Unter dem Titel „Malerei und Raum“ lädt der Kunst- und Vermittlungsraum CLOSE UP zum vierten Mal dazu ein, Gegenwartskunst genauer unter die Lupe zu nehmen und selbstständig sowie aktiv zu entdecken. Im Gespräch geben Anne Dribbisch und Gioia Mattner Einblicke in die Idee und Entwicklung des Projekts.
Gioia Mattner: Du arbeitest bereits seit fünf Jahren an CLOSE UP mit und gehörst u.a. mit Svenja Grosser zum Gründungsteam. Magst du einmal schildern, wie es damals zu der Idee kam, einen eigenen Kunst- und Vermittlungsraum zu schaffen?
Anne Dribbisch: Im Zuge der Neupräsentation in den Gartenhallen 2020 rückte auch der Eingangsbereich stärker in den Fokus – mit der Idee, ihn als besonderen Ort der Vermittlung zu nutzen. CLOSE UP entstand als gemeinsames Projekt für die Volontärinnen aus Bildung & Vermittlung sowie der Sammlung Gegenwartskunst. Von Anfang an sollten damit die Bereiche Kuratieren, Vermitteln und Digitales zusammengeführt werden. Die erste Ausgabe wurde noch im selben Jahr unter dem Titel „Malerei & Fotografie“ realisiert. Schon damals zeigte sich, welches Potenzial in diesem neuen Format steckt. Denn gerade in unserer Vermittlungsarbeit stellen wir immer wieder fest, dass Gegenwartskunst für einige Besucher herausfordernd sein kann, obwohl diese sich häufig mit Themen auseinandersetzt, die unsere Lebensrealität unmittelbar betreffen, wie etwa zwischenmenschliche Beziehungen, Veränderungen im städtischen Raum oder Fragen nach Identität und Gemeinschaft.
Gioia Mattner: Absolut, hier wird deutlich, wie entscheidend Vermittlung ist: Gegenwartskunst kann irritieren und fordert oft Sehgewohnheiten heraus. Ein Format wie CLOSE UP greift diese Impulse auf, strukturiert und vertieft sie. Es lädt dazu ein, sich auf die unterschiedlichen Denk- und Wahrnehmungsräume zeitgenössischer Kunst einzulassen und persönliche Zugänge zu finden. Jede Ausgabe konzentriert sich auf ein zentrales Thema aus der Sammlung Gegenwartskunst und beleuchtet es aus unterschiedlichen Blickwinkeln: unter anderem historisch, politisch und materialästhetisch.
Anne Dribbisch: Wir haben uns bei CLOSE UP bewusst für ein Format entschieden, dass das Analoge mit dem Digitalen zusammenbringt. In den Gartenhallen ermöglicht der physische Raum die unmittelbare Begegnung mit originalen Kunstwerken.
Eine gezielte Auswahl von 3–4 Werken macht das Thema in einem intimen Rahmen erfahrbar und kann durch Ausstellungskataloge und Aufsätze vertieft werden. Die digitale Anwendung mit Gamification-Elementen eröffnet durch historische Aufnahmen, Künstlerinterviews und Vergleichsabbildungen spielerisch weitere Kontexte. Besucher entscheiden selbst, wie tief sie eintauchen möchten, ob vor Ort oder von zu Hause.
Gioia Mattner: Genau dieser multiperspektivische Ansatz überzeugte auch die Jury des DigAMus Awards, die das Projekt 2023 in der Kategorie „Hybrides Angebot“ auszeichnete, ein Beleg dafür, dass die Verzahnung analoger und digitaler Vermittlung wegweisend und innovativ ist.
Anne Dribbisch: Die Anwendung war ursprünglich als fester Bestandteil des Konzepts vor Ort gedacht, aber während der COVID-19-Pandemie haben wir sie dann so weiterentwickelt, dass sie auch unabhängig vom Museumsbesuch funktioniert. So konnten wir neue Zielgruppen erreichen. Und das Beste ist: Alle drei vergangenen CLOSE UP-Ausgaben sind weiterhin digital verfügbar und können interaktiv erschlossen werden. Nach „Malerei & Fotografie“ stand mit der zweiten Ausgabe „Kunst & Politik“ die politische Dimension von Kunst im Mittelpunkt. Das dritte CLOSE UP widmete sich dem Selbstbild: Unter dem Titel „Selbst & Porträt“ wurde der Frage nachgegangen, wie sich Künstler mit dem eigenen Ich auseinandersetzen, zum Beispiel fühlend, spielerisch oder abstrahierend.
Gioia Mattner: In der aktuellen, vierten Ausgabe beleuchten wir das Thema „Malerei & Raum“. Anhand der Werke von Yves Klein, Günther Uecker und Louise Nevelson zeigen wir, wie seit den 1960er-Jahren mit den physischen und konzeptuellen Grenzen der Malerei gebrochen wird. Nägel, Schwämme und Holzreste beispielsweise ersetzen Pinsel und klassische Leinwand.
Die drei Werke bewegen sich im Spannungsfeld zwischen der künstlerischen Avantgarde der Moderne und einem gesellschaftlichen „Nullpunkt“ nach 1945 und geben neue Antworten auf die Frage: Was kann Malerei heute sein, wo beginnt sie, räumlich wie konzeptuell? Und dabei geht es für das Publikum nicht nur ums Betrachten, sondern ums Erleben. CLOSE UP ist also viel mehr als nur ein Ausstellungsraum in den Gartenhallen.
Anne Dribbisch: Ganz genau! Ein wichtiger Aspekt ist für uns auch der Austausch: Bei der Talkreihe CLOSE UP TALKS zum Thema „Wie politisch ist die Kunst?“ wurde der Kunst- und Vermittlungsraum 2022 beispielsweise zum Gesprächsort, an dem die Besucher den Künstlern bei der Diskussion mit Experten über ihre Werke zuhören konnten. Die Mitschnitte der dreiteiligen Gesprächsreihe sind weiterhin bei YouTube abrufbar.
Gioia Mattner: Außerdem bieten die regelmäßigen Führungen im Projektraum die Möglichkeit, mehr über die Kunstwerke und ihre verschiedenen Aspekte zu erfahren – ebenso wie über die Entstehung, Konzeption und Arbeitsprozesse hinter CLOSE UP.
Anne Dribbisch: So werden CLOSE UP und auch das Städel Museum zu einem lebendigen Ort der Begegnung, der weit über seinen physischen Raum hinauswirkt.
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