Navigation menu

Von Kapitell bis Fuß

Im Mittelpunkt steht meist die Kunst hinter den Museumsmauern – dabei ist die Städel Fassade selbst ein Meisterwerk. Nun wird der historische Bau aufwendig restauriert. Ein Blick hinter die Gerüstplanen.

Laura Eversmeier — 31. August 2018

Schon beim Weg über den Main zieht das Städel Museum die Blicke auf sich. Nur wer sehr genau hinschaut, erkennt Risse, Brüche und Verfärbungen – an dem Museumsbau ist die Zeit nicht spurlos vorbeigegangen. Wie viele Gemälde im Museum früher oder später eine Restaurierung nötig haben, wird nun auch dem Museumsbau zu neuem Glanz verholfen.

Ein Palast der schönen Künste

Seit mittlerweile 140 Jahren ist das Baukunstwerk Witterung und Luftverschmutzung ausgesetzt. 1878 zog die Kunstsammlung von Johann Friedrich Städel von der Neuen Mainzer Straße in den Museumsbau am Main. Oscar Sommer, Architekturprofessor am Städelschen Kunstinstitut, hat die Fassade in Anlehnung an die Hochrenaissance entworfen. Bauschmuck, der sonst an Schlössern und Sakralbauten zu finden ist, machte aus dem Museum einen Palast der schönen Künste. Damals noch außerhalb des Frankfurter Stadtgebietes gelegen, bot der freistehende Bau einen imposanten Anblick.

Links das Städel um 1900, rechts das Städel nach 1963 mit den neuen Eckrisaliten

Links das Städel um 1900, rechts das Städel nach 1963 mit den neuen Eckrisaliten

Im Zweiten Weltkrieg wurden die Eckrisalite des Museums stark beschädigt. Beim Wiederaufbau fügte der Architekt Johannes Krahn anstelle der historistischen Formen die schlichten, geometrischen Eckbauten an. Mit dieser Kombination aus Neorenaissance und Nachkriegsarchitektur kommuniziert das Städel seit den 1950er Jahren nach außen das, was es bis heute in seinem Inneren beherbergt: ein Dialog aus Alt und Neu – von den Alten Meistern bis zur Gegenwart.

Spezialisten am Werk

Um dieses Zusammenspiel zu erhalten, wird nun gesäubert, konserviert und ergänzt. Dazu braucht es vor allem ausgewiesene Spezialisten, die sich sowohl mit den Materialien als auch mit den künstlerischen Formen bestens auskennen. Für die bildhauerischen Ergänzungen ist Jens Engelhardt verantwortlich. Er ist nicht nur ein begeisterter Museumsgänger, sondern dem Städel auch beruflich seit Langem verbunden.

Jens Engelhardt führt uns hinter die Gerüstplanen

Jens Engelhardt führt uns hinter die Gerüstplanen.

„Das Städel ist von innen wie von außen gleich bedeutend“, sagt Engelhardt und freut sich, Teil des Restaurierungsprojekts zu sein. „Das oberste Ziel war es, die Fassade wieder sicher zu machen“, betont er. Insbesondere hervorstehende Schmuckelemente der Fassade sind absturzgefährdet und werden nun ausgebessert oder vollständig ersetzt.

Hände, Füße, Kapitelle

Die ersten Erfolge von Engelhardt und seinen Kollegen kann man bereits auf der Westseite des Städel bewundern. Mit zwei Bildhauerkollegen hat Engelhardt hier drei Kapitelle – den oberen Abschluss der Wandpfeiler – erneuert. Die korinthischen Kapitelle an der Städel Fassade folgen einem seit der Antike bekannten, festen Formenschema mit spiralförmigen Voluten und einem reichen Blattwerk. Um so etwas neu zu schaffen, braucht es ein Auge und ein Händchen fürs Detail.

Restaurator Jens Engelhardt beim Ausbau eines alten Kapitells an der Westseite der Städel Fassade

Restaurator Jens Engelhardt beim Ausbau eines alten Kapitells an der Westseite der Städel Fassade

Das Modell für ein korinthisches Kapitell und der Rohblock im Hintergrund, Foto: Jens Engelhardt

Das Modell für ein korinthisches Kapitell und der Rohblock im Hintergrund, Foto: Jens Engelhardt

Links das neue Kapitell von Jens Engelhardt, rechts das Kapitell seines Kollegen Daniel Hörl

Links das neue Kapitell von Jens Engelhardt, rechts das Kapitell seines Kollegen Daniel Hörl an der Städel Fassade, Foto: Jens Engelhardt

Engelhardt hat Freie Kunst und Bildhauerei studiert, bevor er sich für den Beruf des Restaurators entschied. „Ich hatte schon immer ein Faible für Figürliches“, sagt er. Gerne erinnert er sich zurück, wie er vor einigen Jahren eine Statue am Eingang des Städel restaurierte, die den deutschen Maler Albrecht Dürer zeigt. Steinerne Hände, Köpfe und Füße fertigt Engelhardt am liebsten. Dagegen hat ihn das Kapitell für die Fassade deutlich mehr herausgefordert. Hier sind Geometrie, Symmetrie und eine systematische Vorgehensweise besonders wichtig. Durch die Fertigung eines Kapitells kann Engelhardt mit den alten Meistern seines Fachs – den Bildhauerspezialisten des 19. Jahrhunderts – in einen direkten Dialog treten. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Der Schaden kommt von oben

Schuld am derzeitigen Zustand der Fassade ist vor allem die Feuchtigkeit. Die alten Dachrinnen und Fallrohre hinter der Fassade können den immer häufiger auftretenden Starkregen nicht voll ableiten. Der tongebundene Sandstein lagert mit der Zeit dieses Wasser an, sodass die Tonschichten ihr Volumen vergrößern und bei Trocknung verringern. Dabei entstehen Risse. Dank neuer Fallrohre wird die Städel Fassade in Zukunft trocken bleiben.

