Vor der Ausstellung „Heilige Nacht“ im Liebieghaus wurde Hans Baldungs „Geburt Christi“ restauriert. Die nun sichtbaren Details lassen das Bild buchstäblich in einem neuen Licht erscheinen.
Hans Baldung tauchte seine Darstellung der Geburt Christi ganz bewusst in extreme Beleuchtung: Die Gestalt des Kindes scheint ein gleißendes Licht auszusenden, das die Farbe seines Körpers auslöscht und die umgebenden Personen grell aus dem Dunkel hervortreten lässt. Geblendet muss sich der ihn tragende Engel abwenden und Josef mit der Hand seine Augen schützen. Auch das Mariengesicht wird von dem hellen Schein erfasst. Die vordere Kante des provisorischen Strohdachs und die dort heranschwebenden Engel sowie Ochs und Esel trifft noch ein letzter Lichtreflex. Die übrige Umgebung versinkt hingegen in schwarzer Nacht. Die zentralen Personen und Motive hebt der Maler auch mithilfe einer differenzierten, malerischen Behandlung hervor: Anders als die vom Licht getroffenen Oberflächen, die höchst präzise ins Bild gesetzt sind, verschwimmen im Schatten die nur vage angedeuteten Formen.
Von den starken Kontrasten und der abgestuften Malweise sah man in den Schattenpartien vor der Restaurierung alllerdings nur noch wenig – so stark wurden sie durch alte Überarbeitungen und den gealterten Firnis gestört. Als wir das Tafelgemälde untersuchten, zeigte sich, dass sich in der Vergangenheit manche Bretter der Holztafel verwölbt und die Brettfugen geöffnet hatten. Bei einer Neuverleimung der gewölbten Bretter waren Niveauunterschiede entstanden, die man durch Abschleifen der Malerei entlang der Fugen und mit viel Kittmasse ausgeglichen und wieder übermalt hatte.
Scharfe Reinigungsmaßnahmen hatten in der Vergangenheit die Malschicht mancher Bildpartien stark angegriffen. Teile des blauen Gewandes, der Hand und Haare Marias waren dabei beschädigt worden. Auch diese Schäden kaschierte man anschließend durch mehrfache Übermalungen. Doch auch unzerstörte, originale Malerei verschwand unter den Kittungen und Retuschen. Die Überarbeitungen, inzwischen fleckig verfärbt, verdeckten manche Motive des Bildhintergrundes fast vollständig. Die vom Maler beabsichtigten Helligkeitskontraste und besonders der schwarze Nachthimmel ließen sich durch die trüb und bräunlich veränderten Firnisschichten hindurch nur noch stark verändert wahrnehmen.
Behutsam reduzierten wir die alten Firnisse und nahmen die Übermalungen ab – dadurch traten nicht nur die alten Schäden zutage, die wir zurückhaltend neu retuschierten, sondern auch bisher verdeckte und nahezu unsichtbare Motive . Im Fensterausschnitt der Ruine links oben erscheint nun wieder die vom Maler zart angedeutete Verkündigung an die Hirten. Auch die sparsame, aber scharf abgegrenzte Beleuchtung des Marienkleides tritt nun wieder klar hervor und erzeugt den Eindruck deutlicher Plastizität. Die Stirn der Gottesmutter, vor der Restaurierung unter der verfälschenden Rekonstruktion ihres Kopfschleiers verborgen, war zum Glück nur teilweise beschädigt und konnte weitgehend wieder freigelegt werden.
Außerdem ist rechts oben die von einem bläulichen Schimmer umgebene Figur Gottvaters wieder besser zu erkennen. Er trägt das Kreuz als Vorausdeutung auf den Opfertod Christi. Im Kontext dieser Passionssymbolik ist auch die verstörend wirkende Farbe des Kindes zu sehen: Weil Maria als Jüdin mit den alttestamentarischen Prophezeiungen vertraut war, soll ihr den Visionen der heiligen Birgitta zufolge bereits bei Geburt das Schicksal ihres Sohnes bewusst gewesen sein: „So oft ich [Maria] meinen Sohn anblickte, so oft ich ihn einwickelte in die Windeln, so oft ich seine Hände und seine Füße anschaute, so oft ist mein Gemüt gleichsam von neuem Schmerz verschlungen worden, weil ich daran dachte, wie er gekreuzigt werden würde.“ Der in einer anderen Vision Birgittas beschriebene göttliche Glanz des Kindes schlägt vermutlich deshalb bei Baldung in Leichenblässe um und die Windeln erinnert zugleich an das Leichentuch. Dank der jüngsten Restaurierung tritt diese subtile Symbolik wieder deutlich vor Augen.
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