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Regina Freyberger

Ein neues Gesicht am Städel: Regina Freyberger ist seit einigen Wochen Sammlungsleiterin der Graphischen Sammlung ab 1750. Im Interview hat sie sich uns vorgestellt – und ein paar Ausblicke gegeben.

Sarah Omar — 18. August 2017

Gut zwei Monate sind Sie nun Sammlungsleiterin der Graphischen Sammlung ab 1750. Wie haben Sie sich eingearbeitet?

Regina Freyberger: Sehr gut, aber völlig anders als geplant. Ich hatte mir vor meinem Antritt überlegt, zunächst den Bestand ganz systematisch im Depot kennenzulernen. Aber diesem hehren Ziel ist schnell der Alltag einer Sammlungsleiterin in die Quere gekommen: Ich sitze momentan viel am Schreibtisch, bearbeite Leihanfragen, recherchiere zu Provenienzen, für Versicherungswerte oder für kommende Ausstellungen. Ich hatte nämlich das Glück, dass auf mich eine Reihe großartiger Schenkungen gewartet haben, mit Zeichnungen von Ludwig Richter bis Arnulf Rainer. Das war ein wunderbarer Einstieg. Daneben läuft unser großes Digitalisierungsprojekt gerade auf Hochtouren, mit dem der komplette Zeichnungsbestand erfasst wird.

Regina_Freyberger

Das systematische Einarbeiten in die Sammlung läuft derzeit also eher nebenbei. Und bei Fragen aller Art unterstützen mich die Kolleginnen und Kollegen mit Rat und Tat. Sie alle kennen den Bestand und die Geschichte der Sammlung sehr gut. Das ist immens wichtig, denn so eine Sammlung besteht ja nicht nur aus Kunst. Sie ist auch geprägt von den Menschen, die sie aufgebaut und Schwerpunkte gesetzt haben.

100.000 Grafiken werden in vielen Kästen und Schränken verwahrt - auch diese Zeichnungen von Ferdinand Fellner (1799-1859).

100.000 Zeichnungen und Druckgrafiken vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart gehören zur Graphischen Sammlung. Wie verschafft man sich bei diesem Umfang einen Überblick?

Das geschieht sukzessive.In der Graphischen Sammlung werden die Blätter lichtgeschützt in Kästen und Mappen verwahrt und hängen nicht –vergleichsweise leicht zugänglich – auf Schiebewänden, wie es in den Gemäldedepots der Fall ist. Die Sammlungsschwerpunkte in meinem Bereich konnte ich freilich vorab über die Kataloge recherchieren: Frankreich im 19. Jahrhundert, amerikanische Druckgrafik nach 1945, expressionistische Grafik, Max Beckmann und die Nazarener – das sind die großen Sammlungsgebiete. Im Endeffekt erschließt man sich den Gesamtbestand durch konkrete Fragen und Projekte.

Wie kamen Sie überhaupt zu ihrem eigenen Schwerpunkt, zur Grafik?

Das Interesse begann früh, wissenschaftlich dazu gearbeitet habe ich aber erst gegen Ende meines Studiums. Ich wurde über die Darstellungen zu Grimms Märchen von 1819 bis 1945 promoviert, das war im Wesentlichen eine Arbeit über Druckgrafik, über Illustration. Danach habe ich bei einem Auktionshaus gearbeitet, das auf Grafik und Bücher spezialisiert ist. Das war eine phänomenale Schule des Sehens. Wir haben mehrere Adelsbibliotheken aufgelöst und hatten viele großartige Bücher aus dem 17. und 18. Jahrhundert zu verauktionieren, von der Scheuchzer-Bibel bis zu Rösel von Rosenhof. So etwas bekommt man an der Uni eher nicht zu Gesicht. Allerdings hat man bei Auktionshäusern nur wenig Zeit, sich forschend mit der Kunst zu beschäftigen.

Ich wollte daher ans Museum und bin von München an die Staatlichen Museen zu Berlin gewechselt. Hier habe ich in der Alten Nationalgalerie am Bestandskatalog der Malerei und bei verschiedenen Ausstellungen mitgearbeitet und zuletzt die Ausstellung Kleine Meisterwerke kuratiert. Die Grafik hat mich aber nie losgelassen. Man ist gerade in der Zeichnung so nah am Künstler, wie sonst in kaum einem anderen Medium. Hier wurde inhaltlich wie formal experimentiert, hier wurde der Schritt in die Moderne zumeist als erstes vollzogen.

ReginaFreyberger_Staedel_Kirchner

Welche Projekte möchten Sie als nächstes angehen?

Das Thema Illustration beschäftigt mich nach wie vor sehr, aber bevor es dazu eine Ausstellung geben wird, stehen erst einmal andere Projekte auf dem Plan. Unsere fantastische Sammlung expressionistischer Grafik lohnt einen genaueren Blick, so viel kann ich schon einmal sagen. Und im Herbst werden wir in der Sammlung Gegenwartskunst einen Raum mit Werken von Frank Auerbach und Lucian Freud bespielen. Beide Künstler teilen ein ähnliches Schicksal: Sie sind in den 1930er Jahren als Kinder von Berlin nach England emigriert und beide sind im Gegensatz zu den abstrakten Tendenzen ihrer Zeit beim Figürlichen geblieben, haben aber zu ganz unterschiedlichen Bildsprachen gefunden.

Regina_Freyberger_GraphischeSammlung_Kirchner

Im Studiensaal der Graphischen Sammlung zeigt Regina Freyberger Holzschnitte von Ernst Ludwig Kirchner.

In welche Richtung würden Sie die Sammlung gern weiterentwickeln?

Die Graphische Sammlung ist bereits vorbildlich aufgestellt. Der Bestand ist großartig, und wir haben als Fenster zur Öffentlichkeit nicht nur einen Vorlegesaal, sondern auch eine eigene Ausstellungshalle. Gleichzeitig erlaubt das große Engagement der Frankfurter Bürger, dass wir weiter wachsen können. Das ist fantastisch. Beim Sammeln ist Kontinuität freilich entscheidend. Daher ist es für mich zunächst wichtig, ein klares Verständnis dafür zu entwickeln, nach welchem Konzept insbesondere meine Vorgängerin Jutta Schütt im Bereich der zeitgenössischen Kunst gesammelt hat. Daneben gilt es, wenn sich die Möglichkeit ergibt, Lücken in der Sammlung zu schließen und Neues aufzutun. Und selbstredend ist der wirklich herausragende Bestand weiter zu pflegen, zu erschließen und online zu veröffentlichen.

ReginaFreyberger_Staedel_III

Kontinuität im wahrsten Sinne des Wortes: Das Inventarbuch, in dem alle Neuerwerbungen chronologisch erfasst werden, wird seit 1862 geführt. Regina Freyberger füllt gerade die letzten Seiten.

Dass Philipp Demandt die Graphische Sammlung zudem stärken will, freut mich natürlich und eröffnet Perspektiven. Im Winter, nach unserer Ausstellung zu Maria Sybilla Merian, wird es hier einen großen Umbau geben, der sowohl unsere Arbeitsräume als auch die Ausstellungshalle betrifft. Das, was wir hier haben und das, was kommt, sind schon sehr gute Voraussetzungen, um von hier aus weiterzudenken. Aber eins nach dem anderen.


Die Fragen stellte Sarah Omar. Sie arbeitet in der Onlinekommunikation des Städel.

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