Navigation menu

Neue Hängung für die Italiener, Franzosen und Spanier

Die Zeit war reif für eine Veränderung: Die italienische, französische und spanische Malerei des 16. bis 18. Jahrhunderts präsentiert sich in neuen Konstellationen – und vor neuen Wandfarben. Was hat den Sammlungsleiter zu dieser Neuerzählung der Alten Meister bewogen?

Bastian Eclercy — 5. August 2016

Wie wir ein einzelnes Gemälde im Museum wahrnehmen, hängt ganz wesentlich von seiner Umgebung ab. Nur der Rahmen trennt es von der Wand, deren Farbe unwillkürlich in ein Wechselverhältnis mit dem Kolorit des Bildes tritt. Die gewählte Wandfarbe kann und soll die Farbstimmung eines Werks unterstützen, akzentuieren, ihre spezifischen Qualitäten zur Geltung bringen.

Ebenso beeinflusst die Nachbarschaft anderer Bilder unseren Blick auf das jeweilige Objekt. Über den Zwischenraum der Wand hinweg entspinnt sich im Sammlungsraum ein Dialog zwischen zwei oder mehreren Gemälden, die Auge und Verstand des Betrachters zueinander vergleichend in Beziehung setzen.

Es gibt kein Richtig und Falsch

Präsentation bedeutet daher im Museum immer zugleich Interpretation. Die Konstellation der Werke wird zum Baustein innerhalb einer kunstgeschichtlichen „Erzählung“, die sich beim Rundgang durch die Sammlung zu einer Gesamtheit zusammenschließt. Dabei gibt es nicht den einen Königsweg, nicht die eine „richtige“ Lösung, die es unter zahlreichen falschen herauszufinden gilt. Vielmehr setzt eine neue Hängung die Akzente anders, gibt bestimmten Eigenschaften der Bilder stärkeres Gewicht als bisher.

An den Räumen, die die italienische, französische und spanische Malerei im Städel beherbergen, lässt sich dies derzeit exemplarisch erproben. Zum ersten Mal seit der großen Wiedereröffnung der Alten Meister 2011 präsentiert sich damit ein größerer Teil dieses Sammlungsbereichs in grundlegend neuer Gestalt.

Betroffen sind der große Hauptsaal auf der linken Seite, in dem bislang die italienische Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts untergebracht war, das davon ausgehende Kabinett der Italiener des 18. Jahrhunderts rund um Canaletto, der Saal der Italiener des 16. Jahrhunderts, das daran angrenzende Engländer-Kabinett sowie der Saal der Franzosen und Spanier.

Blick auf den Grundriss: Im großen Oberlichtsaal (grün) hängen Italiener, Franzosen und Spanier nun in unmittelbarer Nachbarschaft

Blick auf den Grundriss: Im großen Oberlichtsaal (grün) hängen Italiener, Franzosen und Spanier nun in unmittelbarer Nachbarschaft

Zwei unterschiedliche Gründe haben mich bewogen, diese Räume – bei weitgehender Beibehaltung der ausgestellten Werke – neu zu arrangieren. Zum einen waren dies die beiden kapitalen Neuzugänge der letzten Jahre, Jusepe de Riberas „Heiliger Jakobus der Ältere“ (um 1615/16) und Guido Renis „Himmelfahrt Mariens“ (um 1596/97); mit beiden Werken ist das Städel nunmehr in der Lage, die beiden maßgeblichen Ursprünge der europäischen Barockmalerei vor Augen zu führen.

Zum anderen gab der kleine, ausgesprochen hochkarätige, aber wenig homogene Bestand an französischer Malerei vor der Revolution – mit Hauptwerken von Poussin, Lorrain, Watteau und Chardin – Anlass für eine Neukonzeption.

Neues Miteinander während der Umhängungsarbeiten: In dem Raum, der zuvor unter anderem die Gemälde der Franzosen Poussin, Lorrain, Watteau und Chardin beherbergte, wurde es zeitweilig etwas eng.

Neues Miteinander während der Umhängungsarbeiten: In dem Raum, der zuvor unter anderem die Gemälde der Franzosen Poussin, Lorrain, Watteau und Chardin beherbergte, wurde es zeitweilig etwas eng.

