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Ab Herbst zeigt sich das Städel von seiner dunklen Seite…

In der umfassenden Sonderausstellung „Schwarze Romantik. Von Goya bis Max Ernst“ widmet sich das Städel Museum im Herbst der dunklen Seite der Romantik und ihrer Fortführung im Symbolismus und Surrealismus. Mehr als 200 Gemälde, Skulpturen, Grafiken, Fotografien und Filme spüren der Faszination zahlreicher Künstler für das Abgründige, Geheimnisvolle und Böse nach.

Sarah Heider — 24. August 2012
Ernst Ferdinand Oehme, Prozession im Nebel, 1828, Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Ernst Ferdinand Oehme, Prozession im Nebel, 1828, Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Die von Dr. Felix Krämer kuratierte Ausstellung möchte das Interesse für die düsteren Aspekte der Romantik wecken und damit zu einem erweiterten Verständnis der Bewegung anregen. Aufbauend auf dem eigenen Sammlungsbestand, der mit Werken von Francisco de Goya, Eugène Delacroix, Franz von Stuck oder Max Ernst wichtige Arbeiten zur Thematik versammelt, konnten bedeutende Leihgaben aus dem Pariser Musée d’Orsay, dem Musée du Louvre, dem Museo del Prado in Madrid oder dem Art Institute of Chicago für die Ausstellung gewonnen werden. In den vertretenden Meisterwerken von Goya, Johann Heinrich Füssli und William Blake sowie Théodore Géricault und Delacroix bis hin zu Caspar David Friedrich zeichnet sich eine romantische Geisteshaltung ab, die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts ganz Europa erfasste und bis ins 20. Jahrhundert hinein bei surrealistischen Künstlern wie Salvador Dalí, René Magritte oder Paul Klee und Max Ernst ihre unmittelbare Fortsetzung fand. Die Arbeiten erzählen eindringlich von Einsamkeit und Melancholie, von Leidenschaft und Tod, von der Faszination des Grauens und dem Irrationalen der Träume.

Julien Adolphe Duvocelle, Totenschädel mit hervortretende Augen, 1904, Musée d’Orsay, Paris

Julien Adolphe Duvocelle, Totenschädel mit hervortretende Augen, 1904, Musée d’Orsay, Paris

Leser, die das Wort „Romantik“ im Ausstellungstitel gleichbedeutend mit allem Lieblichen setzen, werden beim Besuch der Ausstellung eines Besseren belehrt. Gezeigt werden vor allem die Schattenseiten des Lebens, die Abgründe der menschlichen Seele, die emotionalen Ausnahmezustände. Im Ausstellungshaus wird es von Dämonen, geisterhaften Frauengestalten, leuchtenden Augen im Dunkeln, Weltuntergängen, Vulkanausbrüchen, Liebeskummer, Tod, Wollust, Gier und Feuersbrünsten nur so wimmeln.

Samuel Colman, Vor dem Weltuntergang, 1836–1838, Brooklyn Museum, Bequest of Laura L. Barnes

Viele der präsentierten künstlerischen Entwicklungen und Positionen resultieren aus einem erschütterten Vertrauen in ein aufgeklärtes, fortschrittliches Denken, das sich rasch nach der – als neues Zeitalter gefeierten – Französischen Revolution zum Ende des 18. Jahrhunderts ausgebreitet hat. Blutiger Terror und Kriege brachten Leid und den Zerfall gesellschaftlicher Ordnungen in weiten Teilen Europas. So groß die anfängliche Begeisterung war, so groß war auch die anschließende Enttäuschung, als sich die düsteren Facetten der Aufklärung in all ihrer Härte offenbarten. Nun widmeten sich junge Literaten und Künstler verstärkt der Kehrseite der Vernunft. Das Schreckliche, das Wundersame und Groteske machten dem Schönen und Makellosen die Vorherrschaft streitig. Der Reiz der Beschäftigung mit Sagen und Märchen und die Faszination für das Mittelalter traten dem Ideal der Antike gegenüber. Auch die heimische Natur gewann verstärkt an Anziehungskraft und wurde zum beliebten Motiv der Künstler. Dem hellen Licht des Tages begegneten der Nebel und die dunkle, geheimnisvolle Nacht.

Francisco de Goya, Flug der Hexen, 1797/98, © Museo Nacional del Prado, Madrid

Francisco de Goya, Flug der Hexen, 1797/98, © Museo Nacional del Prado, Madrid

Den Auftakt der Ausstellung gibt Johann Heinrich Füsslis Gemälde „Der Nachtmahr“ (1790/1791), das im späten 18. Jahrhundert bei den Zeitgenossen für starke Empörung sorgte. Sie hielten Füssli für einen Verrückten und man flüsterte, er esse jeden Abend vor dem Schlafengehen ein rohes Stück Schweinefleisch, um seine Vorstellungskraft im Traum ins maßlos Unheimliche zu steigern.

Johann Heinrich Füssli (1741–1825), Der Nachtmahr, 1790/91, © Frankfurter Goethe-Haus – Freies Deutsches Hochstift

Johann Heinrich Füssli, Der Nachtmahr, 1790/91, © Frankfurter Goethe-Haus – Freies Deutsches Hochstift

Die Geisteshaltung der romantischen Strömung vollstreckt sich über den Symbolismus und Surrealismus bis ins 20. Jahrhundert – besonders der Film wurde neben der Literatur zum zentralen Schauplatz der schwarzen Romantik. Hier hatten das Böse, der Kitzel der Angst genau wie die Lust am Schrecken und Abgründigen ihr Zuhause gefunden. In Kooperation mit dem Deutschen Filmmuseum können erstmals innerhalb einer Ausstellung im Städel Ausschnitte von Filmklassikern wie Frankenstein (1931), Dracula (1931), Faust (1926), Vampyr (1931/32) oder Der Fuhrmann des Todes (1921) gezeigt werden.

Friedrich Wilhelm Murnau, Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens, Deutschland 1922, Filmstill, © Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung

Friedrich Wilhelm Murnau, Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens, Deutschland 1922, Filmstill, © Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung

Die Ausstellung ist ein elementarer Baustein des großen Kooperationsprojekts „Impuls Romantik“, das der Kulturfonds Frankfurt RheinMain initiiert und finanziell ermöglicht hat. Im Rahmen dieses Schwerpunktthemas richtet der Kulturfonds von 2012 bis 2014 den Blick auf die romantische Bewegung und schöpft dabei aus der Dichte herausragender Künstler, die hier lebten und wirkten. Die Kulturregion Frankfurt Rhein-Main hat durch Johann Wolfgang von Goethe und die Gebrüder Grimm genauso wie durch bildende Künstler wie Moritz von Schwind oder Victor Müller einen wichtigen Beitrag zur Romantik geleistet.


Sarah Heider ist Pressereferentin am Städel. Sie gruselt sich am liebsten vor Spinnen.

Ab dem 26. September könnt ihr euch im Städel von der „Schwarzen Romantik“ in ihren Bann ziehen lassen. Auch der Städel-Blog wird sich von seiner düsteren Seite zeigen und ausgiebig über die Themen und Inhalte der Ausstellung berichten.

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