Elegant, teuer, elitär: Bis ins 17. Jahrhundert entwickelte sich die Farbe Schwarz zu einem Statussymbol. Was steckt hinter dem „Burgunder Schwarz“? Corinna Gannon über aufwändige Färbetechniken, geheime Rezepturen – und große Kunst.
Kaum eine Farbe ist in der Mode zeitloser als Schwarz. Christian Dior sagte einmal: „Schwarz ist Eleganz ohne Risiko“. Coco Chanel machte das „Kleine Schwarze“ zum Klassiker im Kleiderschrank. Doch schon seit dem 14. Jahrhundert ist die beliebte (Nicht-)Farbe aus der Mode nicht mehr wegzudenken.
Bis ins 17. Jahrhundert entwickelte sich die Farbe Schwarz zu einem Statussymbol, denn schwarze Stoffe waren ein Luxusgut. Warum? Ein sattes und dauerhaftes Schwarz war schwer herzustellen und dementsprechend teuer. Denn es existiert kein natürlicher Rohstoff, mit dem man Textilien schwarz färben kann. Stattdessen bedurfte es einer Kombination verschiedener Substanzen, wie etwa Färberkrapp, Gummi arabicum, Färberwaid oder Galläpfel. Diese mussten mit Metallsalzen und Metalloxiden vermischt werden. Je nach Sättigungsgrad war mehrfaches Färben erforderlich. Die verschiedenen Rezepturen wurden jedoch streng geheim gehalten und unterscheiden sich daher oft voneinander.
Mehrere Hauptzutaten zum Schwarzfärben, © N. Ortega Saez, aus dem Artikel „Reworking Black Dye Technologies of the Burgundian-Habsburg Netherlands: Three Types of Black Dyeing“ von Natalia Ortega Saez und Vincent Cattersel
Zeitlose modische Standards wurden am Burgunder Hof unter Philipp dem Guten (1396–1467) gesetzt. Der Herzog war es, der die schwarze Kleidung in adeligen Kreisen für die nächsten Jahrhunderte etablierte. Könige und Kaiser nördlich wie südlich der Alpen bevorzugten die Farbe fortan. Zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert wurden die Färbetechniken in den Burgundisch-Habsburger Territorien perfektioniert – daher auch der Name „Burgunder Schwarz“.
Es waren jedoch nicht nur die aufwendige Herstellung und die teuren Ingredienzien, die das Schwarz zu einem begehrten Luxusgut machten. An dieser Farbe haftete auch ein ganzer Tugendkanon: Sie stand für Wohlstand, Autorität, Loyalität und Eleganz. Aus diesem Grund war Schwarz in den zeitgenössischen Kleiderordnungen nur für die gesellschaftlichen Eliten vorgesehen. Handwerker, Bauern, Knechte und Mägde trugen ungefärbte Naturfasern oder bunte Stoffe. Der soziale Status einer Person ließ sich somit leicht anhand ihrer Kleidung ablesen.
Auch Reformatoren wie Martin Luther, Johannes Calvin und Huldrych Zwingli, die jeglichen Zierrat ablehnten, gaben dem schlichten Schwarz den Vorzug. Aus diesem Grund kleideten sich auch wohlhabende, calvinistische Patrizier in den nördlichen Niederlanden vorwiegend in Schwarz. Mitglieder der Schützenverbände und die sogenannten Regenten standen dem katholischen Adel in Sachen Repräsentationsbedürfnis in nichts nach und ließen sich in großformatigen Gruppenbildnissen von namhaften Künstlern wie Rembrandt oder Frans Hals porträtieren. Im Zuge dessen verlagerte sich die Färbeindustrie von den südlichen Provinzen in den Norden, etwa nach Amsterdam und Leiden.
Lucas Cranach d. J., Bildnis Martin Luthers (1483-1546), 1559, Städel Museum, Frankfurt am Main, Eigentum des Städelschen Museums-Vereins e.V.
Betrachtet man die sogenannte „Magere Kompanie“ (1637) aus der Nähe – ein Werk, das von Frans Hals und Pieter Codde geschaffen wurde und derzeit im Städel Museum zu sehen ist –, wird deutlich: Schwarz ist nicht gleich Schwarz. Die Mitglieder des Armbrustschützenverbands tragen neben sattem Schwarz auch Nuancen in Grau, Violett, Rot oder Blau.
Frans Hals, Pieter Codde, Die Korporalschaftskompanie von Hauptmann Reynier Reael und Leutnant Cornelis Michielsz Blaeuw, Amsterdam, 1637, bekannt als „Die magere Kompanie“ (früherer Titel), Rijksmuseum, Amsterdam
Samt, Seide, Satin, Damast, Wolle, Leder – jedes Material besitzt eine eigene Oberflächenstruktur. Gekonnt gesetzte Farbabstufungen und Lichtakzente lassen die unterschiedliche Stofflichkeit erkennbar werden.
Nicht nur für Färber, sondern auch für Maler war die überzeugende Darstellung von Schwarz auf Schwarz eine große Herausforderung. Unterschiedliche Schwarzpigmente mussten miteinander kombiniert und oft in mehreren Schichten übereinandergelegt werden.
Die Farbpigmente wurden aus verschiedenen Substanzen gewonnen, vor allem aus verkohlten und karbonisierten Materialien wie Elfenbein, Horn oder Knochen, (Frucht-) Kernen oder Kerzenruß. Mit einem entsprechenden Bindemittel angerührt – etwa Eigelb, Eiweiß, Gummi arabicum, Leim, Öl oder Wasser – konnten die Farben schließlich aufgetragen werden. So offenbarte sich das Beherrschen des Malerhandwerks vor allem in der Wiedergabe von schwarzen Oberflächen. Ein die Jahrhunderte überdauerndes Schwarz zu malen, wollte gelernt sein.
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