Déjà-vu Erlebnis bei den Alten Meistern: Die Sonderpräsentation „Doppelgänger“ widmet sich dem Phänomen der künstlerischen Kopie. Aleksandra Rentzsch und Friederike Schütt geben im Interview Einblicke in Konzept und Thematik.
Die Umgestaltung des Sammlungsbereichs der Alten Meister gab den Anstoß, eine neue Kabinettpräsentation mit Werken aus dem Depotbestand des Städel Museums einzurichten. Wie seid ihr auf das Thema Kopie gekommen?
Aleksandra Rentzsch: Ähnlich wie vorher bei „Vice Versa“ zu den Rückseiten von Gemälden, war die Idee, in den zwei Kabinetten eine kleine thematische Ausstellung zu zeigen und dabei Kunstwerke in Szene zu setzen, die etwas vergessen im Depot bewahrt werden. Wir haben daraufhin im Bestand gestöbert und sind auf „Doppelgänger“ gestoßen: also Werke, die uns irgendwie bekannt vorkamen, weil sie ein bekanntes Werk kopieren oder nachahmen.
Friederike Schütt: Dabei sind uns ganz unterschiedliche Arten von „Doppelgängern“ begegnet: exakte Kopien, die ein Original möglichst getreu nachahmen, aber auch freiere stilistische Nachschöpfungen und Kompilationen oder Zeichnungen und Radierungen, in denen eine gemalte Vorlage in ein neues Medium übertragen wird. Für die Kabinette haben wir dann insgesamt 24 Werke vom späten 15. bis zum 19. Jahrhundert ausgewählt und uns mit der Frage beschäftigt, welche Bedeutung und Funktion diese Werke zu ihrer Entstehungszeit hatten. Aus welchen Gründen wurden sie angefertigt und wie wurden sie damals bewertet?
Gab es bei der Recherche Überraschungen?
Aleksandra Rentzsch: Besonders aufgefallen ist uns die Kopie Bildnis der Infantin Margarita nach dem großen spanischen Barockmaler Diego Velázquez, die jahrzehntelang im Depot war, obwohl sie im 19. Jahrhundert als Spitzenwerk gehandhabt wurde. Im Jahr 1878 hing das Werk, damals noch für das Original gehalten, sehr prominent im Städel Museum, nicht weit von Botticellis Simonetta. Damit ist die Infantin in unserer Ausstellung ein gutes Beispiel dafür, dass sich die Wertschätzung von Kopien im Laufe der Zeit stark veränderte.
Ihr zeigt in der Kabinettpräsentation auch Bilderpaare – was hat es mit den Gegenüberstellungen von Original und Kopie auf sich?
Friederike Schütt: Im direkten Vergleich kann man sehr schön nachvollziehen, wie die Kopisten sich ihrer Vorlage näherten. Wir blicken quasi durch die Augen anderer Künstler. Pieter de Frey bemühte sich in seiner Aquarellzeichnung nach Versproncks Frau im Sessel zum Beispiel um eine möglichst detaillierte Wiedergabe des „Mühlsteinkragens“, während er die restlichen Partien der Kleidung etwas vereinfachte. Otto Scholderer wiederum, der im 19. Jahrhundert im Rahmen seiner Ausbildung an der Städelschule ein Porträt von Ferdinand Bol aus dem Jahr 1659 kopierte, hatte offensichtlich großes Interesse daran, die Gestaltung von Ausdruck und Haut von einem „Alten Meister“ zu lernen.
Wie kamen die Werke in den Bestand des Städel Museums?
Friederike Schütt: Zu Zeiten von Johann Friedrich Städel, also Ende des 18. Jahrhunderts, hat man Kopien teilweise ganz bewusst gesammelt, um bestimmte Positionen in der Sammlung vertreten zu haben oder die Sammlung mit Werken aufzustocken, die man im Original nicht bekommen hatte. Im 18. Jahrhundert gab es außerdem bei Frankfurter Malern den Trend, niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts stilistisch nachzuahmen. Diese Werke waren sehr beliebt bei Städel und seinen Zeitgenossen und verkauften sich gut auf dem damaligen Kunstmarkt.
Aleksandra Rentzsch: Viele der Werke, die wir in der Kabinettpräsentation zeigen, wurden aber auch als vermeintliche Originale angekauft und erst sehr viel später durch neue Forschungen als Kopien identifiziert, wie es beispielsweise bei der Kopie von Mars und Venus Veroneses der Fall war oder bei Dürers Bildnis des Vaters. Bei einigen Werken wird der Status sogar noch immer diskutiert – Kopien bleiben bis heute faszinierend.
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