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Match made in heaven

David Bowie schwebt im Vasarely-Weltraum – das Albumcover von 1969 ist fast so legendär wie sein erster Hit „Space Oddity“. Der Fotograf Vernon Dewhurst hat es damals gestaltet. Ein Gespräch über Pop, Op-Art und das All.

Sarah Omar — 26. November 2018

Städel Museum: Wie haben Sie David Bowie kennengelernt?

Vernon Dewhurst: Ich arbeitete Ende der Sechziger als Modefotograf in London und wohnte in einem Haus in South Kensington, das ich mir mit mehreren Leuten teilte. Im obersten Stock lebte David mit seiner Freundin Hermione. Niemand kannte ihn damals. Sein erstes Album von 1967 war gefloppt. Er hielt sich mit diversen Schauspieljobs über Wasser, während er weiter an seinen Songs schrieb. Wir freundeten uns an. Ich ging oft zu ihm rauf, wir rauchten, tranken zusammen Wein und er zeigte mir, woran er gerade arbeitete. Wahrscheinlich war es Ende 1968, als er mich in die Demoaufnahme von Space Oddity reinhören ließ.

Das Coverbild für „David Bowie” (später: „Space Oddity”) 1969, Foto: Vernon Dewhust © Vernon Dewhust

Das Coverbild für „David Bowie” (später: „Space Oddity”) von 1969, Foto: Vernon Dewhurst © Vernon Dewhurst

Damit gelang ihm kurze Zeit später ein erster großer Erfolg.

Dewhurst: Der Song traf den Nerv der Zeit. Der Wettlauf ins All und kurz darauf die erste bemannte Mondlandung waren permanent in den Nachrichten. In den Sechzigern passierte so viel Schlechtes in der Welt, der Kalte Krieg, der Vietnamkrieg, der Mord an Kennedy – im Gegensatz dazu war die Erkundung des Weltraums ein internationales Ereignis, das positiv besetzt war. Die Astronauten waren die neuen Helden und Major Tom kam gerade richtig. David war sehr intelligent und interessierte sich für das, was in der Welt passierte. Gleichzeitig hatten wir große künstlerische Freiheiten, London war die Welthauptstadt der Popmusik.

Wie kam es zur Zusammenarbeit für das Albumcover?

Dewhurst: David hatte im Hinterzimmer einer Kneipe 1969 das Beckenham Arts Lab mitbegründet. Er selbst spielte dort immer wieder Konzerte und bat mich, ihn bei einem seiner Auftritte zu fotografieren. Das Licht war ein Alptraum, aber die Bilder hatten interessante Effekte und fingen die Atmosphäre des Clubs ein.

David Bowie 1968 bei einem Konzert im Beckenham Arts Lab, fotografiert von Vernon Dewhust © Vernon Dewhust

David Bowie 1968 bei einem Konzert im Beckenham Arts Lab, fotografiert von Vernon Dewhurst © Vernon Dewhurst

David zeigte die Bilder Calvin Marc Lee, mit dem er bei Mercury Records gerade an seinem zweiten Album arbeitete. Calvin, ein Kalifornier mit chinesischen Wurzeln, war ein richtiger Sixties-Typ. Er trug Pierre-Cardin-Anzüge und hatte einen silbernen Stern auf seiner Stirn, seine Haare reichten bis zur Taille. Calvin hatte ein fantastisches minimalistisches Büro, an den Wänden hingen bestimmt ein Dutzend Vasarely-Drucke. Dort kamen die beiden auch auf die Idee, eines der Motive als Hintergrund für das neue Cover zu benutzen. Ich sollte David fotografieren.

Aber das Ergebnis zeigt nicht einfach nur David Bowie vor einem Vasarely. Wie entstand das endgültige Cover?

Dewhurst: Statt ihn einfach vor das Bild zu stellen, wollte ich David aus dem Muster hervortreten lassen. Die beiden kamen mit dem Vasarely in mein Studio. Ich fotografierte zuerst David vor schwarzem Hintergrund und strahlte ihn von hinten an, sodass seine Haare leuchteten. Diesen Effekt verstärkte ich mit Vaseline auf der Linse. Der Blitz war so stark, dreimal so hell wie Sonnenlicht zur Mittagszeit, dass David den Witz machte „the sun machine is coming down“ – die Zeile tauchte später in seinem Song Memory of a Free Festival auf.

