens‘ ewiges Idol. Doch Rubens übertrumpft sein Vorbild sogar, indem er sowohl vom englischen als auch dem spanischen König den Ritterschlag erhält.
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