Bronzinos „Bildnis einer Dame in Rot“ ist Ausgangs- und Schlüsselwerk der „Maniera“-Ausstellung. Ein Kapitel der Schau versammelt um die Respekt gebietende Schönheit andere hochkarätige Damenbildnisse, darunter Bronzinos „Bildnis einer Dame in Grün“ aus den Sammlungen des englischen Königshauses.
Vor einem dunkelroten Hintergrund zeigt das um 1530-32 entstandene Bildnis aus der Royal Collection eine junge Dame in Halbfigur, die ihre Hände vor dem Leib übereinandergelegt hat und den linken Arm auf ein nur angedeutetes Möbel stützt. Fast frontal mustert sie den Betrachter konzentriert, beinahe durchdringend. Sie trägt ein fein plissiertes Untergewand, das mit eleganten Stickereien in Schwarz verziert ist, darüber ein grünes Kleid mit grau-beigen Streifenapplikationen und schön gerüschten Puffärmeln, an die engere Unterärmel aus geschlitztem Leder angesetzt sind. Ihr braunes Haar hat die Frau in einer ebenfalls grünen, mit Goldfäden reich gemusterten Wulsthaube („balzo“) zusammengesteckt. Mit der linken Hand hält sie ein Stück Stoff, das vermutlich einen Handschuh darstellt.
Die Raffinesse dieses scheinbar schlicht arrangierten Porträts beruht auf dem fein austarierten Gleichgewicht seiner Komposition, vor allem den diagonalen Achsen, mit denen die Figur rautenförmig fest im Bildgefüge verspannt erscheint. Die Streifen der Ärmel führen den Blick des Betrachters von den Händen zu dem charaktervollen Haupt und wieder zurück. Kleine Achsverschiebungen verleihen der Dargestellten bei allem Innehalten in der Pose ein dynamisches Moment. So hat sie die rechte Schulter leicht nach vorne gedreht, das Haupt kaum merklich aus der Frontalansicht gewendet und etwas geneigt.
Nach der Belagerung von Florenz ging der Maler des Werks Agnolo Bronzino 1530 für zwei Jahre nach Pesaro an den Hof des Herzogs von Urbino, Francesco Maria I. della Rovere, wo er mit der oberitalienischen Kunst in Berührung kam, vor allem der Malerei Dosso Dossis (um 1480–1542) und Tizians (um 1488–1576). Seine zentralen Errungenschaften dieser Jahre waren ein differenziertes Hell-Dunkel und ein erstaunlicher Detailrealismus, jenes fast obsessive Interesse für die Texturen verschiedener Oberflächen, das in Pesaro seinen Ursprung nahm und Bronzino fortan so sehr beschäftigen sollte. Diese Charakteristika zeichnen auch das „Bildnis einer Dame in Grün“ aus, das in besagter Zeit in Pesaro entstanden sein muss – unmittelbar vor der Städelschen „Dame in Rot“, die Bronzino um 1533 kurz nach seiner Rückkehr in Florenz schuf.
Im Frankfurter Bildnis, das sich seit 1882 in der Städelschen Sammlung befindet und ursprünglich einmal Jacopo Pontormo (1494–1557) zugeschrieben wurde, hat Bronzino diese Innovationen konsequent fortgeführt. Gerade in den Detailformen der physiognomisch durchaus unterschiedlichen Gesichter sind die Parallelen frappierend, etwa in der Bildung des Mundes mit der schmalen Oberlippe, den artikulierten Mundwinkeln und der prononcierten Unterlippe. In der Plissierung des Untergewandes hat der Maler im Städel-Bild aber einen noch virtuoseren Grad an Differenzierung erreicht. Verschiedene Indizien weisen darauf hin, dass die Dame im roten Kleid mit Francesca Salviati zu identifizieren sein dürfte, der Tante des späteren Herzogs Cosimo I., die sich 1533 mit Ottaviano de’ Medici vermählte. In dem Frankfurter Tafelbild brachte Bronzino diesen neuen Typus des monumentalen, repräsentativen Damenbildnisses zur Perfektion. Die kühle Eleganz und Distanziertheit der „Dame in Rot“, ihre unglaubliche Körperspannung in der aufrechten Haltung, die feierliche Inszenierung durch die Pilasternische, die Einführung einer symbolischen Verweisebene in den Accessoires und die malerische Brillanz der Ausführung im Detail machten aus diesem Typus ein exemplarisches Meisterwerk mit Vorbildcharakter.
Andere Florentiner Maler rezipierten das Städel-Porträt ganz unmittelbar, wie Pier Francesco Foschis (1502–1567) wenig späteres „Bildnis einer Dame“ (heute im Bestand des Madrider Museo Thyssen-Bornemisza und derzeit auch in der Ausstellung im Städel zu sehen) erweist. Die junge Frau sitzt ebenso vor einer von Pilastern flankierten Nische. Eine mächtige Steinbank dient der Dame als Sitz, die wie in die Architektur eingezwängt erscheint. Sie wird gleichfalls dreiviertelfigurig in schräger Position gezeigt, den linken Arm waagerecht aufgestützt. Selbst die Haltung der linken Hand hat Foschi von Bronzino übernommen, obwohl diese nun die Kordel des Kleides berührt. Die unbekannte Florentinerin trägt ähnlich wie die „Dame in Rot“ ein plissiertes Untergewand mit besticktem Kragen, darüber ein rosafarbenes Kleid mit Puffärmeln sowie eine goldene Halskette. Am Gürtel des Kleides ist eine kunstvoll geknotete Kordel befestigt, die wie die schwarze Kette im Frankfurter Bild über den Schoß verläuft und in einer Quaste endet. Foschis Madrider Porträt, dessen künstlerische Qualität weit hinter Bronzino zurückbleibt, belegt beispielhaft die Wirkmacht der Bilderfindung der „Dame in Rot“, der in der Geschichte des Florentiner Damenbildnisses die Rolle eines Schlüsselwerks zukommt.
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