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Untersuchen, Finden, Restaurieren

In der Städel Sammlung liegen viele Geheimnisse. Restauratoren decken immer wieder welche auf. Eine Kabinettpräsentation gewährt nun Einblick in ihre Forschungstätigkeit – und aktuelle Entdeckungen.

Eva Bader und Daniel Zamani — 7. Dezember 2016
Ernst Ludwig Kirchner, Schlittenfahrt im Schnee, 1927 – 1929

Ernst Ludwig Kirchners „Schlittenfahrt im Schnee“, 1927–29 (Städel Museum, Frankfurt am Main, Eigentum des Städelschen Museums-Vereins e.V.)

Ernst Ludwig Kirchner, Szene im Café, ca. 1926

Ernst Ludwig Kirchners neu entdeckte „Szene im Café“, um 1926 (Städel Museum, Frankfurt am Main, Eigentum des Städelschen Museums-Vereins e.V.)

Bei der Untersuchung von Ernst Ludwig Kirchners Gemälde Schlittenfahrt im Schnee (1927–29) haben wir ein bis dahin vollkommen unbekanntes Werk des Künstlers entdeckt, das unter der Leinwand verborgen war. Solche Glücksfunde stellen eine absolute Seltenheit dar. Dennoch sind technologische Untersuchungen von Kunstwerken ein zentraler Bestandteil der täglichen Museumsarbeit. Sie erlauben ein besseres Verständnis von Entstehungsprozessen und künstlerischen Arbeitsweisen. Welche besonderen Entdeckungen dabei gemacht werden, zeigt die Kabinettpräsentation „Über das Untersuchen, Finden und Restaurieren von Bildern“. Neben dem Kircher-Fund sind hier weitere Beispiele restauratorischer Tätigkeit zu sehen, darunter Werke von Walter Dexel (1890–1973) und Hans Thoma (1839–1924).

Versteckt hinter Glas

Walter Dexel: "Glasbild II" oder "Blaue Scheibe", 1928, daneben der originale Rückseitenschutz, auf dessen Vorderseite sich das "Haus mit Zwiebelturm" befindet (Städel Museum, Frankfurt am Main)

Walter Dexel: „Glasbild II“ oder „Blaue Scheibe“, 1928, daneben der originale Rückseitenschutz, auf dessen Vorderseite sich das „Haus mit Zwiebelturm“ befindet (Städel Museum, Frankfurt am Main)

Erst kürzlich erwarb das Städel Museum Glasbild II (1928), ein Hauptwerk Walter Dexels. Bekannt ist der Künstler auch als Werbegestalter und Typograf. Bei dem neuen Werk handelt es sich um eine sogenannte Hinterglasmalerei – einer vornehmlich aus der Volkskunst bekannten Technik, bei der die Rückseite einer Glasplatte bemalt wird. Der Betrachter sieht das fertige Bild dann durch die Scheibe, die den Farben Glanz und Tiefe verleiht. Als Bindemittel für die Malfarben kommen Öle, Harze, Leime, Kasein – oder auch Hühnerei in Frage. Die konstruktivistische Komposition gestaltete Dexel mit einer reduzierten Farbpalette aus Schwarz, Weiß, Rot und Blau. Diese trug er einschichtig und deckend mit dem Pinsel auf. Zum Schutz der empfindlichen Oberfläche hinterlegte er die bemalte Seite mit einem Karton.

Walter Dexels "Haus mit Zwiebelturm" (l., Fragment), 1917, und die historische Schwarz-Weiß-Abbildung des Gemäldes (Städel Museum, Frankfurt am Main)

Walter Dexels „Haus mit Zwiebelturm“ (l., Fragment), 1917, und die historische Schwarz-Weiß-Abbildung des Gemäldes (Städel Museum, Frankfurt am Main)

Auf eben diesem Rückseitenschutz kam nun ein weiteres Werk des Künstlers zum Vorschein: Es handelt sich um ein Fragment des früheren Gemäldes Haus mit Zwiebelturm (1917). Das Gemälde gilt schon länger als verschollen. In dem 1995 erschienen Werkverzeichnis zu Dexel ist es jedoch durch eine historische Schwarz-Weiß-Abbildung eindeutig belegt. Der Künstler hat es oben und rechts nachträglich auf das Format des Hinterglasbildes zugeschnitten und als Rückseitenschutz umfunktioniert. Wir präsentieren das wiederentdeckte Werk jetzt als Fragment, dessen Ränder bewusst weiterhin sichtbar sind.

Vorsicht, Raubtier!

Röntgenstrahlen ermöglichen Erkenntnisse über ein Gemälde, die mit dem bloßen Auge unsichtbar sind. Sie können einen Blick in tiefere Malschichten geben. Mit dieser Untersuchungsmethode sind wir einer verdeckten Bildanlage von Hans Thoma auf die Spur gekommen. Der Künstler veränderte häufig seine Kompositionen während des Werkprozesses oder verwendete bereits bemalte textile Träger wieder neu. Auch bei Zug der Götter nach Walhall finden sich weitere Bildanlagen unter der Malschicht, die für den Betrachter normalerweise unsichtbar sind. Erst mit Hilfe einer um 180° gedrehten Röntgenaufnahme werden Motive erkennbar, die vollkommen von dem finalen Arrangement abweichen: eine Figur, die zu einem nackten Kind herabschaut und ein Tier, das einer Raubkatze ähnelt.

Hans Thomas "Zug der Götter nach Walhall", 1880, neben der um 180° gedrehten Röntgenaufnahme des Werkes mit Umzeichnung der Bildanlagen (Städel Museum, Frankfurt am Main)

Hans Thomas „Zug der Götter nach Walhall“, 1880, neben der um 180° gedrehten Röntgenaufnahme des Werkes mit Umzeichnung der Bildanlagen (Städel Museum, Frankfurt am Main)


Die Autoren Eva Bader (Restaurierung) und Daniel Zamani (Sammlung Kunst der Moderne) sind gespannt auf weitere verborgene Bilder.

Ein Blick unter die Oberflächen lohnt sich also! Weitere Fallbeispiele sind noch bis März 2017 in der Kabinettpräsentation im Sammlungsbereich Moderne zu entdecken.

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