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Philipp Fürhofer

In Philipp Fürhofers Kunstwerken verschwimmen Realität und Illusion: Ein Interview über Trugbilder, sein Spiel mit Licht und die neue Arbeit „Phantominsel“, die er extra für die Ausstellung angefertigt hat.

Susanne Hafner — 12. Mai 2023

Du zeigst Sehnsuchtsorte, die es gar nicht gibt. Durch die Malschichten und verschiedenen Materialien brechen diese – stellenweise buchstäblich – auf. Was reizt dich mehr, das Paradiesische oder der Bruch?

Ich denke, keiner der Zustände für sich alleingenommen wäre reizvoll. Im Paradies könnte es ja auch langweilig sein, ich bin mir gar nicht sicher, ob der Zustand so erstrebenswert ist, genauso wenig verspüre ich große Lust, alles zertrümmern zu müssen. Aber unser aller Dilemma, unsere Sehnsucht nach Paradies und Erlösung in einer unvollkommenen Welt, die Gewissheit dieser Unerreichbarkeit ist eigentlich das Spannende. Denn das löst ja so vieles im Menschen aus, Positives wie Negatives.

Philipp Fürhofer, Foto: Hannes Wichmann

Leuchtkästen sind ein zentrales Element deiner Arbeiten. Wie kamst du darauf, diese als Bildträger zu nutzen? Inwiefern spielt Licht hier eine Rolle?

Die Verwendung transparenter Materialien als Bildträger hat mich seit Beginn meines Malereistudiums interessiert. Ein wochenlanger Krankenhausaufenthalt als Mitte 20-Jähriger war dann der finale Auslöser. Verursacht durch einen lebensbedrohlichen Herzklappendefekt, wurde ich gezwungen, sehr genau über meinen Körper, seine Verletzbarkeit und Endlichkeit nachzudenken. Sinnbildlich hierfür war für mich das Röntgenbild meines Thorax, das ich auf dem Monitor des Leuchtkastens vor meinem Krankenhausbett sah und mich sehr faszinierte.
Ich empfand diesen Kasten als ambivalent, bedrohlich aber auch schön und viele Aspekte daran flossen direkt in meine Malerei ein, die Fragilität und Transparenz, die analytische Durchleuchtung des Motivs, die einerseits fast religiöse Aura des Lichts, anderseits die Erkenntnis über die Abhängigkeit und Verlängerung unser aller Existenz durch technische Apparaturen, Kabel, Schläuche oder Transplantate.

Philipp Fürhofer in seinem Atelier, Foto: Hannes Wichmann

Für die Ausstellung hast du mit der Arbeit „Phantominsel (2023) direkt mit den Gegebenheiten vor Ort im Städel Museum gearbeitet. Wie bist du vorgegangen?

Zunächst einmal habe ich lange nachgedacht, wie ich den Übergangsbereich zur Sammlung Gegenwartskunst in den Gartenhallen mit dem riesigen Spiegelmosaik von John M. Armleder, den vier historisierenden Palmen-Säulen und seiner architektonischen Position innerhalb des Museums in die Malerei mit einbeziehen kann. Gleichzeitig sollte die Arbeit aber auch wie in meinen Leuchtkästen durch die Betrachter ganz physisch erlebt und erschlossen werden können. Bei derartig raumgreifenden Projekten arbeite ich immer mit Modellen, probiere viel im kleineren Maßstab aus und plane jedes Detail im Kleinen, bis alles für die große Ausführung passt.

Philipp Fürhofer arbeitet in seinem Atelier an der Arbeit Phantominsel, 2023, Foto: Hannes Wichmann

Welche Bedeutung hat der Titel der Ausstellung „Phantominseln“ für dich?

Er trifft für mich den Zustand unserer immer größer werden Verunsicherung in Zeiten von Fake News oder künstlicher Intelligenz, in denen Grenzen zwischen Realität und Illusion immer mehr verschwimmen. Ähnlich wie bei Phantominseln, deren Existenz durch Pläne oder Mythen real schien, aber dann doch revidiert werden musste, sehen wir uns gerade heute permanent gezwungen, scheinbare Gewissheiten zu hinterfragen. Ein ähnliches Erlebnis stellt sich beim Betrachten meiner Bilder ein, die auf den ersten Blick herrschende Klarheit und Erkennbarkeit des Motivs zersetzt sich immer mehr, je genauer man hinsieht.




Ausstellungsansichten „Philipp Fürhofer. Phantominseln“, Städel Museum, Frankfurt am Main, Fotos: Norbert Miguletz

In deinen Arbeiten bleibt das Paradies nur ein Trugbild. Gibt es einen realen Ort für dich, der wirklich paradiesisch ist?

Heutzutage ist das Paradies vielleicht nicht unbedingt ein Ort in anderen Sphären sondern das, was wir zu verlieren drohen, nämlich die Natur und Ursprünglichkeit.
Ich glaube, dass viele Menschen einschließlich mir bestimmte Orte von einigermaßen unberührter Natur als geradezu paradiesisch erleben, aufgrund ihrer vom Aussterben bedrohten Seltenheit. Die Entschleunigung, die Wahrnehmung des Zyklischen der Natur beispielsweise beim Betreten eines Waldes kann uns zeigen, wie nah eine Verbindung zu Glück und Ewigkeit eigentlich sein könnte.


Die Fragen stellte Susanne Hafner, Referentin für Presse und Onlinekommunikation.


Philipp Fürhofer (geb. 1982 in Augsburg) lebt und arbeitet in Berlin. Sein künstlerisches Schaffen bewegt sich zwischen Malerei, Installation und Objektkunst.

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