In der Sammlung Alte Meister ist ein neuer Raum entstanden. Besucher können dort dem Stifter und Namensgeber des Museums, Johann Friedrich Städel, und seiner Vision eines Bürgermuseums begegnen. Was es damit auf sich hat, berichten Sammlungsleiter Bastian Eclercy und Jochen Sander im Interview.
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Der erste Raum der Dauerausstellung Alte Meister hat sich komplett verändert. Was ist passiert?
Bastian Eclercy: Der Raum wurde kürzlich baulich verändert, um den Zugang zum neuen Städel Dach für die Besucher zu ermöglichen. Dabei bildet der Saal aber auch weiterhin den zentralen Auftaktraum der Sammlung Alte Meister und wurde deswegen von uns neu gedacht und eingerichtet: Dieser Kuppelsaal widmet sich nun unserem Stifter Johann Friedrich Städel (1728–1816) und seiner ursprünglichen Sammlung. Auch die berühmte Städel-Büste von Johann Nepomuk Zwerger (1796–1868) ist an ihren Ursprungsort zurückgekehrt und bildet jetzt den Mittelpunkt des Saales.
Was war für die Sammlung von Johann Friedrich Städel charakteristisch?
Jochen Sander: Der 1728 geborene Johann Friedrich Städel war ein Kind der Aufklärungszeit. Die Beschäftigung mit Kunst entsprach dem Selbstverständnis des erfolgreichen Kaufmanns und Bankiers innerhalb der damaligen bürgerlichen Gesellschaft Frankfurts. Die protestantische, bürgerliche Elite spiegelte sich besonders gern in Werken der holländischen und flämischen Kunst des 17. Jahrhunderts wider, die auch in Städels Sammlung stark vertreten waren. Er ergänzte sie häufig um deutsche, gern auch Frankfurter Maler seiner eigenen Zeit, des 18. Jahrhunderts, die sich ihrerseits an der Kunst des „Goldenen Zeitalters“ der niederländischen Malerei orientiert hatten. Städel schätzte Porträts, Landschaften und Alltagsszenen, während ihn religiöse Themen nur wenig interessierten. So erwarb er auch kaum Bilder aus der Zeit vor dem Barock.
Warum eignet sich dieser Ort besonders, um an unseren Museumsgründer zu erinnern?
Bastian Eclercy: Es geht uns darum, Städels ursprüngliche Sammlung ins Zentrum des Bereichs Alte Meister zu stellen, und mit seiner Position und feierlichen Gestalt eignet sich der Kuppelsaal dafür perfekt. Es ist ein Ort der Erinnerung an unseren Stifter entstanden, an dem unsere Besucher nicht nur Johann Friedrich Städel als Sammler, Namensgeber und Stifter kennenlernen können, sondern auch besser verstehen, warum das Museum in dieser Form überhaupt existiert: Back to the roots! Viele großzügige Freunde und Förderer nehmen sich an Johann Friedrich Städel ein Beispiel und führen das von ihm erdachte Bürgermuseum mit ihrem Engagement fort. Er ist bis heute ein inspirierendes Vorbild.
Wie sind die Werke gehängt und was ist die Idee dahinter?
Jochen Sander: Die Präsentation der Gemälde folgt den Prinzipien der „Petersburger Hängung“: Im Rahmen von kompakten, symmetrisch organisierten Bildkonstellationen werden inhaltliche und formale Verbindungen zwischen den Werken hergestellt. Es steht so weniger das Einzelwerk im Mittelpunkt des Interesses, sondern das Ensemble, das den Betrachtern Anlass zum vergleichenden Sehen liefern soll. Benannt ist dieses bis um 1900 alle Museen und Sammlungen prägende Hängekonzept nach dem Vorbild der Eremitage in St. Petersburg. Städel selbst, aber auch das Städel Museum hatte seine Gemäldesammlung in einer „Petersburger Hängung“ präsentiert.
Welche Bedeutung hat die ursprüngliche Sammlung Städels heute und wie hat sich die Sammlung über zwei Jahrhunderte weiterentwickelt?
Bastian Eclercy: Da unterscheidet sich die Situation im Städel Museum tatsächlich von anderen Museen, die nach einem Sammler benannt sind. Bei der Frick Collection in New York oder der Wallace Collection in London bildet der alte Kernbestand heute noch das Herzstück der Sammlung. Städels Gemäldesammlung hingegen fiel bescheidener aus. Bemerkenswert war jedoch die uneitle Weitsicht des Stifters: Er verfügte in seinem Stifterbrief 1815, dass „Mäßiges“ zugunsten von „Besserem“ verkauft werden könne. So ist nur noch ein kleiner Teil dieser Kernsammlung in Frankfurt verblieben. Dazu gehören einige herausragende (vor allem nordalpine) Bilder wie die beiden fantastischen Porträts von Frans Hals. Jedoch sind die bekanntesten Meisterwerke unserer Altmeister-Sammlung, etwa von Jan van Eyck, Mantegna, Botticelli, Dürer, Holbein, Tizian, Bronzino, Reni, Rembrandt oder Vermeer allesamt erst später erworben worden. Schon bald nach der Gründung des Museums entwickelt sich – aufbauend auf Städels Beständen und Vermögen – eine kluge Sammlungsstrategie, die dazu führt, dass wir heute in Frankfurt über 700 Jahre Kunst konzentriert und mit absoluten Spitzenwerken präsentieren können.
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