In ihrer besonderen Art, Licht und Farbe wiederzugeben, ist die Malerei von Eugenie Bandell unverwechselbar. Der vierte Teil der Porträt-Reihe „Städel | Frauen“ beleuchtet, wie die Frankfurter Malerin zu ihrem Stil fand und welchen Herausforderungen sie als Künstlerin gegenüberstand.
Wer war Eugenie Bandell? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, da viele Dokumente, die Aufschluss über die Biografie der Malerin geben könnten, verloren gegangen sind. Ein großer Teil ihres Œuvres und Nachlasses wurde durch die Bombardierung Frankfurts im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die zeitgenössische Kunstkritik und die zahlreichen Gemälde Bandells, die in Museen und privaten Sammlungen aufbewahrt werden, lassen jedoch auf eine sehr produktive Malerin schließen, die in zeitgenössischen Ausstellungen häufig vertreten war und bis zu ihrem Lebensende mit der Wiedergabe von Licht und Farbe experimentierte.
Eugenie Louise Bandell wurde 1858 in Frankfurt am Main geboren. Als sie sich entschied, Künstlerin zu werden, war der Zugang zu einer künstlerischen Ausbildung für Frauen noch keine Selbstverständlichkeit und die Möglichkeiten in der Mainstadt noch sehr begrenzt. In Deutschland blieb Frauen bis 1919 der Zugang zu einer Ausbildung an staatlichen Kunstakademien verwehrt. Allerdings war die Situation vor 1919 von Stadt zu Stadt unterschiedlich. In Frankfurt wurde bereits 1869 an der Kunstschule des Städelschen Kunstinstituts (kurz: Städelschule) eine sogenannte „Damenklasse“ für Malerei eröffnet. Allerdings wurde die Anzahl der unterrichteten Künstlerinnen mit dem Argument fehlender Räumlichkeiten beschränkt, so dass Bewerberinnen immer wieder „wegen Platzmangels“ abgewiesen wurden. Diese Erfahrung machte auch Eugenie Bandell, die 1880 und 1886 vergeblich versuchte, in das Damenatelier der Städelschule aufgenommen zu werden.
Wie viele Künstlerinnen ihrer Zeit musste sich Bandell daher nach Alternativen in der Region umsehen und wurde im nahen Hanau fündig: Die dortige Königliche Zeichenakademie bot aufgrund der Verbindung von Kunst und Gewerbe schon früh Zeichen- und Aquarellunterricht für Frauen an. Bandell studierte dort von 1887 bis 1895 bei Paul Andorff (1849–1920) und nahm zusätzlich privaten Unterricht bei dem Hanauer Maler Georg Cornicelius (1825–1898).
Bandells „Selbstbildnis“ von 1894 – das einzige bekannte Selbstporträt der Künstlerin – ist charakteristisch für ihren frühen Malstil, der von dunklen Tönen und einem gewissen Naturalismus geprägt ist. Ernst und direkt blickt die Künstlerin die Betrachtenden an, obwohl nur die linke Hälfte ihres im Dreiviertelportrait dargestellten Gesichts beleuchtet ist und sich von dem dunklen Hintergrund löst.
Der Weg ins Städel wurde Eugenie Bandell durch Bernhard Mannfeld (1848–1925) geebnet, der seit 1894 eine Radierklasse im Städelschen Kunstinstitut leitete und dort auch Schülerinnen unterrichtete. Von ihm ließ sich Bandell zur Radiererin ausbilden. Bereits 1897 und 1898 präsentierte sie mehrere Papierarbeiten auf den internationalen Ausstellungen im Münchner Glaspalast.
Spätestens 1899 wurde Bandell Schülerin von Wilhelm Trübner (1851–1917). Der anerkannte Vertreter der deutschen Freilichtmalerei hatte seit 1896 ein Atelier im Städel gemietet und unterrichtete dort privat. Zu seinen Schülerinnen gehörten unter anderem Else Luthmer (1880–1961) und Alice Trübner, geb. Auerbach (1874–1916), seine spätere Ehefrau.