Im 17. Jahrhundert waren die Schulen der Mittelmeerländer künstlerisch und auch personell eng miteinander verbunden. Die bedeutendsten französischen Maler der Zeit, Poussin und Lorrain, verbrachten den größten Teil ihres Lebens in Rom und standen in direktem Austausch mit den italienischen Künstlern und Auftraggebern. Auch der Spanier Ribera war für ein Jahrzehnt in der Ewigen Stadt tätig, bevor er seine Karriere in Neapel, dem spanischen Vizekönigtum, fortsetzte.

So haben jetzt die französischen und spanischen Maler erstmals Einzug in den großen Oberlichtsaal im Städel gehalten, der fortan allein dem 17. Jahrhundert gewidmet sein wird, aber Italiener, Franzosen und Spanier in unmittelbarem Nebeneinander zeigt.

Die in vielerlei Hinsicht andersartige italienische Malerei des 18. Jahrhunderts hingegen, die bislang auf zwei Räume verteilt war, hat ihren neuen Ort im bisherigen Franzosensaal gefunden. Dort zieht Giovanni Battista Tiepolos monumentales Bild „Die Heiligen der Familie Crotta“ (um 1750) in der Blickachse den eintretenden Besucher in seinen Bann, während Canalettos berühmte Venedig-Ansicht auf der Stirnwand die Gattung der Vedutenmalerei repräsentiert.

Neuer italienischer Empfang im ehemaligen "Franzosensaal": Giovanni Battista Tiepolos Gemälde „Die Heiligen der Familie Crotta“

Neuer italienischer Empfang im ehemaligen "Franzosensaal": Giovanni Battista Tiepolos Gemälde „Die Heiligen der Familie Crotta“

Der frühere Canaletto-Raum ist nun zum Kabinett des französischen Rokoko geworden und beherbergt die Meister des 18. Jahrhunderts wie Watteau, Chardin oder Hubert Robert.

Mehr Platz hat der herausragende Bestand an italienischer Malerei der Hochrenaissance und des Manierismus bekommen: Neben dem großen Oberlichtsaal, der um Agnolo Bronzinos „Dame in Rot“ (um 1533) in der zentralen Blickachse gruppiert ist, erstreckt sich dieser Bereich auch auf das bisherige Engländer-Kabinett, in dem jetzt Meisterwerke der venezianischen Renaissance gezeigt werden.

Frischer Anstrich: Hellgrün, Blau, Petrol

Bisher bestimmte Rot  die Wandfarben in der südlichen Hälfte der Alten Meister – künftig beschränkt es sich auf die beiden Kabinette der italienischen Malerei des 14. Jahrhunderts und der Frührenaissance, während ansonsten Grün- und Blautöne bestimmend sind: ein sattes Hellgrün im großen Saal des 17. Jahrhunderts, ein elegantes Blau für die Italiener des 18. Jahrhunderts, ein Grünblau für das französische Rokoko. Der Saal der Italiener des 16. Jahrhunderts und das zugehörige Kabinett zeigen sich jetzt in Petrol. Alle Wandfarben, das dürfte dem regelmäßigen Städel-Besucher kaum entgehen, haben ihre Probe bereits bei der Maniera-Ausstellung im Frühjahr bestanden.

Vor....

Vor....

... während ...

... während ...

... und nach dem neuen Farbanstrich.

... und nach dem neuen Farbanstrich.

Wer übrigens nach einer verborgenen Symbolik jenes Farbspektrums forscht, braucht weder Goethes Farbenlehre noch geheime Schriften der Illuminaten zu bemühen – die Auswahl, das sei hier verraten, ist eine rein ästhetische und den Bildern selbst abgelauscht… In jedem Falle lohnt es sich, die alten Räume im neuen Gewand zu erkunden und genau darauf zu achten, was die Meister der Renaissance und des Barock ihren neuen Nachbarn zu erzählen haben.


Der Autor Dr. Bastian Eclercy ist Sammlungsleiter für die italienische, französische und spanische Malerei vor 1800 am Städel Museum und hat (entgegen hartnäckiger Gerüchte) überhaupt nichts gegen Rot.

