Philipp Fürhofer entführt uns in eine Welt zwischen Naturidylle und kapitalistischer Realität. Woher kommt diese ungebrochene Natursehnsucht und wie reflektieren seine Landschaftsbilder die Konflikte zwischen Mensch und Natur im 21. Jahrhundert?
Es sind insbesondere die Künstler der Epoche der Romantik im 18. und 19. Jahrhunderts, die sich der Landschaftsmalerei zur Vergegenwärtigung des menschlichen Bestrebens nach Glück bedienten. Auch in Philipp Fürhofers vermeintlich idyllischen Landschaften scheint der menschliche Zwiespalt zwischen der Sehnsucht nach unberührter Natur und dem Drang nach stetiger Optimierung im 21. Jahrhundert durch – eine trügerische Romantik.
Weite Landschaftszüge, unzählige Pflanzen und die förmlich greifbare Hoffnung auf Harmonie fernab jeglicher Alltagslasten: Der Traum der unberührten Natur als Sehnsuchtsort der Vollkommenheit ist alt. Schon seit der griechischen Antike wird der Begriff „Arcadia“ als Sinnbild des menschlichen Glücks inmitten der Natur verwendet. Dabei schwebt Arkadien – ein griechisches Berggebiet – zwischen Illusion und Realität: Es löste sich von seiner geografischen Verortung und verwandelte sich zur Umschreibung einer geistigen Landschaft, die das Glück der heilen Welt verspricht.
Phantominseln sind ebenso ein mentaler Ort: Einst auf historischen Karten verzeichnete Inseln erwiesen sie sich im Laufe der Zeit als Fehler, Doppelung, Fata Morgana. Es sind Welten, die einst real geglaubt waren und doch nie existiert haben. So tun sich auch in Philipp Fürhofers Schaffen verleitende Welten auf: Palmen und Dschungelpfade, Waldlichtungen und Seenlandschaften umringen den Betrachter. Äste, Lianen, Sümpfe und Nebelschwaden entfalten sich in strahlenden Acryl- und Ölfarben auf dem gläsernen Bilduntergrund. Sonnenuntergänge an tropischen Stränden in intensivem Orange, Violett und Rosa rufen uns das Versprechen eines ganz persönlichen Arkadiens entgegen. Beleuchtet durch die dahinterliegenden Neonröhren erscheint die vielschichtige malerische Naturvision im Leuchtkasten durch den Spionspiegel hinweg. Erlischt das Licht, kehrt die reflektierende Wirkung zurück: Die Malerei vergeht vor unseren Augen und wir bleiben mit unserem Spiegelbild zurück.
Blicken wir zurück auf die Historie der Landschaftsmalerei, erfährt die Gattung mit der aufkommenden Epoche der Romantik ab dem 18. Jahrhundert einen erneuten Höhepunkt: Landschaftsansichten waren nun auch von der romantischen Idee durchtränkt, innere Empfindungen und Seelenzustände anzudeuten, wenn nicht sogar wiederzugeben. Der Bildgegenstand der wilden Natur, eingefangen in einem meist intensiven Licht- und Farbenspiel, diente den Künstlern als bildstrategisches Mittel. Vielleicht aufgrund ihrer Bewunderung enthoben Künstler die Natur zu einem fast fantasievollen Ort, intensivierten das Erlebnis der Durchwanderung von Schluchten, Wäldern und Wiesen. Natur wird dabei vom Ideal für Frieden und Glück nun auch zum Sinnbild für das Erhabene. So zielte die mystische Malerei eines Caspar Davids Friedrichs sogar auf die Vergegenwärtigung des Göttlichen, das in den Weiten der Natur verankert sei. Die Hinwendung zur transzendenten Dimension in den nebeligen Landschaften von Friedrich und anderen Künstlern der Romantik war kein Zufall: Mit den durch die Industrialisierung wuchernden Großstädten intensivierte sich im 19. Jahrhundert der Kontrast von Stadt und Natur mehr denn je; und die Sehnsucht nach der unberührten Landschaft wuchs.
Das Bildnis der Entzweiung von Mensch und Natur führt uns mit den immer schneller wachsenden Millionenstädten und dem schier unendlichen Antrieb zur individuellen Optimierung zurück ins 21. Jahrhundert und damit zu Fürhofers Leuchtkästen und Gemälden. Doch das hoffnungsvolle Versprechen von der Natur als Paradies ohne Sorgen und Lasten entpuppt sich auf dem zweiten Blick in seinen Werken als fatale Szenerie. Die einstige friedvolle wie auch mystische Atmosphäre der Natur zerbricht an der Oberfläche. Bilder von Waldbränden und Skelette, aber auch Supermarktregale oder Aufnahmen aus Hollywoodklassikern – beispielsweise eine Kussszene aus Alfred Hitchcocks „Über den Dächern von Nizza“ (1955) – blitzen collagenhaft hervor. Porträts von Schauspielern wie Grace Kelly und Cary Grant oder das perfekte Werbelächeln wandeln sich auf fast morbider Art und Weise zum Hinweis für den Grund der bröckelnden Illusion einer vollkommenen Natur – den Menschen.
Der Mensch und sein Verhalten beeinflusst seit Beginn der Industrialisierung seinen Lebensraum, die Erde, so stark wie nie zuvor. So sehr, dass Wissenschaftler seit 2016 von einem neuen geologischen Erdzeitalter sprechen – dem „Anthropozän“ –, um den menschengeschaffenen Einfluss auf die Erde und die globale Umwelt aufzuzeigen. Andeutungen dazu finden sich auch in Fürhofers Malerei in Form des vertrauten Kontrasts zwischen Kultur und Natur, Konsum und Vollkommenheit wieder. So ragen auch in den Baumkronen zwischen romantischen Nebelschleiern keine fragilen Äste hervor. Stattdessen bilden typische Werbeversprechen wie „natural beauty“, „hot and sexy“ und „forever young“ die gen Himmel gerichteten Blätter. Anstelle der Mystik einer möglichen transzendenten, göttlichen Präsenz in der Natur ist die kapitalistische Alltagsrealität getreten. Der Konsum als neue, höchste Religion? Fürhofer überlässt uns diese persönliche Auslegung, wenn wir durch seinen Bilderkosmos flanieren. Während uns in einem Moment einladende Wald- und Seenlandschaft entgegenblitzen, finden wir uns im nächsten Moment mit der Fragilität der Natur und damit unserer eigenen Existenzgrundlage konfrontiert. Mit den nur vermeintlich romantischen Bildern, die sich vor uns aufbauen und wieder verschwinden, führt uns Fürhofer die sich zuspitzende Dualität von Mensch und Natur in seiner Landschaftsmalerei vor Augen.
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