Das verhüllte Städel während der Restaurierung

Das verhüllte Städel während der Restaurierung

Eine Mitschuld am Zustand der Fassade tragen auch die Tauben, die es sich gerne an dem schönen Bau bequem machen. Die Säure in ihrem Kot greift den Sandstein an. Deshalb ist die bereits fertig renovierte Westseite des Städel nun auch mit einem feinen Netz vor den Vögeln geschützt.

Voraussichtlich 2019 wird die Städel Fassade wieder in den warmen Tönen ihres Sandsteins erstrahlen. Bis dahin ist sie bei Herrn Engelhardt und seine Kollegen in den besten Händen.


Laura Eversmeier ist studentische Mitarbeiterin in der Onlinekommunikation und freut sich schon jetzt auf den Anblick der fertigen Fassade beim Weg über den Main.

Mehr zur Geschichte des Städel und seiner Fassade im 19. Jahrhundert zeigt das Zeitreise-Projekt des Städel – sogar in Virtual Reality.

Diskussion

Fragen oder Feedback? Schreiben Sie uns!

Mehr Stories

  • Städel Digital

    Städel Universe: Von der Idee zum Game

    Im Interview gibt Antje Lindner aus dem Projektteam Einblicke in die Entstehung der hybriden Anwendung.

  • Engagement

    Wahlverwandtschaft

    Im Interview verrät Monika Wenzel, warum sie und ihr Mann das Städel Museum zu ihrem Erben bestimmt haben.

  • ARTEMIS Digital

    Digitales Kunsterlebnis trifft wegweisende Demenz-Forschung

    Wie sieht eine digitale Anwendung aus, die Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zeit- und ortsungebunden einen anregenden Zugang zur Kunst ermöglicht? Ein Interview über das Forschungsprojekt ARTEMIS, über Lebensqualität trotz Krankheit und die Kraft der Kunst.

  • The MuseumsLab

    Das Museum als Labor

    Kennenlernen, Diskutieren, Erfahrungen austauschen und voneinander Lernen – zum dritten Mal hat das Städel Museum an dem afrikanisch-europäischen Austauschprogramm TheMuseumsLab teilgenommen.

  • Screenshot aus dem Prototyp „ARTEMIS Digital“, Einstieg, Städel Museum, Frankfurt am Main
    ARTEMIS Digital

    Das anregende Potential der Kunst

    Kunst trägt nachweislich zur Verbesserung der Lebensqualität bei. Allerdings kann der Besuch von Museen für Menschen, die an Demenz erkrankt sind, zur Herausforderung werden. Hier setzt ARTEMIS Digital an. Das erste Testing ist vielversprechend.

Newsletter

Wer ihn hat,
hat mehr vom Städel.

Aktuelle Ausstellungen, digitale Angebote und Veranstaltungen kompakt. Mit dem Städel E-Mail-Newsletter kommen die neuesten Informationen regelmäßig direkt zu Ihnen.

Beliebt

  • Honoré Daumier

    Zur Ernsthaftigkeit der Komik

    Wie Karikaturen funktionieren und warum Daumier für sie ins Gefängnis kam.

  • Der Film zur Ausstellung

    Honoré Daumier. Die Sammlung Hellwig

  • Die Ausstellungen im Städel

    Highlights 2024

    Unser Ausblick auf 2024: Freut euch auf faszinierende Werke von Honoré Daumier und Käthe Kollwitz, lernt die Städel / Frauen kennen, entschlüsselt die Bildwelten von Muntean/Rosenblum, erlebt die Faszination italienischer Barockzeichnungen und reist zurück in Rembrandts Amsterdam des 17. Jahrhunderts.

  • Städel Mixtape

    #34 Jan van Eyck – Lucca-Madonna, ca. 1437

    Ein ruhiger Moment mit Kerzenschein, ihr seid so vertieft, dass ihr alles um euch herum vergesst: Vor rund 600 Jahren ging es den Menschen ähnlich, wenn sie vor Jan van Eycks „Lucca-Madonna“ gebetet haben. In diesem STÄDEL MIXTAPE geht es um das Andachts-Bild eines raffinierten Geschichtenerzählers. 

  • Städel | Frauen

    Louise Schmidt: Bildhauerin!

    Teil 1 der Porträt-Reihe „Städel | Frauen“.

  • ARTEMIS Digital

    Digitales Kunsterlebnis trifft wegweisende Demenz-Forschung

    Wie sieht eine digitale Anwendung aus, die Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zeit- und ortsungebunden einen anregenden Zugang zur Kunst ermöglicht? Ein Interview über das Forschungsprojekt ARTEMIS, über Lebensqualität trotz Krankheit und die Kraft der Kunst.

  • Gastkommentar

    Kunst & Schwarze Löcher mit Astrophysikerin Silke Britzen

    Was sieht eine Astrophysikerin in den Werken der Städel Sammlung? In diesem Gastkommentar eröffnet Silke Britzen (Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn) ihre individuelle Sichtweise auf die Kunstwerke im Städel Museum.