Wo Carl Schuch lebte, wurde nicht nur gemalt, sondern auch geschlemmt: Knödel und Risotto, Hummer à l’Américaine, Perigord-Trüffel mit Champagner. Der kosmopolitische Wiener suchte in den Küchen Europas dieselbe Perfektion wie auf der Leinwand und fand Motive dort, wo andere nur Zutaten sahen.
Carl Schuch wurde 1846 in Wien in eine gut betuchte Familie geboren. Die Eltern waren Gastwirte, die auch Kaffeehäuser einrichteten, um sie anschließend gewinnbringend weiterzuverkaufen. Seine Erbschaft sicherte ihm zeitlebens finanzielle Unabhängigkeit. Die wiederholt wechselnden Wohnorte machten aus Schuch einen echten Kosmopoliten. Zweifelsohne war der Wiener nicht nur ein hochgebildeter, kultivierter Künstler, der gerne reiste und sich in Kunst und Literatur auf dem neuesten Stand hielt: Er schätzte auch gutes Essen, trank gerne Wein, kochte mitunter sogar selbst – und malte zahllose Küchenstillleben.
Schon aus Venedig berichtete Carl Schuch gelegentlich ausführlicher über seine Essgewohnheiten. Von 1876 bis 1882 hatte Carl Schuch sein Winterquartier dort bezogen und sich mit großem Aufwand ein Atelier einrichten lassen. 1880 schrieb er einem Jugendfreund, seine Küche habe in letzter Zeit „Knödel bester Sorte am Repertoire“. Und seinem Künstlerfreund und späteren Biographen Karl Hagemeister schilderte er die Pracht seiner Ateliereinrichtung beinahe ebenso detailliert wie die Verköstigung durch seinen Hausdiener: „[…] Dann kommt der alte Matteo und deckt den Tisch – gute Küche, halb deutsch halb italienisch: Risotto, Beefsteak, Knödel, Makkaroni, was von beiden Ländern schmeckt. […]“
Mit seinem Umzug nach Paris im November 1882 eröffneten sich für Carl Schuch künstlerisch – aber auch kulinarisch – neue Perspektiven. Der weiße Spargel, den Schuch mehrfach malte, galt in Paris im 19. Jahrhundert als Delikatesse der gehobenen Küche. Wie einen Luxusartikel behandelte auch Édouard Manet das Gemüse: 1880 verkaufte er sein virtuos gemaltes Spargelbündel für 1000 Francs an den einflussreichen Sammler und Kritiker Charles Ephrussi – für 200 Francs mehr als vereinbart. Schuch sah Manets Spargelbündel spätestens Anfang 1884 in der großen Nachlassausstellung des Franzosen in der École des Beaux Arts in Paris. Es regte ihn zu vielfältigen Kompositionen mit Spargelstangen an.
Eine davon zeigt den Spargel in Kombination mit einem Hummer – ein Motiv, das Schuch schon in seiner Zeit in Venedig öfter verwendet hat. Er wählte es stets, um kompositorisch einen besonders intensiven Rotakzent zu setzen. In Paris war Hummer ein Symbol der gehobenen Küche. Schuch selbst aß ihn zumindest einmal „à L’Americain[e]“, – also mit einer Soße aus Cognac, Tomaten, Wein, Schalotten und Kräutern.
Unmissverständlich französisch ist auch der Weichkäse, den Schuch in sein Pariser Motivrepertoire integrierte. Während seine französischen Kollegen Antoine Vollon oder François Bonvin für ihre rustikalen Stillleben cremigen Camembert wählten, entschied sich Schuch zumeist für Ziegenkäse in Rollen, arrangiert unter einer gläsernen Käseglocke. Mit nur einem Pinselstrich lässt er den Rand aus der Dunkelheit seiner Stillleben hervorleuchten. Auch Käse in Zinnfolie malte Schuch; einmal notierte er sich wohl in einem Geschäft in der Rue Notre Dame de Lorette „Gorgonzola mit schön roter Kruste“ als lohnendes Motiv.
Laut seinen Notizen boten die Auslagen von Delikatessgeschäften Schuch Anregungen für Arrangements oder das Motivrepertoire seiner Bilder. „Ananas“, etwa, taucht da hervorgehoben aus „Obst und Gemüse“ auf – auch wenn heute keine einzige Darstellung dieser exquisiten Frucht (mehr) bekannt ist. Auch Artischocken interessierten ihn, Knoblauch und Kürbisse. Letztere kombinierte er gern des effektiven Kontrasts wegen mit bläulichen Elementen wie Weintrauben – und notierte sich u.a. vergleichbare Kompositionen nach Antoine Vollon: Mit einem einzelnen, monumentalen Kürbis hatte dieser 1880 im Salon für Furore bei den Kritikern gesorgt.
Carl Schuch malte in Paris keine Prunkstillleben. Seine Kompositionen sind reduziert auf wenige Gegenstände, still und konzentriert im Sinne von Jean Siméon Chardin. Oft platzierte er die einzelnen Gegenstände seiner delikaten Farbzusammenstellungen sogar auf rohen Malbrettern, wodurch der rustikale Charakter seiner Küchenstillleben noch unterstrichen wird. Die einzelnen Komponenten jedoch sind erlesen – farbkompositorisch wie kulinarisch.
„Dort malten wir nur Stillleben bis nachmittags, um dann zum Essen zu gehen.“, schreibt Karl Hagemeister 1913 über seinen Besuch bei Schuch in Paris. Und Schuch selbst schrieb 1885 ein festliches Abendessen nieder, aus dem deutlich seine Neigung für die Haute Cuisine spricht. Bei ihm gab es an diesem Abend:
„Huitres d'Ostende [Austern aus Ostende]
Homard a l'Americain [Hummer à l’Armoricaine]
Chaufroid de perdreau [glasiertes Rebhuhn]
Truffes Perigord au Champagne [Perigord-Trüffel mit Champagner]
Piments d'Espagne en salade [Gemüsegericht von spanischer Paprika in Salatform]“
Und dazu
„Liebfrauenmilch
Pontet Canet
Champagne“.
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