Die Zeit war reif für eine Veränderung: Die italienische, französische und spanische Malerei des 16. bis 18. Jahrhunderts präsentiert sich in neuen Konstellationen – und vor neuen Wandfarben. Was hat den Sammlungsleiter zu dieser Neuerzählung der Alten Meister bewogen?
Wie wir ein einzelnes Gemälde im Museum wahrnehmen, hängt ganz wesentlich von seiner Umgebung ab. Nur der Rahmen trennt es von der Wand, deren Farbe unwillkürlich in ein Wechselverhältnis mit dem Kolorit des Bildes tritt. Die gewählte Wandfarbe kann und soll die Farbstimmung eines Werks unterstützen, akzentuieren, ihre spezifischen Qualitäten zur Geltung bringen.
Ebenso beeinflusst die Nachbarschaft anderer Bilder unseren Blick auf das jeweilige Objekt. Über den Zwischenraum der Wand hinweg entspinnt sich im Sammlungsraum ein Dialog zwischen zwei oder mehreren Gemälden, die Auge und Verstand des Betrachters zueinander vergleichend in Beziehung setzen.
Präsentation bedeutet daher im Museum immer zugleich Interpretation. Die Konstellation der Werke wird zum Baustein innerhalb einer kunstgeschichtlichen „Erzählung“, die sich beim Rundgang durch die Sammlung zu einer Gesamtheit zusammenschließt. Dabei gibt es nicht den einen Königsweg, nicht die eine „richtige“ Lösung, die es unter zahlreichen falschen herauszufinden gilt. Vielmehr setzt eine neue Hängung die Akzente anders, gibt bestimmten Eigenschaften der Bilder stärkeres Gewicht als bisher.
An den Räumen, die die italienische, französische und spanische Malerei im Städel beherbergen, lässt sich dies derzeit exemplarisch erproben. Zum ersten Mal seit der großen Wiedereröffnung der Alten Meister 2011 präsentiert sich damit ein größerer Teil dieses Sammlungsbereichs in grundlegend neuer Gestalt.
Betroffen sind der große Hauptsaal auf der linken Seite, in dem bislang die italienische Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts untergebracht war, das davon ausgehende Kabinett der Italiener des 18. Jahrhunderts rund um Canaletto, der Saal der Italiener des 16. Jahrhunderts, das daran angrenzende Engländer-Kabinett sowie der Saal der Franzosen und Spanier.
Zwei unterschiedliche Gründe haben mich bewogen, diese Räume – bei weitgehender Beibehaltung der ausgestellten Werke – neu zu arrangieren. Zum einen waren dies die beiden kapitalen Neuzugänge der letzten Jahre, Jusepe de Riberas „Heiliger Jakobus der Ältere“ (um 1615/16) und Guido Renis „Himmelfahrt Mariens“ (um 1596/97); mit beiden Werken ist das Städel nunmehr in der Lage, die beiden maßgeblichen Ursprünge der europäischen Barockmalerei vor Augen zu führen.
Zum anderen gab der kleine, ausgesprochen hochkarätige, aber wenig homogene Bestand an französischer Malerei vor der Revolution – mit Hauptwerken von Poussin, Lorrain, Watteau und Chardin – Anlass für eine Neukonzeption.
Im 17. Jahrhundert waren die Schulen der Mittelmeerländer künstlerisch und auch personell eng miteinander verbunden. Die bedeutendsten französischen Maler der Zeit, Poussin und Lorrain, verbrachten den größten Teil ihres Lebens in Rom und standen in direktem Austausch mit den italienischen Künstlern und Auftraggebern. Auch der Spanier Ribera war für ein Jahrzehnt in der Ewigen Stadt tätig, bevor er seine Karriere in Neapel, dem spanischen Vizekönigtum, fortsetzte.
So haben jetzt die französischen und spanischen Maler erstmals Einzug in den großen Oberlichtsaal im Städel gehalten, der fortan allein dem 17. Jahrhundert gewidmet sein wird, aber Italiener, Franzosen und Spanier in unmittelbarem Nebeneinander zeigt.
Die in vielerlei Hinsicht andersartige italienische Malerei des 18. Jahrhunderts hingegen, die bislang auf zwei Räume verteilt war, hat ihren neuen Ort im bisherigen Franzosensaal gefunden. Dort zieht Giovanni Battista Tiepolos monumentales Bild „Die Heiligen der Familie Crotta“ (um 1750) in der Blickachse den eintretenden Besucher in seinen Bann, während Canalettos berühmte Venedig-Ansicht auf der Stirnwand die Gattung der Vedutenmalerei repräsentiert.
Der frühere Canaletto-Raum ist nun zum Kabinett des französischen Rokoko geworden und beherbergt die Meister des 18. Jahrhunderts wie Watteau, Chardin oder Hubert Robert.
Mehr Platz hat der herausragende Bestand an italienischer Malerei der Hochrenaissance und des Manierismus bekommen: Neben dem großen Oberlichtsaal, der um Agnolo Bronzinos „Dame in Rot“ (um 1533) in der zentralen Blickachse gruppiert ist, erstreckt sich dieser Bereich auch auf das bisherige Engländer-Kabinett, in dem jetzt Meisterwerke der venezianischen Renaissance gezeigt werden.
Bisher bestimmte Rot die Wandfarben in der südlichen Hälfte der Alten Meister – künftig beschränkt es sich auf die beiden Kabinette der italienischen Malerei des 14. Jahrhunderts und der Frührenaissance, während ansonsten Grün- und Blautöne bestimmend sind: ein sattes Hellgrün im großen Saal des 17. Jahrhunderts, ein elegantes Blau für die Italiener des 18. Jahrhunderts, ein Grünblau für das französische Rokoko. Der Saal der Italiener des 16. Jahrhunderts und das zugehörige Kabinett zeigen sich jetzt in Petrol. Alle Wandfarben, das dürfte dem regelmäßigen Städel-Besucher kaum entgehen, haben ihre Probe bereits bei der Maniera-Ausstellung im Frühjahr bestanden.
Wer übrigens nach einer verborgenen Symbolik jenes Farbspektrums forscht, braucht weder Goethes Farbenlehre noch geheime Schriften der Illuminaten zu bemühen – die Auswahl, das sei hier verraten, ist eine rein ästhetische und den Bildern selbst abgelauscht… In jedem Falle lohnt es sich, die alten Räume im neuen Gewand zu erkunden und genau darauf zu achten, was die Meister der Renaissance und des Barock ihren neuen Nachbarn zu erzählen haben.
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