David Bowie ohne Vasarely, fotografiert für das spätere Space-Oddity-Cover 1969, Foto: Vernon Dewhust © Vernon Dewhust

David Bowie ohne Vasarely, fotografiert für das spätere Space-Oddity-Cover, 1969, Foto: Vernon Dewhurst © Vernon Dewhurst

Den Vasarely habe ich separat fotografiert. Es hat über eine Woche und drei Anläufe im Labor gebraucht, bis wir mit dem Ergebnis zufrieden waren. Mit Photoshop wäre es schneller gegangen.

Wie präsent war Vasarely Ihnen damals?

Dewhurst:Vasarely oder besser gesagt seine Op-Art wurde zu dieser Zeit gerade bekannt. David und ich lernten den Namen aber erst in Calvins Büro kennen – David war begeistert. Er interessierte sich sehr für Kunst und verstand, was Vasarely machte. Seine Op-Art war neu, modern und unkonventionell und reflektierte die Verbindung von Kunst und Wissenschaft. Damit entsprach sie genau dem Zeitgeist, der Begeisterung für Technologie und den Weltraum. Natürlich passte sie auch zu den Drogen-Experimenten. In meiner Erinnerung lief Vasarely ständig im Hintergrund mit. Er war – wie die Popmusik – einfach charakteristisch für die Zeit.

Nachdem das Album 1969 in England unter dem Titel „David Bowie“ – mit dem Vasarely – und in den USA unter „Man of Words/Man of Music“ – ohne den Vasarely – erschienen war, wurde es 1972 erneut unter dem Titel „Space Oddity“ veröffentlicht – wieder mit Originalcover. Was macht das Cover aus Ihrer Sicht so ikonisch?

Dewhurst: Ich denke, dass das Porträt des jungen David natürlich eine wichtige Rolle spielt. Andererseits ist der Vergleich mit dem ersten Album-Release in den USA interessant: Dort war der Hintergrund einfarbig. Daran kann sich heute kaum jemand erinnern, obwohl sich das Album in den USA wesentlich besser verkaufte.

Wie ist es für Sie, Vasarelys Gemälde nach fünf Jahrzehnten hier in Frankfurt zu sehen?

Dewhurst: Die Bilder erinnern mich an eine immens produktive Zeit, in der viele Grenzen aufgebrochen wurden, zwischen Malerei und Fotografie, zwischen Kunst, Wissenschaft und Popkultur. Es ist toll, so viele, auch frühe Vasarelys zusammen zu sehen und seine künstlerische Entwicklung nachzuvollziehen, man versteht ihn als Künstler so viel besser. Die Ausstellung hat bei mir einige Lücken gefüllt, ich kannte ja nur seine Op-Art.

Vernon Dewhust in der Vasarely-Retrospektive im Städel Musem, Foto: Städel Museum

Vernon Dewhurst in der Vasarely-Retrospektive im Städel Musem, Foto: Städel Museum

Was passierte, nachdem David Bowie seinen Durchbruch hatte? Sind Sie in Kontakt geblieben?

Dewhurst: Ich bin in dem Jahr nach Paris gezogen und der Kontakt brach ab. Aber mit Calvin telefoniere ich noch ab und zu. Er hatte ja schon damals einen Doktor in pharmazeutischer Chemie und an der Entwicklung der Antibaby-Pille mitgewirkt. Heute lebt er in San Francisco und verkaufte noch bis vor Kurzem Eiscreme in 27 Geschmacksrichtungen.


Vernon Dewhurst lebt als Fotograf wieder in London. Die Fragen stellte Sarah Omar, sie arbeitet in der Onlinekommunikation des Städel.

Die Ausstellung „Victor Vasarely. Im Labyrinth der Moderne“ läuft noch bis 13. Januar 2019 im Städel Museum.

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