In der aktuellen Ausstellung „Carl Schuch und Frankreich“ gibt das Städel Museum Einblicke in seine kunsttechnologische Forschung. Die Ergebnisse stellen wir zum Europäischen Tag der Restaurierung auch hier vor: Unter drei Stillleben Carl Schuchs liegen verworfene Kompositionen, die er eigenhändig übermalt hat.
Wer die Stillleben des österreichischen Künstlers Carl Schuch im Streiflicht betrachtet, entdeckt manchmal Formen, die mit den sichtbaren Kompositionen nichts zu tun haben. Sie waren der Anlass für technologische Untersuchungen am Städel Museum, die im Vorfeld der Ausstellung „Carl Schuch und Frankreich“ durchgeführt wurden. Über den Zeitraum von einem Jahr wurden in der Abteilung für Kunsttechnologie und Restaurierung drei ausgewählte Gemälde analysiert, die während Schuchs Pariser Schaffensphase (1882–1894) entstanden sind: „Wildente, Rüben und Kasserolle“ (um 1886–1894, Kunsthalle Hamburg), „Äpfel auf Weiß, mit halbem Apfel“ (um 1886–1894, Städel Museum) und „Ingwertopf mit Zinnkanne und Teller“ (um 1885–1888, Museum Wiesbaden). Die Ergebnisse lieferten aufschlussreiche Einblicke in Schuchs Arbeitsweise. So malte er Motive in mehreren Variationen, verschob dabei Objekte, tauschte sie aus oder veränderte ganze Darstellungen. Zudem nutzte er manche Leinwände sogar mehrfach.
Bei den Untersuchungen kamen verschiedene Methoden zum Einsatz, darunter die Stereomikroskopie, die Infrarotreflektografie und Röntgenaufnahmen. Besonders wertvolle Erkenntnisse brachte die noch neuere Mikro-Röntgenfluoreszenzanalyse (µ-XRF). Mit ihr lassen sich Farbpigmente in den Malschichten identifizieren und deren Verteilung im Bild erfassen. Somit werden Kompositionen sichtbar gemacht, die das bloße Auge nicht registrieren kann. Bei den Untersuchungen bestand der Trick darin, die Gemälde nicht nur, wie üblich, von vorne zu scannen, sondern auch von der Rückseite.
Die Analysen gaben auch Aufschluss über die Materialen, mit denen Schuch arbeitete. Er verwendete überwiegend industriell vorgrundierte Leinwände, wie sie im 19. Jahrhundert im Handel erhältlich waren. Dabei reichte seine Palette von traditionellen Farbmitteln wie Bleiweiß, Ocker, Krapplack, Zinnober und Beinschwarz bis hin zu den damals neuen, synthetischen Pigmenten Cadmiumgelb, Chromoxidgrün, Kobaltblau oder Schweinfurter Grün. Die Farben bezog er fertig angerieben in Tuben, eine technische Innovation des 19. Jahrhunderts.
Die Ergebnisse zeigen, dass Schuch ohne vorbereitende Unterzeichnung direkt mit einer Untermalung begann, meist in dunklen Brauntönen und im Laufe des Malprozesses Details oder auch ganze Kompositionen veränderte. So offenbart sich unter dem Stillleben „Wildente, Rüben und Kasserolle“ – um 180 Grad gedreht zur heutigen Ausrichtung – eine ganz andere Darstellung: ein Teller mit Äpfeln, ein umgekippter Krug und rechts eine Flasche mit Etikett. Im Hintergrund lassen sich zudem ein Korb und ein Tuch erahnen.
Auch bei dem Stillleben „Äpfel auf Weiß, mit halbem Apfel“ lässt sich ein früheres Arrangement entdecken: Schuch hatte zunächst einen nach vorne gekippten Korb mit Äpfeln gemalt, daneben ein kleines, mit Bast ummanteltes Gefäß, den sogenannten Ingwertopf. Auf dem Korbdeckel lagen weitere Früchte sowie eine Knoblauchknolle, davor vermutlich zwei Zwiebeln oder Granatäpfel. Schuch übermalte diese Version und legte die heute sichtbare Komposition an.
Noch komplexer zeigt sich das Gemälde „Ingwertopf mit Zinnkanne und Teller“, bei dem Schuch die Kanne ursprünglich ganz links positioniert, sie dann aber in die Bildmitte verschoben und den Ingwertopf hinzugefügt hatte. Rechts war zunächst ein eckiger, geflochtener Korb mit Früchten und Knoblauch angelegt. Darunter verbirgt sich eine erste, komplett verworfene Komposition, die nur durch einen µ-XRF-Scan der Rückseite sichtbar gemacht werden konnte: Zwischen Knoblauch und Früchten findet sich eine metallene Dose, deren Deckel gekippt davorliegt.
Bereits in seinen Notizheften spiegelt sich Schuchs forschende Arbeitsweise wider. Die Funde belegen das. Zudem deuten sie auf ein serielles Vorgehen hin. Schuch probierte verschiedene Objektkombinationen aus, möglicherweise parallel an mehreren Leinwänden. Manche Kompositionen verwarf er, andere übermalte er, stets auf der Suche nach der überzeugendsten Anordnung. Für ihn war das Stillleben ein Experimentierfeld, auf dem er Licht, Farbe und Form immer neu auslotete.
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