Diskussion

Fragen oder Feedback? Schreiben Sie uns!

Mehr Stories

  • Bronzino revolutioniert das Frauenporträt

    Edle Damen in Grün und Rot

    Bronzinos „Bildnis einer Dame in Rot“ ist Ausgangs- und Schlüsselwerk der „Maniera“-Ausstellung. Ein Kapitel der Schau versammelt um die Respekt gebietende Schönheit andere hochkarätige Damenbildnisse, darunter Bronzinos „Bildnis einer Dame in Grün“ aus den Sammlungen des englischen Königshauses.

  • Guercino (1591–1666); "Madonna mit Kind", um 1621/22; Öl auf Leinwand, 64 x 50 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main; erworben 2010 als Schenkung von Barbara und Eduard Beaucamp
    Meisterwerke des Städel

    Guercinos „Madonna mit Kind“

    Anlässlich unserer Jubiläumsausstellung „Dialog der Meisterwerke“ stellen wir Euch besondere Werke aus der Sammlung vor – was sie auszeichnet und welches Werk ihnen als Pendant während der Ausstellung zur Seite gestellt wurde. Den Auftakt macht Guercinos „Madonna mit Kind“.

  • Seit Anfang dieses Jahres Städel-Kustos: Bastian Eclercy.
    Fünf Fragen an

    Bastian Eclercy, neuer Städel-Kustos für italienische, französische und spanische Malerei bis 1800

    Von der „Lady in Red“ über Schiefermalgründe bis hin zum Mittagessen in der Städelschule – wir sprachen mit dem neuen Städel-Kustos Bastian Eclercy über seine ersten 100 Tage am Museum und seine Pläne für die Sammlung der italienischen, französischen und spanischen Malerei bis 1800.

Newsletter

Wer ihn hat,
hat mehr vom Städel.

Aktuelle Ausstellungen, digitale Angebote und Veranstaltungen kompakt. Mit dem Städel E-Mail-Newsletter kommen die neuesten Informationen regelmäßig direkt zu Ihnen.

Beliebt

  • Honoré Daumier

    Zur Ernsthaftigkeit der Komik

    Wie Karikaturen funktionieren und warum Daumier für sie ins Gefängnis kam.

  • Der Film zur Ausstellung

    Honoré Daumier. Die Sammlung Hellwig

  • Die Ausstellungen im Städel

    Highlights 2024

    Unser Ausblick auf 2024: Freut euch auf faszinierende Werke von Honoré Daumier und Käthe Kollwitz, lernt die Städel / Frauen kennen, entschlüsselt die Bildwelten von Muntean/Rosenblum, erlebt die Faszination italienischer Barockzeichnungen und reist zurück in Rembrandts Amsterdam des 17. Jahrhunderts.

  • Städel Mixtape

    #34 Jan van Eyck – Lucca-Madonna, ca. 1437

    Ein ruhiger Moment mit Kerzenschein, ihr seid so vertieft, dass ihr alles um euch herum vergesst: Vor rund 600 Jahren ging es den Menschen ähnlich, wenn sie vor Jan van Eycks „Lucca-Madonna“ gebetet haben. In diesem STÄDEL MIXTAPE geht es um das Andachts-Bild eines raffinierten Geschichtenerzählers. 

  • Städel | Frauen

    Louise Schmidt: Bildhauerin!

    Teil 1 der Porträt-Reihe „Städel | Frauen“.

  • ARTEMIS Digital

    Digitales Kunsterlebnis trifft wegweisende Demenz-Forschung

    Wie sieht eine digitale Anwendung aus, die Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zeit- und ortsungebunden einen anregenden Zugang zur Kunst ermöglicht? Ein Interview über das Forschungsprojekt ARTEMIS, über Lebensqualität trotz Krankheit und die Kraft der Kunst.

  • Gastkommentar

    Kunst & Schwarze Löcher mit Astrophysikerin Silke Britzen

    Was sieht eine Astrophysikerin in den Werken der Städel Sammlung? In diesem Gastkommentar eröffnet Silke Britzen (Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn) ihre individuelle Sichtweise auf die Kunstwerke im Städel Museum.