Eugenie Bandells Reaktion auf die Begegnung mit Trübners Malweise zeigt ihre Bereitschaft, sich neue künstlerische Strömungen anzueignen. Sie wurde zu einer erfolgreichen Vertreterin der Freilichtmalerei und galt als begabteste Schülerin Trübners. So sehr sie von seinem Unterricht profitierte, so nachteilig wirkte sich die erkennbare, stilistische Nähe auf die Wahrnehmung ihres Werkes aus: Ein Teil der Kritik reduzierte sie oft zu seiner „Epigonin“ – nicht selten begleitet von missbilligenden, frauenverachtenden Kommentaren wie dem, sie sei „ein vortreffliches Beispiel weiblicher Anpassungsfähigkeit in der Kunst“ (Frankfurter Leben 1909, 18.4.1909, Nr. 16). Doch erkannten viele Kritiker auch eine eigene Handschrift. Denn die Malerin blieb nicht im Schatten ihres Lehrers. Ab 1903 mietete Eugenie Bandell ein eigenes Atelier im Städel, wo sie bis zu ihrem Lebensende als freischaffende Malerin arbeitete. Von da an malte sie unaufhörlich Porträts, Landschaften, Stillleben und Frauenakte und konnte sich dank ihres eigenständigen Malstils und ihrer Werke von hohem Wiedererkennungswert in der Kunstszene profilieren und sich einen eigenen Namen machen. Sie stellte jährlich in ihrer Heimatstadt aus und präsentierte ihre Arbeiten wiederholt auf den großen Sezessionsausstellungen in München und Berlin, aber auch in vielen deutschen Städten wie Dresden, Mannheim, Nürnberg, Speyer, Stuttgart oder Wiesbaden.
Im „Bildnis eines Jünglings vor bunter Tapete“ zeigt Eugenie Bandell meisterhaft ihr Können. Durch die systematische Setzung quaderartiger Pinselspuren erscheint die Bildfläche wie ein Mosaik, durch das die Malerin die lang studierte Licht- und Schattenwirkung im Gesicht des Porträtierten gekonnt umsetzte.
Dass Männer bessere Ausstellungschancen hatten, war Eugenie Bandell durchaus bewusst. So ist es wohl als bewusste Strategie zu verstehen, dass sie sich bei einigen Ausstellungen mit einem abgekürzten Vornamen vorstellte und so in Katalogen und Pressekritiken mehrfach unter dem männlichen Pseudonym „Eugen Bandell“ auftauchte – und damit geschlechterspezifische Vorurteile von Ausstellungsjurys und Pressekritikern umging.
Bereits seit den 1860er-Jahren organisierten sich Frauen in Deutschland sukzessive in Vereinen, um mehr Chancengleichheit in Ausbildung und Beruf zu fordern und gegen den Ausschluss von Frauen aus den staatlichen Kunstakademien und die schlechteren Ausstellungsmöglichkeiten zu kämpfen. Eugenie Bandell engagierte sich von Beginn an im 1913 gegründeten, deutschlandweit aktiven Frauenkunstverband, an der Seite von Käthe Kollwitz, Dora Hitz und Ottilie W. Roederstein sowie in der Frankfurter Ortsgruppe. Auf der ersten Generalversammlung dieses Zusammenschlusses professioneller bildender Künstlerinnen, die im Mai 1913 in Frankfurt am Main stattfand, wurde festgestellt:
1916 schlossen sich die Frankfurter, Darmstädter und Mainzer Mitglieder des Frauenkunstverbands unter dem Namen „Dreistädtebund“ zusammen, um gezielt Künstlerinnenausstellungen in diesen drei Städten zu organisieren. Noch in ihrem Todesjahr stellte Eugenie Bandell mit den Künstlerinnen des Dreistädtebundes aus und zeigte ein letztes Mal einen umfassenden Überblick über ihr gesamtes Schaffen.
Die Freude am Experimentieren mit Licht und Farbe behielt Eugenie Bandell bis zu ihrem Lebensende bei. Ein wiederkehrendes Motiv in ihrem Werk ist der Kurort Wilhelmsbad in Hanau, den sie zum Anlass nahm, das Licht- und Schattenspiel der Bäume, auf dem Boden und an der Fassade des Gebäudes zu unterschiedlichen Tageszeiten zu studieren. Das Gemälde im Städel Museum, „Sonne am Mittag (Wilhelmsbad)“ ist ein einzigartiges Beispiel für Bandells Spätwerk, das von einer zunehmend expressiven Form- und Farbgebung geprägt ist: Starke Konturlinien, Schatten in intensivem Blau und an der Fassade sogar in Violett- und Rosatönen in abstrakten Formen, die sich vom kräftigen Gelb der Fassade abheben. Die städtische Galerie im Städel Museum – in deren Ankaufskommission unter anderem die Künstlerin und Sammlerin Pauline Kowarzik saß – erwarb das Gemälde im Jahr nach Bandells Tod als Andenken an das Schaffen der geschätzten Frankfurter Malerin.
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