Bereits der Titel der Ausstellung „Maniera. Pontormo, Bronzino und das Florenz der Medici“ verbildlicht den Stellenwert der berühmten Familie in der Stadt und ihre Bedeutung für die Kunst des Manierismus. In den gezeigten Werken lässt sich ihre Familiengeschichte und ihre Macht ablesen.
Die Medici waren nicht nur eine wohlhabende Bankiersfamilie, sondern eine Herrscherdynastie, deren Mitglieder sich insbesondere im 15. und 16. Jahrhundert mithilfe ihres Reichtums die politische Machtstellung in Florenz sicherten. Dabei mussten sie ihre eigenen Interessen und diejenigen ihrer Verbündeten in ein austariertes Gefüge bringen und schreckten auch nicht vor Intrigen, Verschwörungen und sogar Mord zurück. Sie bekleideten wichtige Ämter in der Stadt, stellten Ratsherren, Herzöge, Kardinäle und selbst Päpste in Rom und leiteten auf vielschichtige Weise die Geschicke von Florenz. Dabei war es nicht maßgeblich, ob die Söhne und Töchter legitime oder uneheliche Sprösslinge waren, lediglich die Erhaltung der dynastischen Kontinuität gegen alle Widerstände ihrer Feinde war von Bedeutung. Die Entwicklung der Kunst des Florentiner Manierismus ist dabei untrennbar mit den Medici verknüpft, unmittelbar durch die Auftraggeberschaft oder mittelbar durch den Einfluss, den die Familie auf die politischen und gesellschaftlichen Vorgänge in der Stadt hatte.
1512 ist das Datum, mit dem unsere Maniera-Ausstellung chronologisch beginnt, denn in diesem Jahr kehrte Giuliano de‘ Medici nach der Vertreibung der Familie 1494 nach Florenz zurück. Er wurde nicht gerade euphorisch empfangen, das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der mächtigen Familie war groß und die vor allem republikanisch gesinnten Feinde der Dynastie waren wachsam. Giuliano beauftragte kurz nach seiner Ankunft 1513 den damals gerade mal 19-jährigen Maler Jacopo Pontormo (1494–1557) mit der Dekoration von Festwagen für das Karnevalsfest in Florenz. Die beiden auf Leinwand gemalten Grisaille-Gemälde – eine Malerei in Schwarz, Grau und Weiß – sind Teil dieser Ausstattung und mussten eine beeindruckende Wirkung im Fackellicht gehabt haben, wenn die Festzüge des Abends durch die Straßen von Florenz zogen.
Die Bilder zeigen zwei Szenen aus Ovids „Metamorphosen“ mit der Geschichte von Apoll und Daphne: auf dem einen der Moment, kurz bevor Amor Apoll mit seinem Liebespfeil abschießt und letzterer sich unsterblich in die Nymphe Daphne verliebt und auf dem anderen die Szene, in der sich Daphne nach Apolls Berührung in einen Lorbeerbaum verwandelt. Diese beiden Gemälde dokumentieren eindrücklich das Bemühen der Medici, die Bevölkerung und vor allem das Bürgertum durch großzügig finanzierte Karnevalsumzüge auf ihre Seite zu ziehen.
Wie auch Giuliano entstammte Alessandro de‘ Medici der alten Blutlinie der Familie, die auf Cosimo il Vecchio (1389–1464) zurückgeht, den Begründer der Medici-Herrschaft in Florenz. Nach dem kurzen und letzten republikanischen Intermezzo zwischen 1527 und 1530 wurde Alessandro von Kaiser Karl V. zum ersten Herzog der Republik Florenz ernannt. Alessandro war ein grausamer und tyrannischer Herrscher, der dafür bekannt war, sich mehr den sinnlichen Genüssen hinzugeben, als sich um das politische Gleichgewicht innerhalb der Stadt zu bemühen. In Giorgio Vasaris (1511–1574) Porträt von etwa 1534 lässt er sich zwar als Begründer des ewigen Friedens in Florenz darstellen, der Künstler verwendet dazu jedoch das martialische Symbol eines brennenden Helms. Auch die unterjochten Feinde in Gestalt der Hermen auf dem Hocker und der blutrote Umhang verbildlichen seine gewaltvolle Herrschaft. Offiziell war Alessandro der illegitime Sohn von Lorenzo de‘ Medici, vermutlich war jedoch Papst Clemens VII. sein Vater (mit bürgerlichem Namen Giulio de‘ Medici), der in den Jahren seiner päpstlichen Herrschaft Florenz von Rom aus fernsteuerte. Die Mutter Alessandros war hingegen wahrscheinlich eine afrikanische Sklavin - in Pontormos Porträtkopf wird diese Abstammung dezent durch die dunklere Hautfarbe, die gelockten Harre und die vollen Lippen zum Ausdruck gebracht. Der Untergang des noch recht jungen Alessandro war ebenso spektakulär, wie wenig überraschend: Der Herzog wurde bereits im Jahr 1537 nach kurzer Amtszeit von seinem Vetter und engen Vertrauten Lorenzino de‘ Medici ermordet.
Auf Alessandro folgte ein wesentlich besonnenerer Herrscher: Cosimo I., der sogar im Jahr 1569 zum Großherzog der Toskana ernannt werden sollte. Er entstammte als Sohn Maria Salviatis und Giovanni de‘ Medicis einem jüngeren Strang der Familie, der auf Lorenzo den Prächtigen (1449–1492) zurückging. Auch ihn porträtierte Pontormo in den 1530er Jahren. Selbstbewusst schaut der in Halbfigur dargestellte junge Herzog aus dem Bild, baut sich regelrecht vor uns auf, die Waffe griffbereit und das Buch als Zeichen seiner Gelehrsamkeit in der Hand. Insbesondere war Cosimo bestrebt, Florenz zu einem Zentrum der kulturellen Blüte zu verwandeln, daher versammelte und förderte er die bedeutendsten Schriftsteller, Architekten und Künstler an seinem Hof.
Allen voran wurde 1539 Agnolo Bronzino (1503–1572) zu seinem offiziellen Hofmaler ernannt. In erster Linie porträtierte der Künstler die herzogliche Familie und verschaffte ihr damit ein Image, das bis heute nachwirkt. Die Ehefrau Cosimos, Eleonora di Toledo, stammte aus Kastilien und ließ sich in spanischer Hofmode in distanzierter Erhabenheit porträtieren. In dem mit kostbarem Perlenbesatz und edlem Samt aufwendig bestickten Kleid und dem beherrschten Gesichtsausdruck wirkt sie unnahbar und bewundernswert zugleich. Auch die acht Kinder des Paares wurden auf ihre zukünftige Rolle der Fortführung der dynastischen Tradition bereits früh vorbereitet: Garcia de‘ Medici tritt im Alter von etwa vier Jahren in edlem Gewand und ernster Miene bereits wie ein kleiner Staatsmann auf. Wären nicht der Babyspeck und die kleine Statur, könnte man beinahe vergessen, dass es sich um ein Kleinkind handelt. Mit seinen höfischen Kinderporträts hat Bronzino eine Tradition begründet, die die Kunstgeschichte in den darauf folgenden Jahrhunderten nachhaltig prägen sollte.
Die Faszination für die Familie Medici ist auch heute, etwa 400 Jahre später, noch ungebrochen. Davon zeugt beispielsweise die amerikanische Serie „Medici: Masters of Florence“, die kürzlich mit dem Schauspieler Dustin Hoffman in einer der Hauptrollen verfilmt wurde.
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